Am Samstag steht er in München in der Mozart-Oper „Zaide“ des Vereins „Zuflucht Kultur“ auf der Bühne. Der gefeierte Künstler steht aber auch auf der Liste der abgelehnten Asylbewerber, die schon im Dezember nach Afghanistan abgeschoben werden sollten. Aber ein Funken Hoffnung gibt es noch.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

München - Die politische Großwetterlage ist überhaupt nicht gut, wenn man wie Ahmad Shakib Pouya aus Afghanistan kommt und auf der Abschiebeliste des bayerischen Innenministeriums steht. Auch die Mehrheit der Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung will die verschärfte Abschiebepraxis nun unter bestimmten Bedingungen mittragen. Da hilft es offenbar nur begrenzt, wenn auch noch so viele Menschen versuchen, die dunklen Wolken wegzublasen, die das Schicksal des afghanischen Künstlers beschatten, und sich gegen seine Abschiebung einsetzen.

 

Die Angst in der Politik, mit einem Einlenken einen Präzedenzfall zu schaffen, sei groß, ist zu hören. In Bayern gebe es 1100 abgelehnte afghanische Asylbewerber, hat der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) dem Fernsehsender Arte zum Fall Pouya gesagt. Den speziellen Fall kommentierte er jedoch nicht.

Pouya hat einen Arbeitsvertrag bei der IG-Metall

Und so läuft der Countdown für Pouya unaufhaltsam auf den Sonntag zu. Es ist der Tag, an dem der 33-Jährige freiwillig, wenn man dies denn so nennen kann, in ein Flugzeug nach Kabul steigen will, um seiner Abschiebung zuvorzukommen. So will er sich die Chance offen halten, zu seiner Frau und den Kindern nach Deutschland zurückkehren zu können. Der gelernte Zahnarzt lebt seit 2010 in Deutschland, ist deutscher als mancher Deutsche. Er arbeitet als Dolmetscher und Berater in der Flüchtlingsarbeit der IG Metall Frankfurt. Längst könnte er Steuern zahlen, sein Arbeitsvertrag dort ruht. Pouya gilt als Vorzeige-Integrierter.

Die Menschen, die sich für ihn einsetzen, wollen die gefährliche Reise nach Afghanistan verhindern. „Es geht um Leben und Tod“, sagt Cornelia Lanz vom Verein Zuflucht Kultur. In deren Opernproduktion „Zaide“ steht Pouya am Samstag noch einmal in der Alten Kongresshalle in München auf der Bühne. Albert Ginthör, Geiger im Orchester des Theaters am Gärtnerplatz, der die Inszenierung nach München geholt hat, denkt darüber nach, mit Pouya auszureisen – als Zeichen der Solidarität von Musiker zu Musiker.

Und so kommt Pouyas Abschiedslied für seine geliebte Zaide aus tiefster Seele. Der afghanische Musiker spielt die Rolle des Gomatz. Er sitzt am Harmonium und singt. Mit diesem Klagegesang endet die Inszenierung. Im Publikum saß am Mittwochabend bei der Premiere auch der CSU-Landtagsabgeordnete Thomas Goppel. Er war auch schon einmal Wissenschaftsminister in Bayern, dem Bundesland, das Pouya schon im Dezember mit den ersten 50 abgelehnten Asylbewerbern nach Afghanistan abschieben wollte. Das Projekt, die Musik und auch die Person Pouyas haben den Präsidenten des bayerischen Musikrats an diesem schneereichen Winterabend nach München in die Alte Kongresshalle kommen lassen.

Seine kritischen Lieder sind in Afghanistan für ihn lebensgefährlich

Denn die Grenze zwischen Kunst, Wirklichkeit und Politik ist bei der jüngsten Produktion des Vereins Zuflucht Kultur um die Stuttgarter Mezzosopranistin Cornelia Lanz mehr als fließend. Erzählt wird die Geschichte von Menschen, die in einem Land leben, das ein böser Drache mit seiner Gewalt überzieht, über das Mittelmeer fliehen die Menschen vor Krieg, Hunger und Zerstörung nach Europa, nach Deutschland. Erwünscht sind sie dort nicht. Ein Ensemble aus Profimusikern und -sängern und einem Flüchtlingschor steht in der Fragment gebliebenen Mozart-Oper „Zaide“ gemeinsam auf der Bühne.

Beim Schlussapplaus am Premierenabend kämpft Pouya sichtlich mit den Tränen. Blass ist er. In den letzten Tagen hat er so viele Interviews geben, dass er sie schon nicht mehr zählen kann. Fernsehen, Radio. Zeitungen. Das Reden betäubt die aufsteigende Angst ein bisschen. Pouya kämpft buchstäblich um sein Leben. Seine Waffe ist das Wort und der Gesang.

Aber genau das könnte ihm in Afghanistan zum Verhängnis werden. Sein Heimatland, das er 2008 verlassen hat, weil die Taliban ihn bedrohten, ist für ihn kein sicherer Ort. Mit seinen Liedern, die im Internet zu hören sind, hat er sich politisch exponiert. Die Deutsche Bühnenvereinigung appellierte am Freitag an Barbara Stamm, die Präsidentin des bayerischen Landtags, und an Innenminister Herrmann. „Gerade abendländisch orientierten Musikern droht in Afghanistan Verfolgung und Tod“, heißt es in dem Schreiben. „Ich weiß nicht, was mit mir passiert, wenn ich den Flughafen in Kabul verlasse. Ich kann mein Gesicht ja nicht verbergen. Die Taliban wissen, wie ich aussehe“, erzählte Pouya nach der Vorstellung Thomas Goppel, dem Gast aus der Politik. Der hörte konzentriert zu und stellte Nachfragen, um sich ein Bild von Pouya und seiner Lage zu machen. Zum ersten Mal dringt die Geschichte Pouyas durch zu einem, der in Bayern nicht ohne Einfluss ist. Am Freitagabend wollte nun auch die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) in die „Zaide“-Aufführung kommen. An öffentlicher Aufmerksamkeit fehlt es also nicht

Thomas Goppel (CSU) hat sich mit Pouya getroffen

So weit war Pouya allerdings kurz vor Weihnachten schon einmal. Damals bekam er den Aufschub für seinen Ausreisetermin. Innerhalb von zwei Tagen hatten 23 000 Menschen eine Online-Petition an den bayerischen Innenminister unterzeichnet. Auch der Musikliebhaber und -förderer Goppel wurde auf ihn aufmerksam. Der Aufschub der Abreise ist auf seine Fürsprache beim Regierungspräsidenten Oberschwabens, Karl Michael Scheufele, zurückzuführen. Nun richten sich Pouyas Hoffnungen und die seiner Unterstützer darauf, dass Bayerns Härtefallkommission seinen Fall doch noch mit gutem Ausgang prüft. Wie zu hören ist, wollten sich am Freitag beim Neujahrsempfang Horst Seehofers die maßgeblichen Personen besprechen. Viele werten das als gutes Zeichen. Die Oper „Zaide“ endet mit dem Satz: „Der Ausgang der Geschichte ist ungewiss.“