Krumme Geburtstage werden meist nicht groß gefeiert. Das könnte dieses Jahr anders sein. Das Grundgesetz wird 68 Jahre alt.Mit einer gemeinsamen Mittagspause will die Aktion „Farbe bekennen“ die Menschen auf die Straße holen.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart/Karlsruhe - Es tut sich was. Die einen bilden Menschenketten für Europa, die anderen wollen ihre Mittagspause im demokratischen Geist verbringen. Zur gar vielsagenden Uhrzeit um 11.55 Uhr oder anders ausgedrückt: um fünf vor zwölf. Unter dem Motto „Farbe bekennen! Für Demokratie und eine offene Gesellschaft“ trommelt dafür seit Neustem die Diözese Rottenburg-Stuttgart.

 

Aber nicht irgendeine Mittagspause soll es sein. Am 23. Mai jährt sich die Verkündung des Grundgesetzes zum 68. Mal. Normalerweise hat das Datum bei den meisten Menschen keinen besonderen Platz im Kalender. Grundgesetz, Grundwerte – ja gut, aber die gehören doch zum selbstverständlichen Inventar unserer Demokratie, denken viele. Doch die Passivität scheint ein Ende zu haben.

Ganz Baden-Württemberg soll auf die Straße

Dieses Jahr soll es anders werden. Auch wenn der Tag ein Dienstag, also nicht arbeitsfrei ist: „Der 23. Mai bietet sich für ein öffentliches Bekenntnis an“, heißt es in der Projektbeschreibung, die Ende März quer durch Baden-Württemberg nicht nur an kirchliche Einrichtungen, sondern auch an Vertreter aus Wirtschaft und Sport verschickt worden ist. Auch die Evangelische Landeskirche in Baden will Aktionen in Karlsruhe koordinieren, dem Ort, an dem das Verfassungsgericht über die Einhaltung des Grundgesetzes wacht. Die Parteien sind bewusst nicht als Partner angefragt worden, um das eigentliche Ziel nicht dem Vorwahlkampf zu opfern. Die Idee, dass sich die Bürger an zentralen Plätzen um 11.55 Uhr sammeln, stammt aus dem Kreis der Mitarbeiter der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die ihre Oberen dafür begeisterten.

Demokratie als Bekenntnis

Wie es scheint, erfahren seit den Wahlen in den USA und wegen der bevorstehenden Richtungsentscheidung in Frankreich und den für viele demokratiefeindlichen Entwicklungen in Polen, Ungarn und der Türkei nun auch unrunde Demokratie-Geburtstage Wertschätzung. Zunehmend wächst das Bedürfnis zu zeigen, wie sehr Bürger das demokratische Miteinander schätzen. Aber eben nicht auf abstrakter Funktionärsebene, sondern auf Ebene der Menschen und ihrer positiven Erfahrungen mit einem so wichtigen Grundwert wie dem der Gleichheit aller Menschen. Wenigstens eine Mittagspause lang.