Die Protestbewegung gegen Stuttgart 21 hat die Marschroute für die bevorstehende Auseinandersetzung um das umstrittene Großprojekt vorgegeben. Die Frage „Für oder gegen den Tiefbahnhof?“ soll zu einem zentralen Thema der Bundestagswahl werden.

Stuttgart - Bei einer Demonstration auf dem Schlossplatz und einer anschließenden Menschenkette rund um den Bauzaun am Schlossgarten hat die Protestbewegung gegen Stuttgart 21 die Marschroute für die bevorstehende Auseinandersetzung um das umstrittene Großprojekt vorgegeben. Die Frage „Für oder gegen den Tiefbahnhof?“ soll zu einem zentralen Thema der im Herbst anstehenden Bundestagswahl werden: Mehrere Redner des Aktionsbündnisses attackierten die Bundeskanzlerin Angela Merkel direkt, „Merkel weg!“-Sprechchöre erinnerten an die „Mappus-Weg!“-Rufe im Vorfeld der vergangenen Landtagswahlen. Laut Angaben der Veranstalter beteiligten sich mehr als 8000 Menschen am Protest, die Stuttgarter Polizei sprach von 6000 Teilnehmern. Der Protest sei friedlich verlaufen.

 

In die Grundsatzkritik gegen Stuttgart 21 mischte sich diesmal vor allem scharfe Kritik an den bekannt gewordenen Mehrkosten in Milliardenhöhe. „Ein Ende dieser finanziellen inflationären Geisterbahnfahrt ist nicht in Sicht“, sagte Peter Pätzold, der Chef der Grünenfraktion im Stuttgarter Gemeinderat. Jeder marode Bahnhof, jede schlechte Strecke und jeder alte Zug würden in der ganzen Republik an „das große Gemauschel“ in Stuttgart erinnern, sollte der Tiefbahnhof doch noch gebaut werden. Der Grünen-Politiker erinnerte an die massiven Probleme im S-Bahnverkehr der Stadt. Wenn aber die S-Bahn ausfalle, „hat die Wirtschaftsregion Stuttgart ein Problem“. Die S-Bahn sei schließlich das Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs.

Bei der Kundgebung auf dem Schlossplatz sprachen auch die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender und der SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch. Beide hatten früher als Sprecher die Protestbewegung angeführt und waren auch an den Geißler’schen Schlichtungsgesprächen beteiligt. Dahlbender, die ein SPD-Parteibuch besitzt, forderte die baden-württembergische Landesregierung dazu auf, nicht in die Kostenfalle der Bahn zu tappen, die die Projektpartner an den Mehrkosten finanziell beteiligen will. „Seht doch endlich ein, dass ihr auf das falsche Pferd gesetzt habt“, sagte Dahlbender namentlich an die Adresse des SPD-Finanzministers Nils Schmid und des Fraktionschefs Claus Schmiedel. Wenn die Landesregierung nun dem Drängen der Bahn nachgebe und mehr Geld zahle, werde die Regierung für alle weiteren Mehrkosten ebenfalls in Haftung genommen.

Rockenbauch kündigt Widerstand gegen Baumfällungen an

Hannes Rockenbauch sprach sich dafür aus, dass alle an dem Projekt beteiligten konkret über einen Ausstieg nachdenken und darüber sprechen sollten. Es helfe nun „kein blindes Festhalten an alten Beschlüssen“, nach dem Volksentscheid seien neue Fakten bekannt geworden. Noch sei kein einziger Tunnelkilometer gegraben worden“, sagte Rockenbauch, aber es habe sich bereits gezeigt: „das Einzige, was die Bahn AG kann, ist zerstören, tricksen und lügen.“ Rockenbauch, der bei den OB-Wahlen als Kandidat angetreten war, kündigte zudem Widerstand gegen mögliche Baumfällarbeiten der Bahn im Rosensteinpark an: „Wir sollten uns wieder in den Weg setzen oder stellen.“ Auf einem großen Banner forderten Gegner des Tiefbahnhofs: „Hände weg vom Rosensteinpark!“

Im Anschluss an die Kundgebung auf dem Schlossplatz zog die Menschenmenge zum Bahnhof weiter. Trommler führten den Zug an, der schließlich das Planetarium erreichte. Dort verteilten sich die Demonstranten zu einer Menschenkette entlang des Bauzauns. Sie fanden sich damit auch rund um jenes Gelände ein, das beim Polizeieinsatz gegen die Stuttgart 21-Gegner bundesweit in die Schlagzeilen geraten war. Am Bauzaun lehnte dabei ein Plakat, das zuvor an der Spitze des Protestzugs zu sehen gewesen war. Seine Parole: „Merkel 21.“