Um die Tigermücke zu bekämpfen, die das Denguefieber überträgt, werden massenhaft Insektizide eingesetzt. Eine britische Firma empfiehlt gentechnisch veränderte Mücken als Alternative. In einigen Ländern werden die Insekten schon getestet.

Stuttgart - In vielen brasilianischen Städten ist es ein Ritual, dem niemand mehr besondere Aufmerksamkeit schenkt: Ein Mann mit Mundschutz betritt das Haus und versprüht aus seiner Motorspritze Pestizide in Wohn- und Schlafräumen. Ein feiner Nebel liegt in der Luft. Der Mann kämpft gegen Mücken, weil ihr Stich Krankheiten übertragen kann. Er wird bald wiederkommen, denn die Mücken tun es auch. Zudem werden jeden Monat tonnenweise Pestizide in die Gewässer eingebracht, wo Mückenlarven wachsen.

 

Doch für den hohen Gifteinsatz gibt es eine Alternative. Die britische Firma Oxitec hat eine neue Waffe gegen die Krankheitsüberträger entwickelt: gentechnisch veränderte Mücken-Männchen. Sie sollen sich mit den wildlebenden Weibchen paaren. Die Forscher haben in die DNA der Mücken ein zusätzliches Genschnipsel eingebaut, das an den Nachwuchs übergeben wird. Es greift in den Stoffwechsel der Insekten ein und startet die Produktion eines Proteins namens tTa, das einen schleichenden Tod bewirkt. Große Mengen an tTa sind für Insekten giftig. Die Larven sterben, noch bevor sie fliegen können. Für die Zucht im Labor und den Transport nutzen die Mückendesigner einen Trick. Sie mischen ihren Insekten das Antibiotikum Tetracyclin ins Wasser und ins Futter, das die Wirkung des Gen-Schnipsels blockiert. Ohne das Antibiotikum überleben die Mücken nicht.

„Die brasilianischen Kontrollbehörden haben im April unsere Mücken nach zahlreichen Sicherheitstests als für die Natur unbedenklich eingestuft“, berichtet Simon Warner, Leiter der Forschung bei Oxitec. Den Briten fehlt nur noch die letzte Genehmigung des Ministeriums, dann können die Insekten in der freien Natur eingesetzt werden. Die bisherigen Tests verliefen erfolgreich. Die Zahl der Mücken in der brasilianischen Kleinstadt Juazeiro sei durch die Gen-Mücken nach sechs Monaten um mehr als 95 Prozent zurückgegangen, ergänzt Warner. Und wenn es keine Mücken gibt, können auch keine Krankheiten übertragen werden.

50 bis 100 Millionen Fälle von Denguefieber im Jahr

In Deutschland sind Mücken nicht mehr als lästige Plagegeister und stören die Nachtruhe. Aber die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung hat berechnet, dass weltweit jedes Jahr mehr als 720 000 Menschen sterben, weil sie durch einen Mückenstich mit Krankheiten infiziert werden. Dafür sind vor allem zwei Mückenarten verantwortlich: die Anopheles-Mücken, die Malaria übertragen können, und Stegomyia aegypti (früher: Aedes aegypti) – die ägyptische Tigermücke, auch Gelbfiebermücke genannt. Letztere schleppt gleich mehrere Krankheiten mit sich: vor allem das Denguefieber, eine Infektionskrankheit, gegen die es keine Medikamente gibt. Ein Impfstoff wird zwar getestet, ist aber noch weit von einem Einsatz entfernt. Denguefieber ist in Brasilien sehr weit verbreitet.

„Mücken sind gefährliche Tiere“, sagt Warner, „und Stegomyia aegypti breiten sich immer weiter aus.“ Sie fliegt gewöhnlich nur ein paar Hundert Meter weit, reist aber als blinder Passagier mit Autos, Flugzeugen oder Frachtgut um die Welt. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO erkranken jedes Jahr 50 bis 100 Millionen Menschen an Denguefieber, die Krankheit tritt in mehr als 100 Ländern auf. Im Kampf gegen die Mücken sei viel ausprobiert worden, aber es fehle noch immer ein wirksames Mittel, meint Warner. „Auch die Pestizide bleiben oft wirkungslos, weil Mücken sich gut verstecken können“, sagt der Biologe, „unsere Mücken-Männchen finden die Weibchen dagegen überall.“ Die Männchen überleben nur ein paar Tage, dann fahren die Pick-ups, von denen die Gentechnik-Mücken freigelassen werden, erneut durch den Ort – bis alle Weibchen einen Partner gefunden haben.

Gentechnisch veränderte Insekten gibt es schon sehr viele. Weltweit wird daran geforscht – auch in Deutschland. Die Mücken sind nur der Vorreiter, bei den Gentechnikern sind auch Fruchtfliegen beliebt. Für das kommende Jahr plant Oxitec in Spanien einen ersten Test mit gentechnisch veränderten Olivenfliegen. Fruchtfliegen wie die Olivenfliege sind der wichtigste Schädling im Obst- und Gemüseanbau.

Die Technik zur Einschleusung zusätzlicher Gene in das Insektenerbgut ist zwar anspruchsvoll, aber mittlerweile Routine. Im Juni veröffentlichten Gentechniker am Imperial College in London ihre Ergebnisse zur Veränderung der DNA in der Anopheles-Mücke. Nach dem Umbau erzeugten die Mücken zu 95 Prozent männlichen Nachwuchs – auf diesem Weg könnten die Insekten ebenfalls bekämpft werden.

Eine neue Gentechnik-Debatte kommt auf uns zu

Oxitec testet seine Stegomyia aegypti seit Mai auch in Panama, die US-Aufsichtsbehörde FDA beschäftigt sich schon mit den Insekten, die bald auch in Florida eingesetzt werden sollen. In Juni konnte das Start-up sieben Millionen Euro bei privaten Investoren einsammeln. Die Briten haben gegenüber der Konkurrenz den Vorteil, dass sie im zähen Genehmigungsprozess schon ein paar Jahre Vorsprung haben. Tatsächlich sind die meisten Behörden auf die neuen Insekten gar nicht oder nur unzureichend vorbereitet, auch in Europa nicht.

Die Insektendesigner setzen nur Mücken-Männchen aus. Die können nämlich nicht stechen, während Weibchen Blut für die Entwicklung der Eier benötigen. „Die Geschlechter lassen sich durch ihre unterschiedliche Größe leicht trennen“, erklärt Warner. Deshalb könne das zusätzliche DNA-Schnipsel nicht auf andere Tiere oder den Menschen übertragen werden.

Wenn andere Tiere die gentechnisch veränderten Mücken fressen, hätten sich bisher keine negativen Folgen gezeigt, berichtet Warner von den Studien, bei denen Mücken und Larven verfüttert wurden. Das Gen werde bei der Verdauung zerstört. „Wir arbeiten mit den örtlichen Behörden zur Mückenkontrolle zusammen, zu denen auch namhafte Wissenschaftler gehören“, sagt Warner, „es gibt meistens keine besseren Experten für Mücken und deren Lebensräume.“ Für Brasilien scheinen die Argumente überzeugend. Simon Warner kennt die Bedenken der Europäer gegenüber der Gentechnik. „Diese Insekten darf man nicht mit der grünen Gentechnik auf dem Acker vergleichen, die in Europa gescheitert ist“, sagt er, „unsere Mücken schützen die Menschen.“ Eine neue Debatte kommt auf die Gesellschaft zu.

Stichwort: Tigermücke

Insekt
Die Tigermücke ist träge und anpassungsfähig, sie bleibt gern in der Nähe der Menschen, benötigt allerdings ein gemäßigtes Klima. Anders als Malaria-Mücken sticht sie auch tagsüber, deshalb helfen keine Netze. Bis vor einigen Jahren hieß sie lateinisch Aedes aegypti, wurde aber in Stegomyia aegypti umbenannt, als Stegomyia von einer Untergattung zur Gattung aufgewertet wurde.

Verbreitung
Die Tigermücke tritt in mehr als 100 Ländern auf, auch in Südeuropa. Die Mücke überträgt Krankheiten wie Denguefieber, Gelbfieber, West-Nil-Fieber und das Chikungunyafieber, indem sie infizierte Menschen sticht und den Erreger weitergibt.

Gentechnik
Die britische Firma Oxitec kann nach eigenen Angaben bis zu 20 Millionen gentechnisch veränderte Mücken pro Woche züchten. Sie werden als Eier oder Larven transportiert, aus denen sich dann vor Ort die Mücken entwickeln. In Brasilien wird die Firma Moscamed die Mücken in einer Fabrik in Jacobina (Region Bahia) produzieren.