Guido Wolf ist beim Landesparteitag in Ulm zum Spitzenkandidaten der CDU für die Landtagswahl 2016 gewählt worden. Er hat mit seiner Rede die Delegierten mitgerissen und ihnen neue Zuversicht vermittelt.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Ulm - Man hätte ja gerne gewusst, wie viel Enthusiasmus Angela Merkel diesmal aufbringen würde. Beim CDU-Bundesparteitag in Köln, kurz nach dem Mitgliederentscheid im Baden-Württemberg, war dieser noch sehr gedämpft. Da bescheinigte die Parteichefin dem frisch gekürten Spitzenkandidaten Guido Wolf und dem unterlegenen Landeschef Thomas Strobl lediglich, sie hätten eine „reale Chance“, 2016 wieder die Macht zu übernehmen. Begeisterung klingt anders.

 

Umso gespannter wartete das Parteivolk, was die Kanzlerin in Ulm zur Neuaufstellung der Südwest-CDU sagen würde. Aber ach, Merkel war erkrankt. Das durfte offiziell zwar nicht verraten werden, die Absage erfolgte – etwas skurril – ohne Angabe von Gründen. Doch Merkel-Vertraute wie der Unionsfraktionschef Volker Kauder plauderten es ungeniert aus: Am Vortag habe er noch mit ihr gesprochen, schon nach dem ersten Satz sei ihm klar gewesen, dass es nichts werde mit dem Besuch in Ulm; sie habe sogar einen Arzt aufsuchen müssen.

Der Kandidat impft Zuversicht ein

Am Samstag immerhin konnte Merkel wieder ihr Handy bedienen. Da tippte sie einige Sätze des Zuspruchs hinein: „Glückwunsch zum tollen Resultat“, tickerte sie per SMS an Guido Wolf. „Gerne wäre ich dabei gewesen. Das ist eine gute Grundlage für den weiteren Weg.“ So jedenfalls machte es Wolfs Sprecherin umgehend bekannt. Das war zwar nicht der erhoffte publikumswirksame Ritterschlag für den neuen Hoffnungsträger der Landespartei, aber immerhin ein Anfang.

Eigentlich hatte Wolf die Ermunterung durch die Kanzlerin auch gar nicht nötig. Ganz aus eigener Kraft schaffte er es in Ulm, die Delegierten von sich zu überzeugen und ihnen Zuversicht für 2016 einzuimpfen. Zwei Dinge nehme sie von dem Parteitag mit, berichtete eine bisher eher skeptische Abgeordnete. Wolf habe allen bewiesen, dass die Basis richtig entschieden habe, als sie ihn mit 56 Prozent dem Landeschef Thomas Strobl (44) vorzog; dessen Rede zündete längst nicht so wie die seines Bezwingers. Und seit Ulm, so die Abgeordnete, glaube sie zum ersten Mal, dass es klappen könne mit der Rückeroberung der Macht in Baden-Württemberg. Könne, wohlgemerkt, sicher sei da noch nichts.

Befangen von der Siegeszeremonie

Für Wolf spreche auch, dass er sich mit dem Bejubeltwerden noch erkennbar schwertue. Tatsächlich wirkte der 53-Jährige leicht befangen ob der pompösen Siegeszeremonie, die sich die Parteitagsregie ausgedacht hatte. Kaum war das Ergebnis der Wahl zum Spitzenkandidaten – rund 94 Prozent – bekanntgegeben worden, scharten sich Jungunionisten in orangefarbenen Shirts mit Wolf-Konterfei und Wir-für-Guido-Aufdruck im Saal um den Gekürten. Gemeinsam erklomm der Pulk die Bühne, wo Wolf, später flankiert von Strobl und der Generalsekretärin Katrin Schütz, die Huldigung der Delegierten entgegennahm; dazu erklang Triumphmusik vom Band. Leicht scheu winkte er immer wieder in den Saal, so, als könne er noch gar nicht ganz glauben, dass all dieser Jubel ihm gelte. So mag es auch Wolfs Ehefrau Barbara ergangen sein, die zwar begrüßt wurde, sich aber sonst im Hintergrund hielt.

Allseits Lob für die Rede des Spitzenkandidaten

Mit wem man auch sprach in Ulm: die Rede des Spitzenkandidaten wurde allseits gelobt, seine bisher beste sei es gewesen, hieß es immer wieder. „Wir, die CDU, haben wieder Selbstvertrauen, wir glauben an uns“ – diese Botschaft zu Beginn seines knapp einstündigen Auftritts vermittelte sich den Zuhörern wirklich. Nach innen sandte Wolf Signale der Geschlossenheit, etwa, wenn er sich auf der Bühne demonstrativ Strobl zuwandte und für den „fairen Wettbewerb“ dankte, wenn er betonte, er wolle „kein Solotänzer, kein Dirigent ohne Orchester“ sein, sondern das „Mannschaftsspiel“ pflegen. „Diese CDU ist das stärkste Team im Land.“ Vergessen schien da sein Fauxpas von der „Allerweltspartei“.

Spott über Bienen

Nach außen schaltete er auf Angriff, aber nicht mehr so plump wie mit der persönlichen Attacke auf Winfried Kretschmann. Diesmal saßen seine Attacken auf Grün-Rot. Etwa, wenn er in der Familienpolitik über deren „Liebe zum Facettenreichtum“ spöttelte, bei der sich ganz normale Familien „an den Rand gedrängt“ fühlten. Oder wenn er sich über den Zwang zur Fassadenbegrünung in der Bauordnung lustig machte, über die Bienen im Staatsministerium oder die Verkehrspolitik vornehmlich für Fußgänger und Fahrradfahrer. Nicht in abgedroschenen Floskeln, sondern in einer ungewohnten, frischen Sprache spießte Wolf derlei auf und erntete dafür viele Lacher. Die CDU kümmere sich um die Mitte der Gesellschaft, die Grün-Rot aus dem Blick verloren habe, das könnte ein Leitmotiv des Wahlkampfs werden.

Eine Schicksalswahl sei 2016 für die CDU, mahnte Wolf. Das sage man zwar jedes Mal, aber diesmal stimme es besonders. In Baden-Württemberg dürfe nicht passieren, was einst in Rheinland-Pfalz passiert ist: „Einmal Regierung weg, Jahrzehnte Regierung weg.“ „Wir machen Grün-Rot zu einer historischen Episode“, hatte zuvor auch Thomas Strobl versprochen. Der in der Mitgliederbefragung unterlegene Landeschef zeigte sich als souveräner Verlierer. Natürlich, bekannte er noch einmal, hätte er die CDU gerne als Spitzenkandidat in die Wahl geführt. Aber: „Ich hadere mit dieser Entscheidung nicht.“ Er werde „dort für unsere Ideale kämpfen, wo ihr mich hinstellt“, rief er den Delegierten demütig zu. Auch der Landtagsfraktionschef Peter Hauk, der seinen Posten für Wolf räumen muss, gab sich versöhnlich: Er wolle seinen Beitrag dazu leisten, „dass wir es gemeinsam mit Guido Wolf schaffen, diese Regierung ins Straucheln zu bringen“.

Beim nächsten Mal ist Merkel dabei

Strobl und Hauk waren es, die der CSU-Chef Horst Seehofer einst öffentlich als „Loser“, Verlierer, bezeichnet hatte. In gewisser Weise hat er recht behalten. Ob aus Strobl in Berlin noch etwas wird, hänge vom Ausgang der Landtagswahl ab, sagen CDU-Strategen. Hauk könne auf die Rückkehr in den Fraktionsvorsitz spekulieren, wenn man 2016 die Wahl gewinne und viele Posten zu vergeben seien. Vielleicht sei er aber auch endgültig Geschichte.

Angela Merkel hat derweil bereits für den nächsten Parteitag im Herbst zugesagt. Dann, meinten CDU-Leute, könne man ihren Rückenwind noch besser brauchen.