Seit Mitte Juni leben in den Containerbauten an der Roten Wand in Stuttgart-Nord geflüchtete Menschen. Der Freundeskreis Killesberg bietet ihnen Hilfe und Unterstützung an. In der Brenzkirche haben die Ehrenamtlichen über ihre Arbeit informiert – bei Live-Musik und Vernissage.

S-Nord - Gut gefüllt war die Brenzkirche auf dem Killesberg am Donnerstagabend, als der Freundeskreis Killesberg unter dem Motto „Von Mensch zu Mensch“ sich und seine Arbeit vorstellte. „Wer von Ihnen ist freiwillig hier?“, fragte Issam Karim in seiner Begrüßung die rund 300 Gäste. „Sehr viele Menschen würden gerne tun, was sie wollen“, erklärte Karim im Hinblick auf die vielen Flüchtlinge weltweit, aber auch mit Blick auf die geflüchteten Menschen, die seit einigen Wochen in den Containerbauten an der roten Wand leben.

 

Issam Karim ist ein Nachbar der Flüchtlingsunterkunft auf dem Killesberg und einer von mehr als 250 Ehrenamtlichen, die sich im Freundeskreis Killesberg engagieren. Er hat das Projekt „Plak.Art“ initiiert, bei dem junge Flüchtlinge gemeinsam mit Studierenden der Akademie der Bildenden Künste Plakate entwarfen (wir berichteten). Die Eröffnung der Ausstellung dieser Kunstwerke, die noch bis 25. Juli in der Brenzkirche zu sehen sind, war ein Programmpunkt der Informationsveranstaltung des Freundeskreises. Außerdem wurden an dem Abend Postkarten mit den Plakatmotiven verkauft. 790 Euro wurden dadurch eingenommen, die der Olgäle-Stiftung zugute kommen. „Auf diesem Weg wollen die jungen Flüchtlinge etwas von der Hilfe und Unterstützung, die sie erfahren haben, an die Stuttgarter Bevölkerung zurückgeben“, erklärte Johannes Berger vom Kommunikationsteam des Freundeskreises.

Auch der Pfarrer der Brenzkirche, Karl-Eugen Fischer, ist im Freundeskreis aktiv, er stellte die Arbeit der Ehrenamtlichen kurz vor. So habe etwa eine Willkommensgruppe die neuen Nachbarn beim Bezug der Unterkunft begrüßt, zweimal die Woche habe das Café Welcome in der Brenzkirche geöffnet und rund 40 ehrenamtliche Sprachlehrer würden ab dieser Woche Sprachkurse für die geflüchteten Menschen anbieten. Fischer erinnerte daran, dass weltweit etwa 65 Millionen Menschen auf der Flucht sind und nur die wenigsten von ihnen in Deutschland ankommen. „Die Menschen fliehen wegen Krieg und Gewalt, vielleicht auch, weil die Böden in ihrer Heimat nichts mehr hergeben“, sagte Fischer. „Wir haben das Privileg, in Frieden, Freiheit und relativem Wohlstand leben zu können.“ Den Menschen in der benachbarten Flüchtlingsunterkunft stünden pro Person vier Quadratmeter zu, und das in Containern, die sich im Sommer aufheizen würden wie ein Backofen. „Wir müssen unsere Türen öffnen und unsere Herzen, uns verstehen lernen und miteinander leben lernen“, sagte Fischer. Die Veranstaltung in der Brenzkirche solle dazu dienen, mit den Mitgliedern des Freundeskreises in Kontakt und ins Gespräch zu kommen.

Auch der „Pianist in den Trümmern“ Aehem Ahmad trat in der Brenzkirche auf

Eingerahmt wurde der Informationsabend von kulturellen Programmpunkten. Außer der Ausstellungseröffnung gehörte dazu auch Live-Musik: Neben Keith Williams und der Singer-Songwriterin Maja Iris Merz trat, von Husan El Ali mit Geige und Gesang begleitet, auch noch der palästinensisch-syrische Pianist Aehem Ahmad auf. „Sein Klavier wurde verbrannt, aber zum Schweigen haben sie ihn nicht gebracht“, kündigte ihn Issam Karim an. Ahmad, auch „Pianist in den Trümmern“ genannt, lebte einst im Flüchtlingslager Jarmuk bei Damaskus. Dort gab er auf öffentlichen Plätzen und zwischen zerstörten Häusern Klavierkonzerte unter Freiem Himmel, bis sein Instrument von Terroristen zerstört wurde. Ahmed floh und lebt mittlerweile in Deutschland. Seine Frau und sein Kind warten in Syrien noch darauf, einreisen zu dürfen.

Ahmed begleitete am Klavier auch den Kurzfilm „Imars Weg zu uns“, der Aufnahmen Rami Giddehs von seiner Flucht zeigt. Giddeh lebt inzwischen mit seiner Familie in Stuttgart und war auch bei der Veranstaltung zu Gast. Er sei sehr dankbar, hier in Frieden und Sicherheit leben zu können, sagte Giddeh. Nun hoffe er, dass er bald arbeiten und sich selbst versorgen könne.

Diesen Wunsch hätten auch viele Bewohner der Flüchtlingsunterkunft an der Roten Wand, sagte Johannes Berger: „Sie wollen nicht untätig in der Unterkunft auf Kosten des deutschen Staates leben, sondern einen wirtschaftlichen Eigenbeitrag leisten.“ Die Teilhabe am Arbeitsleben sei auch ein wichtiger Baustein für die Integration, so Berger. Deshalb sei eines der nächsten Projekte des Freundeskreises, die Menschen in Arbeit zu vermitteln.