Die Sindelfinger Empörung über Pläne, möglicherweise eine Deponie für Erdaushub und Bauschutt im Stadtwald zu errichten, kann der Landrat Roland Bernhard nicht nachvollziehen. Die Suche nach einem geeigneten Standort ist noch ganz am Anfang.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Das Thema ist heikel und sensibel, weiß Roland Bernhard. Eigentlich hätte es erst am 13. März an die Öffentlichkeit gelangen sollen – nachdem sich der Kreistag und die betroffenen Gemeinderäte damit befasst haben. Im Kreis Böblingen wird ein Standort für eine neue Deponie gesucht: Rund 600 000 Tonnen an Erdaushub und Bauschutt sollen möglichst vom Jahr 2025 an jährlich dort abgeladen werden. So hat es der Kreistag vor etwas mehr als zwei Jahren beschlossen. Nach der Prüfung durch ein Ingenieurbüro und die Fachabteilungen des Landratsamts gibt es nun eine Liste mit fünf möglichen Plätzen für die Deponie – bei Weissach, Rutesheim, Ehningen und Sindelfingen. „An der Standortfindung ist nichts Geheimes“, betonte der Landrat. Aber sie befinde sich noch im Bereich der Voruntersuchung.

 

Der Fahrplan des Landrats sah anders aus

Die Sindelfinger Stadtverwaltung hatte das Thema am Dienstag dennoch auf die Tagesordnung gesetzt –  und zwar in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung. Fast einstimmig sprachen sich alle Fraktionen gegen eine Erddeponie im Stadtwald aus. Der Oberbürgermeister Bernd Vöhringer hatte der Verwaltung des Kreises „mangelnde Transparenz“ bei der Standortsuche vorgeworfen. Außerdem behauptete er in der Sitzung, die Einsicht in Gutachten für die Auswahl sei ihm verwehrt worden.

„Das St. Florians Prinzip lasse ich ich nicht durch“, konterte Roland Bernhard in einer eigens deshalb am Freitag einberufenen Pressekonferenz. Die Diskussion über die potenziellen Standorte habe ihn überrascht. „Unser Fahrplan sah ganz anders aus“, erklärte er.

Zunächst hätten alle Gemeinderäte der betroffenen Kommunen über die Ergebnisse des Auswahlverfahrens informiert werden sollen. Auch für Sindelfingen stand das Angebot, laut der Kreisbehörde lehnte die Stadt es aber ab. Im vergangenen Herbst war die Vorgehensweise mit den drei Bürgermeistern und einem Sindelfinger Amtsleiter besprochen worden. Am 13. März entscheidet der Kreistag, welche der fünf Standorte näher untersucht werden sollen. Denn die für die Errichtung einer Erddeponie nötigen Umweltverträglichkeitsgutachten gibt es noch gar nicht. Sie kosten viel Geld und sollen nur für die Gelände angefertigt werden, die das größte Potenzial haben. Mit der endgültigen Entscheidung für eine Fläche rechnet die Kreisbehörde erst in rund vier Jahren.

Von 78 bleiben fünf Standorte übrig

Eine 30 bis 40 Hektar große Fläche ist für die Erddeponie notwendig. Sie darf weder in einem Natur- noch in einem Wasserschutzgebiet liegen. Ein Ingenieurbüro hatte anhand dieser Kriterien eine sogenannte Negativkartierung für den Kreis erstellt und kam auf 78 Standorte. Der Anschluss an das Verkehrsnetz und der Abstand zur nächsten Ortschaft führte anschließend zu einer Verringerung auf 20 in Frage kommende Areale. In der nächsten Bewertungsstufe hat der Abfallwirtschaftbetrieb weitere Flächen aussortiert, weil sie beispielsweise zu steil sind oder zum Versuchsanbau des Ihinger Hofes gehören oder als Erweiterungsgrundstücke für das Daimler-Werk gebraucht werden könnten.

Die daraufhin übrig gebliebenen zehn Standorte wurden danach von den Ämtern für Wasserwirtschaft, Naturschutz, Landwirtschaft und Forst überprüft. Ausschlusskriterien waren in dieser Runde unter anderem die Existenzbedrohung von Landwirten, ein bestimmtes Artenvorkommen, ein strukturreicher Wald mit Altbestand oder Hochwasserrückhaltebecken.

„Es ist kein Vergnügen, in so einem verdichteten Raum nach einem Standort zu suchen“, sagte Wolfgang Bagin. Laut dem Leiter des Abfallwirtschaftsbetriebs liegen bei allen fünf möglichen Standorten die gleichen Probleme vor: Es sind Waldgebiete, die der Naherholung dienen. „Als „einen ganz normalen Vorgang“ bezeichnete er das Auswahlverfahren.

Der Handlungsdruck ist jedenfalls hoch: Nur bis zum Jahr 2025 ist die Entsorgung von Erdaushub und Bauschutt für private Bauherren im Kreis gesichert. „Wir sind einer der wirtschaftsstärksten Kreise Deutschlands“, sagte Roland Bernhard, „es boomt, wir bauen.“ Bei der Entsorgung der Erde und des Bauschrotts könne das Sankt-Florians-Prinzip deshalb nicht gelten.