Johannes Guggenberger liebt seinen Beruf: Er kocht im Knast. Diesen ungewöhnlichen Arbeitsplatz würde er auch für eine Restaurant an der Königstraße nicht aufgeben wollen. Denn im Knast kann er viel mehr erreichen – für die Menschen.

Stuttgart - Wer von Johannes Guggenberger bekocht wird, hat meistens etwas ausgefressen. Seit 18 Jahren arbeitet der gebürtige Österreicher hinter Gittern. Er ist gelernter Koch und ausgebildeter Vollzugsbeamter. Seit zwei Jahren sorgt er als Bereichsleiter für die Verpflegung der momentan etwa 500 Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stammheim – und könnte sich keinen besseren Job vorstellen. Nicht trotz, sondern vor allem wegen seiner speziellen Gäste und Mitarbeiter. „Ich komme jeden Tag mit großer Freude hierher“, sagt der 49-Jährige.

 

Dabei ist der Weg zu seinem Arbeitsplatz ein beschwerlicher. Ohne seinen beeindruckenden Schlüsselbund würde Johannes Guggenberger nicht weit kommen. Tür auf, Tür zu; Tür auf, Tür zu. Irgendwann hört man auf zu zählen, wie oft sich die schweren Türen schließen. Es geht immer tiefer ins Innenleben der JVA, dann beginnt der Küchenbereich. Auf den ersten Blick unterscheidet sich dieser von keiner anderen Großküche. Kühlräume, Kochbereich, Spülküche. Erst die Details verraten, wo man sich befindet. Die Fenster sind vergittert, mitten in der Küche steht ein Glaskasten – das Büro, von dem aus Guggenberger und sein Team alles im Blick haben. Und das ist auch notwendig. Denn von zwei weiteren Vollzugsbeamten abgesehen, sind alle seine Mitarbeiter Inhaftierte. Sie helfen beim Kochen, schöpfen das Essen oder stehen in der Spülküche.

Klassiker von Spaghetti Bolognese bis Linseneintopf

Jeden Tag werden in der Küche mindestens drei verschiedene warme Gerichte sowie zwei kalte Mahlzeiten zubereitet. „Unsere Klientel hat sich draußen oft nur von Fast Food ernährt und kann erst mal mit dem Essen nichts anfangen. Aber das legt sich schnell. Viele freuen sich dann, wenn es mal Obst als Nachtisch gibt“, sagt Guggenberger, der mit seinen Kollegen den Speiseplan erstellt. Es ist genau festgelegt, wie viel die Gefangenen pro Woche zu sich nehmen sollen. Schließlich bewegen sich die Insassen nicht besonders viel – zu fett sollte das Essen also nicht sein. Dauerbrenner sind natürlich Klassiker wie Spaghetti Bolognese, aber auch Linseneintopf oder Apfelstrudel.

Unterscheidet sich die Arbeit von Guggenberger bis dahin kaum von der Arbeit in anderen Großküchen, so gehören zu seinem Alltag in der JVA auch Aufgaben, die Köche normalerweise nicht haben. „Sicherheit und Ordnung sind die Grundlage für das ganze Arbeiten. Deswegen bin ich froh über meine Ausbildung zum Vollzugsbeamten“, sagt er. Immerhin werden in der Küche auch Messer eingesetzt – die übrigens täglich penibel nachgezählt werden.

Für Guggenberger ist der Abstand zu den Mitarbeitern wichtig

Wichtig ist Johannes Guggenberger, auf seine Mitarbeiter einzugehen. Die Schicksale der Inhaftierten bewegen ihn – allerdings hat er auch gelernt, Abstand zu wahren. „Anders geht es nicht. Sobald der Respekt verloren geht, wird es für beide Seiten schwierig.“ Guggenberger versucht, seinen Schützlingen etwas mitzugeben. Wer etwas leistet, wird gelobt. Denn Guggenberger vergisst nie, dass sich alle in einer Ausnahmesituation befinden. „Sie sind in Untersuchungshaft. Sie haben Ärger mit der Familie, die Kosten für das Verfahren vor Augen. Es sind harte Jungs, trotzdem gibt es Tränen.“

Und dann gibt es diejenigen, denen es unheimlich viel Spaß macht, in der JVA-Küche zu arbeiten und die sich für den Beruf interessieren: „Wenn ich das merke, dann versuche ich, ein bisschen was zu zeigen: wie man eine Soße macht oder Gemüse verarbeitet. Zwei Inhaftierten konnte ich auch schon zu einer Ausbildung zum Koch in einer anderen Justizvollzugsanstalt verhelfen. So etwas macht mich sehr zufrieden.“ Deswegen hat Johannes Guggenberger auch nichts dagegen, lebenslänglich – oder zumindest bis zum Ruhestand – in der JVA zu bleiben. „Selbst wenn man mir ein Restaurant auf der Königstraße anbieten würde, würde ich nicht wechseln wollen.“ Vor allem die Arbeitszeiten möchte er nicht mehr: „Ich bin in der Gastronomie aufgewachsen und kenne die Schattenseiten zur Genüge.“