FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke will sich nicht zufrieden geben mit dem Gutachterurteil, wonach die AfD zwei Fraktionen bilden darf.

Stuttgart - Damit die „Zellteilung“ der AfD-Fraktion nicht Schule macht, schlägt FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke dem Landtag die Änderung der Geschäftsordnung vor.

 
Herr Rülke, die Parlamentspräsidentin hat der AfD eingeräumt, mit zwei Fraktionen im Landtag vertreten zu sein. Dies widerspricht dem politischen Willen aller anderen Parteien. Lassen Sie sich am Nasenring durch die Manege ziehen?
In gewisser Weise schon. Die AfD kann den Landtag vorführen, weil man ihr zugestehen muss, mehrere Fraktionen zu bilden. Die beauftragten Gutachter sind in dieser Frage eindeutig. Deshalb wäre es der Öffentlichkeit nur schwer vermittelbar gewesen, wenn die Landtagspräsidentin zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Mich überzeugt aber dieses Gutachten nicht. Deshalb will ich eine Klärung der rechtlichen Fragen vor dem Staatsgerichtshof. Außerdem sollten wir möglichst bald die Geschäftsordnung des Landtags ändern, dass so etwas künftig nicht mehr geht.
Warum halten Sie das Gutachten für nicht hinreichend begründet?
Es gibt Argumente, eine Fraktionsneugründung zuzulassen. Es gibt aber auch gute Argumente dagegen, denn dies lädt zum Missbrauch ein. Vor allem stört mich, dass die AfD nun die Möglichkeit hat, mit zwei Fraktionen einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Im Extremfall könnte die AfD zehn Ausschüsse einsetzen und damit die parlamentarische Arbeit lahmlegen. Solche Befürchtungen haben die Professoren in der Präsidiumssitzung mit zum Teil läppischen Argumenten vom Tisch gewischt.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Es wurde gesagt, es sei ja nicht so schlimm, wenn Untersuchungsausschüsse eingesetzt würden. Das ist eine fahrlässige und inkompetente Aussage. Ich kritisiere an diesem Gutachten, dass die Argumente im Sinn der AfD stark gewichtet wurden. Die Gegenargumente wurden unter den Teppich gekehrt.
Hat man die falschen Gutachter gewählt?
Wir wollten uns nicht dem Vorwurf aussetzen, dass sich die Parlamentsmehrheit die ihr genehmen Professoren aussucht. So hat es die grün-rote Landesregierung beim EnBW-Deal immer gemacht. Wir wollten unabhängige Gutachter. Dass sie zu einem Ergebnis kommen, das uns nicht gefällt, müssen wir hinnehmen. Da ich aber davon nicht überzeugt bin, sollten wir das vom Staatsgerichtshof prüfen lassen.
Was passiert, wenn die beiden AfD-Fraktionen wieder zusammengehen? Beginnt dann alles von vorne?
Man kann nicht während eines Spiels die Spielregeln ändern. Wir können aber der Fraktionsvermehrung für die Zukunft einen Riegel vorschieben, indem wir die Geschäftsordnung ändern. Es kann ja durchaus sein, dass die AfD-Fraktionen sich wieder vereinigen, sich dann aber irgendwann erneut trennen. Das hätte jedes Mal zur Folge, dass die Landtagsausschüsse umzubesetzen sind.
Wenn Abgeordnete einer Fraktion keinen Antisemitismus bei sich dulden und austreten, müssten Sie dafür doch Verständnis haben. Welche Möglichkeiten hätte AfD-Chef Jörg Meuthen denn gehabt?
Warum will Meuthen dann jetzt wieder zurück? Erst sagt er, eine Wiedervereinigung käme für ihn nicht in Frage, dann will er sie doch. Der eigentliche Grund für die Spaltung sind doch die Hahnenkämpfe an der AfD-Spitze.
Profitiert die AfD politisch von den Terroranschläge und Gewalttaten?
Ich glaube nicht, dass man der AfD bei diesen Fragen eine besondere Problemlösungskompetenz zumisst. Sie entwickelt sich zu einer reinen Protestpartei. Wem etwas in unserer Gesellschaft nicht passt, wählt AfD, um den Eliten den Hinweis zu geben: Wir sind unzufrieden.
Gibt die Regierungskoalition die richtigen Antworten auf die Terrorgefahr?
Das jetzt vorgestellte Sicherheitsprogramm geht in die richtige Richtung. Ich hätte mir aber gewünscht, dass Innenminister Thomas Strobl nicht ständig über Bundeswehreinsätze im Innern redet. Wir sind nicht in einer Situation, die das nahe legt. Wir haben momentan ja auch keine große Terrorlage, sondern sehen uns Einzeltätern gegenüber, die sich weiche Ziele suchen. Da muss man Lösungen finden und sollte nicht auf Nebenkriegsschauplätze ausweichen.
Was empfehlen Sie?
Es ist notwendig, die Polizeipräsenz zu erhöhen. Wir brauchen genügend Beamte. Außerdem brauchen wir die Möglichkeiten zu nachrichtendienstlichen Ermittlungen. Dafür müssen wir den Verfassungsschutz stärken. Es gibt aber keine Patentrezepte.
Sicherheit ist das eine, Bürgerfreiheit das andere. Ist es für Sie in Ordnung, wenn Grün-Schwarz dem Verfassungsschutz das Recht einräumen will, Telekommunikationsdaten zu sammeln?
Wir müssen das Verhältnis von Freiheit zur Sicherheit in der aktuellen Situation neu austarieren. Ich war in der Vergangenheit ein grundsätzlicher Gegner der Vorratsdatenspeicherung. Jetzt bin ich bereit zu sagen: Wir sind in einer Situation, in der man das überdenken muss. Das heißt nicht, dass ich jede Form der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung haben möchte. Aber ich bin bereit, der Polizei und dem Verfassungsschutz mehr Möglichkeiten zuzugestehen, als das in der Vergangenheit der Fall war.
Im Land leben tausende Flüchtlinge, deren Identität niemand geprüft hat. Ist das nicht sträflich?
Das ist richtig. Leider hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht die notwendigen Kapazitäten. Ich bin nicht für einen Generalverdacht. Aber es ist klar, dass unter denen, die gekommen sind, auch einige mit bösen Absichten sind. Im Nachhinein ist es aber sehr schwierig, sie so zu erfassen, wie man das eigentlich müsste. Das Grundproblem ist, dass Bundeskanzlerin Merkel im September 2015 eine falsche Entscheidung getroffen und in der Folge eine falsche Politik gemacht hat.