Stefan Clarenbach plant einen historischen Spaziergang über den Degerlocher Haigst. Und über diese Gegend gibt es durchaus einiges zu erzählen. Zum Beispiel wurde hier schon ein fast komplett erhaltenes Dinosaurierskelett gefunden.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Degerloch - Der Gressly war damals eine Riesensensation. 1847 hat der Stuttgarter Zigarrenfabrikant Gottlieb Albert Reiniger in Degerloch in einem Garten nahe der heutigen Leonorenstraße das fast vollständig erhaltene Skelett eines Plateosaurus gefunden, der Kopf fehlte allerdings. Das Urzeitwesen ist einst möglicherweise in einem Wasserloch ertrunken. Die Degerlocher Knochenfunde sind im Rosensteinmuseum zu sehen.

 

Der Degerlocher Dino-Fund auf dem Haigst darf freilich nicht fehlen, wenn die Geschichte dieser begehrten Wohnlage erzählt werden soll. Und eben dies plant Stefan Clarenbach, der selbst seit 1989 auf dem Haigst lebt. Er arbeitet an einem Buch mit Bildern aus Gegenwart und Historie. Herauskommen soll ein Rundgang mit zwölf Stationen, der entweder beim Lesen im Geiste oder natürlich auch zu Fuß zurückgelegt werden kann. Clarenbach hat im Stadtarchiv recherchiert, und um das Jetzt dem Damals bildlicher gegenüberzustellen, sucht er noch nach historischen Fotos.

Schülke ist nur eine Fußnote

Mit dem Projekt hat Clarenbach angefangen, nachdem ihm die Leute von der Geschichtswerkstatt Degerloch bestätigt hatten, dass es zur Historie des Haigst noch nichts Umfassendes gibt. Zumindest nicht auf Papier, wohl aber im Kopf. An der Meistersingerstraße sitzt an jenem Mittag Ulrich Schülke bei Stefan Clarenbach am Tisch, er ist so etwas wie das Gedächtnis des Haigst; er hat eine wissenschaftliche Arbeit über die Geschichte der Alten Weinsteige geschrieben, bei der Recherche hat sich auch allerlei Wissenswertes über die restliche Gegend angesammelt. Weil sich Schülke selbst nie aufraffen konnte, seine Haigst-Kenntnisse in Worte zu fassen, unterstützt er Clarenbach gern. „Aber ich bin hier nur eine Fußnote“, sagt er.

Die Geschichte des Haigst als Wohngebiet hängt eng mit der Geschichte der Zahnradbahn zusammen. Bevor die Zacke vom Stuttgarter Süden nach Degerloch hinauf tuckerte, wäre der Hang als Wohnlage zu mühsam zu erreichen gewesen. Die Alte Weinsteige war anno dazumal ein extrem steiler Karrenweg, für den es bis zum 16 Pferde als Vorspann brauchte. Am 23. August 1884 wurde die Zahnradbahn eröffnet, weil sie zunächst mit Dampf betrieben wurde, konnte sie zwischen unten und dem Aussichtsturm an der heutigen Nägelestraße nicht halten, sie wäre den Buckel nicht mehr weiter hochgekommen. Die Zwischenhaltestellen kamen mit der Elektrifizierung der Zahnradbahn im Jahre 1902.

Nachdem der Weg auf den Haigst kein schweißtreibender mehr war, begannen sich die Stuttgarter am Hang häuslich niederzulassen. Die Baumwiesen und Weinberge, durch die die Zacke nach oben schnaufte, wandelten sich in Wohngebiet. An der Kauzenhecke seien die ersten Eigentumswohnungen der Bundesrepublik entstanden, berichtet Clarenbach. Das Zentrum war die heutige Meistersingerstraße. „Sie war so etwas wie die Magistrale“, sagt Clarenbach. Sie hieß Charlottenstraße, erst nach der Eingemeindung Degerlochs 1908 nach Stuttgart wurden die Straßen umbenannt, um Verwechslungen mit den innerstädtischen zu vermeiden.

Weinberge und Aussichtspunkt

Clarenbachs Rundgang führt die Spaziergänger zum ehemaligen Ausflugslokal Werahöhe an der Ecke zur Neuen Weinsteige, zum Santiago-de-Chile-Platz, wo dem Aussichtsuchenden die Stadt zu Füßen liegt, dann geht es die Haigststaffel hinauf für einen Blick auf den Fundort des schwäbischen Lindwurms Gressy, durch die Weinberge entlang des Schimmelhüttenwegs, vorbei an Häusern, in denen bekannte Persönlichkeiten wie Karl Gerok oder Max Bense gewohnt haben, und wieder zurück zum Steigloch, einem ehemaligen See.

Clarenbach sagt, er betreibe keine historische Forschung. „Es soll ein unterhaltsames Buch werden.“ Circa 30 Seiten hat er bisher zusammen. Bis Mitte dieses Jahres möchte er fertig sein.