Verantwortlich für die schlechte Luft in Stuttgart sind Autoindustrie und Politik. Nicht die Bürger. Demos wie am Donnerstag am Charlottenplatz sind daher kontraproduktiv, meint Lokalchef Holger Gayer.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Selten sind die Positionen zum Thema Fahrverbot so unmittelbar aufeinandergekracht wie an diesem Donnerstag. Um 10 Uhr erklärt die IHK, dass die Schadstoffgrenzwerte zwar eingehalten werden müssten und man daher wohl auch um Restriktionen nicht herumkomme. Trotzdem müsse der Wirtschaftsverkehr rollen. Eine Stunde später fordern Umweltverbände, dass alle Diesel, die die Grenzwerte überschreiten, ausgesperrt werden müssten. Um diesen Anspruch zu untermauern, organisieren sie zum Feierabend eine Demonstration, die den Verkehr rund um den Charlottenplatz zum Erliegen bringt – und das Blut vieler, die deswegen im Stau stecken, zum Kochen.

 

Ist das angemessen? Und überhaupt: Wer hat denn nun recht?

Antwort a: jein. Antwort b: beide.

Druck aufbauen ist richtig, aber es braucht dazu keine ideologische Demo

Was unentschlossen wachsweich klingt, ist der Vernunft und dem Prinzip des Rechtsstaats geschuldet. Eine Demonstration darf selbstverständlich dort stattfinden, wo eine räumliche Nähe zum Thema der Kundgebung gegeben ist. Dort erzielt sie ihre größte Wirkung – auch wenn dies für viele Unbeteiligte unbequem sein kann. Ob die Demonstranten ihrer Sache aber einen Gefallen tun, wenn sie den Verkehr lahmlegen, ist eine andere Frage. Gezielt haben sie auf zögerliche Politiker, eine schummelnde Autoindustrie und die dazugehörenden Lobbyisten. Getroffen haben sie aber Bürgerinnen und Bürger, denen bis vor Kurzem erklärt und vorgelebt worden ist, dass sie vermeintlich saubere Diesel fahren sollen und EU-Papiere, auf denen die Grenzwerte stehen, geduldig sind.

Keine Frage: Industrie und Politik haben das Problem verursacht. Nun Druck aufzubauen, um die Verantwortlichen zu Lösungen zu zwingen, ist daher nicht nur verständlich, sondern auch notwendig. Aber deswegen generelle Fahrverbote für fast alle handelsüblichen Diesel zu fordern, ist unangemessen. Die Stadt muss auch künftig noch erreichbar bleiben. Es braucht daher kurzfristig realisierbare Konzepte ebenso wie Übergangsfristen.