David McKenzie erzählt in seinem Neo-Western „Hell Or High Water“ von zwei Bankräubern und einem Texas zwischen Digitalisierung und Globalisierung.

Stuttgart - Zwei Brüder in West-Texas gehen auf Raubzug: Eher hemdsärmlig erleichtern sie kleine Bankfilialen um jeweils ein paar tausend Dollar, waschen das Geld in Casinos im benachbarten Oklahoma, und das Risiko scheint in keinem Verhältnis zu stehen zum Ertrag. Dieser Eindruck freilich täuscht, wie der schottische Regisseur David McKenzie („Perfect Sense“) in seiner bislang größten US-Produktion unaufdringlich und sehr klar nach und nach dämmern lässt. Dabei stützt er sich auf ein starkes Drehbuch von Taylor Sheridan ( „Sicario“), der den Menschen in der Ödnis, die einst als „Prairie“ zur landschaftlichen Legende wurde, einen perfekt sitzenden texanischen Tonfall und eine entsprechende Mentalität verpasst.

 

Dafür ganz typisch ist, wenn etwa ein Ranger und ein Bürger sich geradezu darum reißen, einen Gewalttäter erschießen zu dürfen. Bewaffnet sind ohnehin alle, und Bankräuber leben gefährlich, weil die Colts locker sitzen und Selbstjustiz in diesem Texas als eine Art Kavaliersdelikt zu gelten scheint. Zugleich hat die Zukunft keinen Platz in diesem weiten Land, das McKenzie in Neo-Western-Manier auf der Leinwand ausbreitet: Das große Panorama ist noch da – ins Auge stechen im Vorüberziehen aber stillstehende Ölfördertürme, geschlossene Läden und Tankstellen, zum Verkauf stehende Ranches, rostiges Eisen und verwittertes Holz.

Geschichten von Verlierern

Die Verlierer der Globalisierung und der Digitalisierung verteidigen hier mit Zähnen und Klauen einen traditionellen Lebensstil, der kaum noch taugt, um die Probleme der Gegenwart zu bewältigen. Sie sind gefangen im Gestern und wollen es bleiben, egal, wie groß die Widerstände werden – „come hell or high water“, wie eine amerikanische Redensart sagt. Wer wissen möchte, was für Menschen Donald Trump gewählt haben: In diesem Film versammeln sich geballt fiktive Pendants unterschiedlichster Ausprägung.

Ben Foster („3:10 to Yuma“) dosiert sehr behutsam die psychopathischen Reflexe im hoffnungslos kriminellen Tanner, Chris Pine (Captain Kirk in der neuen „Star Trek“-Reihe) Zweifel und Abscheu in dessen nachdenklichem Bruder Toby, der völlig deplatziert wirkt mit Maske und Pistole. Jeff Bridges („True Grit“) brilliert als Texas Ranger kurz vor dem Ruhestand, der seine pappenheimer kennt: Ein latent rassistisches Fossil mit einem großartigen Riecher für die Profile und die Strategien von Tätern wie Tanner.

Die Indianer sind zurück

Und immer wieder, als hätten sie sich verirrt, tauchen verlorene Nachfahren der Comanche-Indianer auf, die lange die Herren der texanischen Prairie waren, ehe die Weißen sie ihnen raubten. Nicht minder aus der Zeit gefallen wirken eine Rinderherde und Cowboys, die ganz offen am Sinn ihres Tuns zweifeln. Nicht nur, weil es nun an den Weißen ist, das Land wieder zu verlieren – an genau jene die Banken, die die beiden Räuber im Film bestehlen. Stark politisch und historisch durchwirkt sind Sheridans Drehbuch, McKenzies Film, ohne dass dieser Aspekt zu sehr in den Vordergrund drängen würde.

Wie beiläufig prüfen sie US-amerikanische Mythen auf ihre Gültigkeit, entlarven die Leerformeln, zu denen sie vielfach geworden sind, und betrauern zurecht manches, das in der Smartphone-Realität verlorengeht – zum Beispiel das menschliche Bauchgefühl, auf das mancher erfahrene Polizist sich früher verlassen hat.