Die japanische Aufräumexpertin Marie Kondo schwärmt von der richtigen T-Shirt-Falttechnik. So gibt sie vielen das Gefühl gibt, ihr Leben im Griff zu haben.

Freizeit & Unterhaltung: Anja Wasserbäch (nja)

Stuttgart - Spätestens bei der aktuellen Staffel von „Orange is the New Black“, der Netflix-Erfolgsserie aus einem US-Frauengefängnis, weiß man, dass Marie Kondo im kollektiven Gedächtnis angekommen ist. In einer Szene sagt die Insassin Piper zur Knastkollegin Alex, sie solle ein Buch nur behalten, wenn es sie wirklich glücklich mache. Auf englisch sagt sie: „to spark joy“. Genau diese Redewendung – „to spark joy“ – ist eine der wichtigsten in Marie Kondos Wortschatz. Das Credo der Japaner: Man soll nur Dinge besitzen, die einen erfüllen. Und alles, was man besitzt, hat seinen festen Platz. So weit, so einfach – Marie Kondo, Anfang dreißig (das genaue Geburtsdatum ist unbekannt), hat daraus eine Lehre gemacht und füllt damit Bücher und Seminarräume rund um den Globus.

 

Kondo ist Ausmist-Königin und Göttin des Aufräumens. Ihre Bücher wurden in 26 Sprachen übersetzt und verkauften sich sieben Millionen Mal. In Amerika ging das Verb „to kondo“ bereits in den Sprachgebrauch über. Wer sein zuhause „kondot“, räumt nicht bloß die Socken vom Vortag oder das Frühstücksgeschirr weg. Wer nach Marie Kondo aufräumt, behält nur noch, was ihn tatsächlich glücklich macht.

Der Erfolg ihrer Ratgeber lässt darauf schließen, dass viele Menschen von den vielen Dingen in ihrem Leben überfordert sind. Das ist im Prinzip nichts Neues: „Simplify your life“, vereinfache dein Leben, hieß es schon vor vielen Jahren. Karen Kingston hat 1998 „Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags“ veröffentlicht. Dieser Ratgeber wurde allein in Deutschland 800 000 mal verkauft.

„Aufräumen ist das neue Wellness“

Man kommt nicht vorbei am neuen Minimalismus: „Aufräumen ist das neue Wellness“ titelte jüngst die Frauenzeitschrift „Brigitte“. Das Magazin „Flow“ erklärt „Wie schön es sein kann, weniger zu haben“. Praktischerweise hat die Autorin Lina Jachmann ebenfalls ein Buch zum Thema veröffentlicht: „Einfach leben. Der Guide für einen minimalistischen Lebensstil“. Es geht um Verzicht, und darum, dass Konsum nicht glücklich macht. Immer steht am Ende als Fazit: Unordnung im Schrank bedeutet Unordnung im Kopf. Menschen, die sich erst im kreativen Chaos, entfalten können, brauchen jetzt nicht mehr weiterlesen.

Marie Kondos Buch „Magic Cleaning“ – mit Putzen hat es nichts zu tun – verspricht im Untertitel „Wie richtiges Aufräumen ihr Leben verändert“. Ihre Methode nennt sich „Konmari“, was auch ihr Spitzname ist. Sie sei schon als Kind eine Aufräumfanatikerin gewesen, schreibt sie. Heute verdient sie damit sehr viel Geld. Wer sich als Marie-Kondo-Consultant ausbilden lassen will, zahlt mehrere Tausend Dollar für ein Seminar. Wer dann beweisen kann, dass er ein aufgeräumtes Zuhause hat und auch schon anderen dazu verholfen hat, darf sich Konmarie-Consultant aufs Visitenkärtchen drucken lassen.

Es ist ein Hype. Wer Konmari ins Internet eingibt, findet unzählige Blog-Artikel, Selbsterfahrungsberichte, Foreneinträge und Youtube-Videos, wie vor allem junge Frauen ihr Zuhause aufräumen. Es gibt Bilder davon, wie der Schrank vorher und nachher aussah. Wie leer der Kühlschrank ist, wie ordentlich die Medikamente verstaut sind, wie die Socken in Schubladen stehen, wie die Schlüpfer gefaltet sind, wie die Gewürze beschriftet wurden, wie leer die Bücherregale sind. Was man nicht sieht: Ob die Frauen wirklich glücklicher sind – mit sich und ihrem Leben. Aber irgendetwas muss daran sein, wenn man den vielen Postings glaubt.

Marie Kondo redet mit den Dingen

Es verwundert nicht, dass der Ausmistwahnsinn aus Japan kommt. Die Wohnungen in japanischen Großstädten sind sehr viel kleiner als im Westen. Man muss schauen, wie man seine Dinge geordnet und unter bekommt. Marie Kondo sagt, sie räume jeden Abend, ihre Tasche aus, ziehe ihre Kleidung aus und bedanke sich bei den Dingen, die sie durch den Tag gebracht haben. Ob man beim Ausmisten mit den Dingen reden muss, ist natürlich fraglich. Doch wer nach Kondos Methode ausmistet, also mit der Kleidung beginnt, um dann am Ende bei den persönlichen Dingen zu landen, merkt, wie viel er besitzt, ohne es zu gebrauchen. Wer weniger besitzen will, gibt weniger Geld aus. Das ist simpel – und am Ende ist man vielleicht deshalb glücklicher.

Marie Kondo ist Mutter einer kleinen Tochter. Es wird wahrscheinlich nicht lange dauern, bis ein neues Werk „Magic Cleaning mit Kind“ erscheinen wird. Bleibt nur die Frage: Wohin mit all den Büchern?

Die wichtigsten Regeln nach Marie Kondo

Zuerst geht es ums Entrümpeln. Der gesamte Besitz muss sortiert werden: Was macht einen glücklich? Was nicht? Der Besitz muss konsequent reduziert werden, damit aufgeräumt werden kann.

Man geht nicht nach Räumen, sondern nach Themengebieten vor. Das heißt, man sammelt alle Kleidung von unterschiedlichen Plätzen an einem Ort.

Die Reihenfolge des Ausmistens ist wichtig: Man fängt mit der Kleidung an. Danach kommen die Bücher, Papiere, Kleinkram, zum Schluss die Erinnerungsstücke. Die sind am schwierigsten.

Jeder Gegenstand soll einen festen Platz in der Wohnung erhalten.

Man soll, sagt Kondo, jedes Teil in die Hand nehmen. Sich überlegen, ob es einen erfüllt, sich bei dem Teil bedanken. Also gerne: „Lieber Jumpsuit, war nicht so schön mit dir. Danke, dass du mir gezeigt hast, dass du mir nicht stehst.“ Auch wenn etwas viel Geld gekostet hat, man es aber nicht trägt, gibt es keinen Grund, es zu behalten.

Für Kleidungsstücke hat Kondo eine spezielle Falttechnik entwickelt, mit der T-Shirts, Strumpfhosen und andere Teile stehen. Am besten angeblich in Schubladen, damit man den Überblick behält.

Kondo verspricht in „Magic Cleaning“, dass, wer einmal die Methode verstanden habe, nie wieder ausmisten müsse. Trotzdem gibt es auch einen zweiten Teil: „Magic Cleaning – Wie Wohnung und Seele aufgeräumt bleiben“