Der Main-Tauber-Kreis ist der zweitälteste Kreis im Land, weil die jungen Leute abwandern. Der Kreis will gegensteuern und kooperiert dazu mit den bayrischen Nachbarn.

Stuttgart - Baden-Baden hat den demografischen Wandel schon hinter sich. Schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts leben überdurchschnittliche viele Senioren in dem Stadtkreis, weil die Gegend bei wohlhabenden Menschen aus dem Ruhrpott und Nordlichtern als Altersruhesitz überaus beliebt ist: des milden Klimas, der schönen Landschaft und des Kulturangebots wegen. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes ist der Stadtkreis Baden-Baden traditionell derjenige mit der ältesten Bevölkerung in Baden-Württemberg. Auf Platz zwei ist mittlerweile der Main-Tauber-Kreis. Dort ist aber nicht der Sonnenschein dafür verantwortlich, sondern die Abwanderung junger Menschen.

 

Dem will sich der Kreis nun entgegenstellen, und dafür kooperiert er auch mit dem bayrischen Nachbarn. Die Kreise Main-Tauber und der bayerischen Kreis Würzburg haben sich jüngst schon zu Gesprächen getroffen, Vertreter von Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Bildungseinrichtungen wollen Ideen entwickeln, wie junge Leute an den Standort gebunden werden können. Gerade in kleineren Kommunen haben die Unternehmen Mühe, Fachkräfte oder Auszubildende zu finden. Die Wirtschaftsförderung des Kreises hat deshalb auch die Werbekampagne „Karriere daheim“ aufgelegt, in der die Vorzüge der hiesigen Unternehmen, die Infrastruktur und der hohe Freizeitwert der Gegend gepriesen werden.

Umzingelt von Frankfurt, Mannheim, Nürnberg

Der ländlich geprägte Main-Tauber-Kreis steckt buchstäblich in der Klemme. Die Gegend um Tauberbischofsheim ist umzingelt von den Metropolregionen Stuttgart, Rhein-Main mit Frankfurt, Rhein-Neckar mit Mannheim und Ludwigshafen und Nürnberg. Sie alle sind eine, anderthalb Autostunden entfernt – und „saugen uns das Blut aus den Adern“, sagt der Landrat Reinhard Frank (CDU). Denn die jungen Leute ziehen aus dem gut 130 000 Einwohner zählenden Tauberfranken in die größeren Städte und kommen nicht wieder zurück.

Noch vor elf Jahren waren die Menschen im Main-Tauber-Kreis im Schnitt 39,4 Jahre alt und damit fast genauso alt wie der Durchschnittsmensch im Land (39,3). Bis 2014 ist die Main-Tauber-Bevölkerung im Durchschnittswert um 5,5 Jahre älter geworden und liegt nun bei 44,9. Landesweit hat sich das Durchschnittsalter um vier Jahre auf 43,3 erhöht.

Die Städte werden jünger

Die Zugkraft der Städte schlägt sich auch in der Statistik nieder. 1995 zählten die Stadtkreise Karlsruhe, Stuttgart, Mannheim und Pforzheim hinter Baden-Baden zu den ältesten im Land. Heute gehören Stuttgart, Karlsruhe und Mannheim zur Top Ten der jüngsten Kreise; Pforzheim landet unter den 44 Kreisen auf Platz 18 und damit im vorderen Mittelfeld. Den Spitzenplatz teilen sich die Universitäts-Stadtkreise Freiburg und Heidelberg mit einem Durchschnittsalter von 40,3 Jahren.

Für die Verjüngungskur setzt der Main-Tauber-Kreis also auf die Kooperation. Die Regionaltreffen mit dem bayrischen Nachbarkreis sollen zur festen Einrichtung werden. Zusätzlich will der Main-Tauber-Kreis versuchen, Pendler dazu zu bewegen, sich zwischen Freudenberg und Creglingen anzusiedeln. Jeden Tag fahren 15 000 Männer und Frauen in den Main-Tauber-Kreis zur Arbeit. Mehr als jeder Zehnte davon hat einer Pendlerbefragung teilgenommen, die unlängst vorgestellt wurde – und die zeigte, dass etwa jeder Dritte tatsächlich schon mal mit einem Umzug in eine der 18 Kreisgemeinden geliebäugelt hat.

Günstiger Wohnraum als Lockmittel

Die will man locken. „Bei uns ist der Euro noch 1,30 wert“, sagt der Landrat gerne. Tatsächlich kann man in Tauberbischofsheim zum Beispiel ein neues Einfamilienhaus mit einem 600 Quadratmeter großen Grundstück für 300 000 Euro kaufen. In Stuttgart gibt es dafür gerade mal eine kleine Zweizimmerwohnung.

Die älter werdende Gesellschaft stellt den Kreis noch vor andere Anforderungen. Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen wird nach Berechnungen des Statistischen Landesamtes in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2030 um mehr als ein Drittel steigen. Das hieße, dass die Zahl der Pflegebedürftigen in den kommenden 17 Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung um 103 000 auf dann 403 000 Menschen steigt. Bis zur Mitte des Jahrtausends wird sich dieser Modellrechnung nach die Zahl derjenigen, die auf Pflege angewiesen sind, fast verdoppeln.

Dafür ist der Main-Tauber-Kreis bereits gewappnet. Zurzeit gibt es in den 18 Gemeinden 24 Pflegeheime mit 1488 Plätzen, fünf weitere Heime mit 200 Plätzen seien geplant oder würden schon gebaut, sagt die Sozialdezernentin Elisabeth Krug. Legt man den Landeseckwert zugrunde, ist damit der Bedarf mehr als erfüllt. Demnach werden im Main-Tauber-Kreis im Jahr 2020 höchstens 1260 Heimplätze benötigt.