Wind, Wetter und Gedankenlosigkeit setzen den 1400 Grabsteinen auf dem Hoppenlaufriedhof mächtig zu. Ist der Friedhof noch zu retten?  

Stuttgart - Franz Karl Maier ist ein schwäbischer Querkopf gewesen. 1945 zählte der Jurist zu den ersten Lizenzträgern der Stuttgarter Zeitung. Dann wurde er "Öffentlicher Ankläger vor der Spruchkammer", brachte Größen der NS-Zeit vor Gericht, hielt Theodor Heuss und Reinhold Maier vor, 1933 Hitlers Ermächtigungsgesetz zugestimmt zu haben.

 

1949 verließ er Stuttgart enttäuscht, ging nach Berlin, wurde Herausgeber des "Tagesspiegel". Als Franz Karl Maier 1984 starb, war das Staunen in Stuttgart groß: Er hinterließ nämlich mehr als 200.000 Mark für die Rettung des alten Hoppenlaufriedhofs. Was ihn dazu bewog, ist bis heute unklar; Maiers Grab liegt auf dem Pragfriedhof.

Jetzt, knapp dreißig Jahre später, wären viele Förderer vom Schlage eines Franz Karl Maier vonnöten, denn Stuttgarts ältestes Gräberfeld zerfällt - zwar langsam, aber sicher. Mit Maiers großzügiger Hinterlassenschaft haben die Steinmetze Ende der achtziger Jahre auf dem Hoppenlaufriedhof viel Gutes bewirkt:

Hunderte Grabmale wurden von unten her gegen die aufsteigende Feuchtigkeit abgeschirmt, mit der sogenannten Hydrophobie, einer damals noch neuen Methode, wurde der schwäbische Schilfsandstein, der aus Maulbronn, aber auch vom ehemaligen Steinbruch auf dem Killesberg stammt, quasi imprägniert. Die vielen Kreuze aus Gusseisen konnte man sichern, viele Inschriften und Grabplatten ebenfalls. Bei den Kennern des Hoppenlaufriedhofs hat der Name Franz Karl Maier bis heute einen guten Klang.

Grabmäler inzwischen stark verwittert

Geht man jetzt über den 1626 angelegten Gottesacker, auf dem damals, während der Pest, nicht weniger als 70.000 Opfer in Massengräbern beigesetzt wurden, so zeigt sich selbst dem Laien auf den ersten Blick: 20 Jahre nach der letzten Konservierung ist der Zerfall wieder in vollem Gange. Dutzende Grabmale sind nur noch Fragmente, ungezählte Inschriften mehr oder minder verwittert.

Der Hoppenlaufriedhof, auf dem im 18. und 19. Jahrhundert viele schwäbische Geistesgrößen und prominente Bürger verschiedenster Profession beerdigt worden sind, hat zwar sein ganz besonderes Pathos nicht verloren, seine herausragende Bedeutung schon gar nicht - wohl aber ist seine Substanz akut gefährdet.

In dieser misslichen Situation, die sich seit Jahren schleichend entwickelt hat, hätte der Gemeinderat ein gutes Werk tun können - hat er aber leider nicht. Auf Antrag der Sozialdemokraten sollten nämlich 100.000 Euro das städtische Friedhofsamt in die Lage versetzen, seine Kartei, die den Zustand jedes einzelnen Steines verzeichnet, im Jahr 2012 auf den neuesten Stand zu bringen. So hätte man, ganz praktisch, eine Prioritätenliste erstellen können: Welches sind die dringlichsten Fälle? Was kostet es, die unwiederbringlichen Denkmale in einem mehrjährigen Programm, Zug um Zug versteht sich, wieder herzurichten?

"Es fehlt halt das Geld für durchgreifende Maßnahmen"

Als es jedoch kurz vor Weihnachten im Rathaus zum Schwur kommen sollte, standen die Sozialdemokraten plötzlich alleine da, die 100.000 Euro fielen dem Rotstift zum Opfer. Maurus Baldermann, beim Friedhofsamt zuständig für die historischen Gräberfelder in der Landeshauptstadt, sagt beim Rundgang über das einstige Gewann Hoppenlau:

"Es ist ja nicht so, dass wir hier seit Jahren nichts gemacht haben. Aber es fehlt halt das Geld für durchgreifende Maßnahmen." Die Folge des negativen Ratsbeschlusses sei, "dass ich allein die Fortschreibung unserer Dokumentation aus den neunziger Jahren in Angriff nehmen muss, die Hilfe von erfahrenen Steinmetzen können wir nicht bezahlen".

Wie lange er für seine Arbeit brauchen werde, sagt Maurus Baldermann, lasse sich nur schwer abschätzen, am Ende jedoch werde er, so oder so, dem Gemeinderat und seinen Gremien sagen können, auf welche Weise und für wie viel Geld man den ältesten Stuttgarter Friedhof vor dem völligen Zerfall retten könne.

Magazin über den Hoppenlaufriedhof

An dieser Stelle kommt Friedrich Pfäfflin ins Spiel, der treffliche Schöpfer des legendären Marbacher Magazins und fast dreißig Jahre lang ein prägender Motor des Schiller-Nationalmuseums sowie des großartigen Literaturarchivs. 1991 hat der mittlerweile im Unruhestand lebende Pfäfflin dem Hoppenlaufriedhof ein 300 Seiten umfassendes Marbacher Magazin gewidmet. Weil diese bibliophile Rarität inzwischen vergriffen ist, hat sich der Autor, unterstützt von seiner Frau Waltraud, schon vor längerer Zeit an die Arbeit gemacht.

"Der Friedhof ist leider in keinem guten Zustand", kritisiert Pfäfflin. Sein Plan, ein kräftig aktualisiertes Buch auf der Basis des alten Magazins herauszubringen, habe eigentlich nur zwei Ziele: "Der Politik laut und deutlich sagen, welche Bedeutung dieser Friedhof tatsächlich hat, und allen Interessierten, namentlich den Familien, die dort Vorfahren haben, wichtige Informationen liefern." Noch fehlt Pfäfflin ein Verlag, der seine Arbeit herausgibt.

Ein paar wenige Namen derer, die unweit der Liederhalle und des Max-Kade-Hauses ihre letzte Ruhe gefunden habe, mögen fürs Erste genügen: der Verleger Johann Friedrich Cotta, der nicht nur Goethe und Schiller druckte. Johann Heinrich Dannecker, einer der größten Bildhauer seiner Zeit. Christian Gottfried Elben, der Historiker und Gründer des "Schwäbischen Merkur". Ludwig Gundert, Kaufmann und Urgroßvater von Hermann Hesse.

Wilhelm Hauff, der romantische Dichter. Gottlob Heinrich Rapp, Tuchhändler, Bildungsbürger und Mittelpunkt des Stuttgarter Geisteslebens am Anfang des 19. Jahrhunderts. Otto Reiniger, einer der besten schwäbischen Landschaftsmaler. Philipp Scheffauer, populärer Bildhauer. Christian Friedrich Daniel Schubart, der aufmüpfige Dichter, der für seine Unbotmäßigkeit zehn Jahre auf dem Hohen Asperg gefangen blieb. Schließlich Friedrich Steinkopf, der Buchhändler, und Emilie Zumsteeg, die Komponistin und Gründerin des Frauenliederkranzes.

Ohne private Initiative geht es nicht

Der klangvollen Namensreihe kurzer Sinn: es muss bald etwas passieren, soll der Niedergang des Hoppenlaufriedhofs nicht in einer Blamage für ganz Stuttgart enden. Timo John vom Schwäbischen Heimatbund sieht das ebenso: "Es ist höchste Zeit, dass sich ein Kreis von verständigen Leuten zusammenfindet, um einen Förderverein zu gründen. Denn ohne private Initiative geht es wohl nicht."

Dies zeigten die vergleichbaren Beispiele anderer alter Begräbnisstätten in der ganzen Republik. John ist "sehr traurig darüber, dass der Gemeinderat die dringend notwendigen 100.000 Euro für die kommenden zwei Jahre doch nicht bewilligt hat". Er wäre bereit, sich zu engagieren.

Engagieren würde sich auch Dieter Angst, der Geschäftsführer der Denkmalstiftung Baden-Württemberg: "Die Stadt Stuttgart tut leider wenig für den Denkmalschutz. Wir würden Geld geben für den Hoppenlaufriedhof, das Landesdenkmalamt ebenfalls." Deshalb habe er, Angst, den Oberbürgermeister jüngst angeschrieben. Wolfgang Schuster habe geantwortet, ihm sei "das Problem bekannt". Nichts weiter.

Und die Moral von der Geschicht? Viele wissen, dass dringend etwas getan werden müsste - aber kaum einer tut etwas. So nagt der grässliche Zahn der Zeit weiter an diesem schwäbischen Heldenfriedhof. Wer ergreift mutig die Initiative?