In Freiburg wird über den Antisemitismus des Pfarrers und Schriftstellers Heinrich Hansjakob diskutiert. Bisher war Hansjakob als Volksheld, Pazifist und genialer Chronist des bäuerlichen Lebens gefeiert worden.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Muss die Stadt Freiburg jedes Jahr 210 Euro Mitgliedsbeitrag für einen Verein zahlen, dessen Namensgeber nachweislich üble Sprüche gegen Juden abgelassen hat? Darüber wird gerade in Freiburg diskutiert, nachdem die Gemeinderatsfraktion der Grünen und die Fraktionsgemeinschaft der kleinen Gruppierungen Junges Freiburg/Die Partei/Grüne Alternative Freiburg (JPG) durch einen Prüfungsauftrag diese Frage klären lassen wollte. Am Donnerstagabend hat der Kulturausschuss des Gemeinderates darüber beraten, die Forderung nach dem Vereinsaustritt ist demnach nicht mehr aktuell.   „Der Vorsitzende der Heinrich-Hansjakob-Gesellschaft hat glaubhaft deutlich gemacht, dass sich der Verein kritisch und ausführlich mit allen Seiten ihres Namensgebers auseinandersetzt“, sagte der Kultur- und Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD) der StZ. „Dass sie das erst seit etwa zehn Jahren tun, ist kein Grund, sie jetzt zu bestrafen“, sagte von Kirchbach.

 

Der Historiker Thomas M. Bauer hatte vor dem Ausschuss eingeräumt, dass diese kritische Beschäftigung erst seit der Jahrtausendwende stattfindet. Jahrzehntelang wurde Hansjakob als Volksheld und Pazifist, als begnadeter Redner, Prediger und genialer Chronist des bäuerlichen Lebens gefeiert, während seine Schattenseiten verschwiegen wurden.

Bis zur Jahrtausendwende fehlten die kritischen Stimmen

  Auch auf der aktuellen Homepage der Hansjakob-Gesellschaft fehlen kritische Einschätzungen und nur über einen Link gelangt man auf das Buch von Manfred Hildenbrand, dem Leiter des Hansjakob-Museums in Haslach im Kinzigtal (Ortenaukreis), das den Schleier über der schillernde Figur im Jahr 2000 gelüftet hat. In dem Buch „Rebell im Priesterrock“ wird Heinrich Hansjakob (1837-1916) gefeiert und zugleich zerlegt. Das ist mutig, denn immerhin handelt es sich bei ihm um den bekanntesten Sohn der 7000 Einwohner zählenden Kleinstadt 50 Kilometer nordöstlich von Freiburg.

Der pensionierte Lehrer Hildenbrand versteht die Aufregung in Freiburg nicht. „Wir haben hier im Museum alles dokumentiert, die guten und die schlechten Seiten in aller Widersprüchlichkeit“, sagt der heute 80-Jährige. Mehr könne man nicht tun, das Hansjakob-Museum wurde unlängst mit der Hilfe einer Museumspädagogin von Grund auf neu gestaltet.

Hansjakob war eine widersprüchliche Persönlichkeit

Dass der Kinzigtäler Dichterfürst eine widersprüchliche Person war, ist unbestritten. Eigentlich steuerte er den Lehrerberuf an und tatsächlich wurde er Schulleiter und Lehrer an der Höheren Bürgerschule in Waldshut am Hochrhein. Zwei seiner Schriften, eine über die „Die Salpeterer“, die Rebellen vom Hotzenwald, und die Biografie des Freiburger Erzbischofs Hermann von Vicari nahm der badische Innenminister in der Zeit des „Kulturkampfes“ zum Anlass, den Schulleiter abzusetzen.

Nach einer kämpferischen Rede auf einer Versammlung der Katholischen Volkspartei in Engen im Mai 1869 wurde Hansjakob aus

Der Pfarrer und Autor Heinrich Hansjakob gilt als widersprüchliche Person. Foto: Belser-Verlag
dem Schuldienst entlassen und vom Hofgericht Konstanz zu vier Wochen Haft verurteilt.   Aus dem geschassten Lehrer wurde durch Protektion in der Freiburger Erzdiözese der Pfarrer. Auch in dieser Rolle blieb Hansjakob der Rebell, der seine Attacken gerne unter dem Schutz eines riesigen Hutes vortrug, den er selbst als „Heckerhut“ bezeichnete.

Als Bub hatte er erlebt, wie die preußischen Soldaten die badischen Aufständischen von 1849 niedergeschlagen und drangsaliert hatten. Zeitlebens sah sich Hansjakob als „Achtundvierziger“. Er war von 1871 bis 1881 Abgeordneter der Katholischen Volkspartei im badischen Landtag, er überwarf sich mit ihr, weil er die erzkatholischen Positionen ablehnte, polemisierte gegen die Unfehlbarkeit des Papstes und wetterte gegen „das römische Zuchthaus“.   Und ja, er wählte üble Formulierungen gegen Juden, orientierte sich dabei an seinem Vorbild Alban Stolz (1808-1833), dem katholischen Hassprediger, für den Juden „Ratten, Ungeziefer, Schlangen, Aas und Gassenhunde“ waren.

Wegbereiter des Antisemistismus

Hansjakob schrieb schon im Jahr 1901: Die Juden hätten gute Freunde bei den Sozialdemokraten und Kommunisten. Die Juden seien „im Kampf ums Dasein besser organisiert als wir Arier“. Und: „Wer in unseren Tagen nicht Antisemit ist, ist entweder ein Esel oder von den Juden abhängig.“ Ein Jahr darauf applaudierte er der „Ausrottung“ der Juden in Württemberg im 18. Jahrhundert: „All diese Verordnungen wären auch in unseren Tagen mehr denn je am Platz.“ 1903 schrieb er „Ich bin Antisemit in Bezug auf Geld-, Börsen-, Ring-, Trust und Wucherjuden“ und „schlecht zu sprechen auf Literaturjuden“. Es sei der antijudaistische Zeitgeist von damals gewesen, nehmen ihn seine Verteidiger in Schutz.

Manfred Hildenbrand benennt neben Alban Stolz weitere Judenhasser in Hansjakobs Freundeskreis, wie etwa den Theologieprofessor und späteren Bischof von Rottenburg, Paul Wilhelm von Keppeler. Andererseits habe Hansjakob die jüdische Religion und alttestamenarische Tradition bewundert. Zu beschönigen gebe es aber nichts, schreibt Manfred Hildenbrand. Mit seinen „sehr pointierten“ Äußerungen sei Hansjakob „mit zu einem Wegbereiter“ der antisemitischen Ideologie geworden, die später so viel Unheil angerichtet hat.  

Biografische Daten

Heinrich Hansjakob (1837-1916), der in Haslach im Kinzigtal geborene Sohn eines Bäckers und Gastwirts, wollte eigentlich gar nicht Pfarrer werden. Erst im Alter von 60 Jahren gestand er den Fehler ein, doch schon nach dem Abitur hatten ihn Zweifel beschlichen. „Ich ging viel lieber und weit mehr in die Bierhäuser als in die Kirche“ notierte der 22-jährige Theologie- und Philologiestudent der Universität Freiburg. Die zölibatäre Askese hat er der Theologe auch in seinem weiteren Leben nicht eingehalten, es sind mindestens drei außereheliche Kinder von Hansjakob verbürgt. Die schriftlichen Belege für weitere Verhältnisse hat sein letzter und ihm treu ergebener Privatsekretär Anton Trunz im Juni 1914 vernichtet.