Auch der SWR hat jetzt sein Inforadio. Überzeugen kann SWR Info leider nicht. Das Programm unterschätzt seine Hörer.

Stuttgart - Finanztransaktionssteuer. Das ist sicherlich nicht das einfachste Wort, das man sich denken kann. Es dürfte aber intellektuell zu bewältigen sein. Die Moderatoren von SWR Info sahen das in der zurückliegenden Woche offenbar anders. Von morgens bis abends klagten sie im Viertelstundentakt über das „Mon-ster-wort“. Und erst das Konzept, das dahinterstehe: „un-glaub-lich kompliziert“. Damit sind wir schon mittendrin in einem der beiden Irrtümer, denen der SWR mit seinem neuen Inforadio erlegen ist.

 

Seit vergangenem Montag ist SWR Info nun auf Sendung. Die neue Welle orientiert sich an ähnlichen Programmen aus anderen ARD-Sendern, zum Beispiel HR Info, B 5 aktuell und MDR Info. Man versteht sich als Nachrichtenradio. „Unsere Hörer schalten sich zwanzig Minuten zu und kehren dann zum Programm mit ihrer Lieblingsmusik zurück“, vermutet Arthur Landwehr, der Chefredakteur des SWR-Hörfunks und Wellenchef von SWR Info. Nach zwanzig Minuten dürften die meisten Hörer aber auch schon genug haben, denn das Sendeschema sieht alle fünfzehn Minuten vier- bis achtminütige Nachrichten vor, dann Verkehrsmeldungen, dann das Wetter. Der Rest der Zeit bis zur nächsten Viertelstunde wird tagsüber mit ergänzenden Wortbeiträgen aufgefüllt. Im Programmschema nennt sich das „Reportagen, Hintergründe, Interviews“ und dauert zwischen fünf und sieben Minuten. Ein Teil davon wird noch für Teaser abgezwackt, das sind Ankündigungen von Beiträgen, die erst nach dem nächsten Nachrichtenblock kommen. Vertiefung sieht anders aus.

SWR Info löst das bisherige Wortprogramm SWR contra ab, das als weitesten Hörerkreis immerhin 200 000 Menschen in Baden-Württemberg erreicht hatte. SWR contra kombinierte aktuelle Berichterstattung mit ausführlichen Hintergrundbeiträgen, die vom Kulturprogramm SWR 2 und von SWR 1 übernommen worden waren. Damit ist Schluss. „Um beide Konzepte, Wortradio und Inforadio, zu verwirklichen, reicht das Geld nicht. Wir haben aber einen Bedarf an einem Nachrichtenprogramm mit regionaler Färbung für den Südwesten festgestellt“, sagt Landwehr. Im Blick hat er dabei die Mutter der deutschen Inforadios, BR 5 aktuell aus München. Es wurde vor mehr als zwanzig Jahren erstmals ausgestrahlt und erreicht einen beachtlichen Marktanteil von sechs Prozent. „Wir nehmen für uns in Anspruch, jünger und moderner rüberzukommen“, betont der Chefredakteur, „frisch, aber nicht lässig.“

Im Tonfall lockerer Plauderei

Deshalb findet er es gut, wenn Moderator und Korrespondent miteinander ulken oder wenn die Moderatoren offenbar ohne Lerneffekt von morgens bis abends am „Monsterwort Finanztransaktionssteuer“ verzweifeln. Auf SWR Info macht sich der Tonfall scheinbar lockerer Plauderei breit, der den Hörern in allen anderen Programmen außer SWR 2 begegnet. Diese Anbiederung ist symptomatisch für die zwei großen Irrtümer des neuen Infoprogramms.

Der erste Irrtum: der SWR unterschätzt ganz offensichtlich seine Hörer. Menschen, die als Hörer für eine Infowelle infrage kommen, sollten am vergangenen Dienstag eigentlich nicht zum ersten Mal dem Wort „Finanztransaktionssteuer“ begegnet sein. Die Idee zu dieser Steuer ist weder neu noch allzu schwer zu verstehen. Das haben die SWR-Info-Redakteure im Grunde auch bemerkt, denn ihnen gelang es, die Steuer in den jeweiligen Nachrichtenblöcken in einem Halbsatz zu erklären.

Woran es mangelt: die Einordnung der Nachrichten

Die Sache mit der Finanztransaktionssteuer ist kein Einzelfall. Unablässig wurde dem Hörer in der zurückliegenden Woche auf SWR Info suggeriert, dass Politik und Wirtschaft schrecklich kompliziert und im Grunde nervig seien. Es wurde gestöhnt, was das Zeug hält, mal, dass kaum jemand die Eurokrise verstehe, mal, dass die in Berlin sich furchtbar streiten, mal dass man Hähnchen wegen der Antibiotika nicht mehr essen könne. Die Litanei erinnerte eher an Leserdiskussionen in Internetforen von Nachrichtenportalen als an ernsthaften Journalismus. Eine solche Haltung führt die Idee eines Inforadios jedoch ad absurdum. Es sollte gerade dabei helfen, aktuelle Ereignisse besser einordnen zu können. Medienwissenschaftliche Untersuchungen zeigen übrigens, dass sich auch jüngere Hörer von seriösen Nachrichten keinen kumpelhaften Ton erwarten, sondern Verständlichkeit und Erklärung der Zusammenhänge.

Das führt zum zweiten Irrtum. Der SWR ist offensichtlich der Überzeugung, den Bürgern fehle es an Nachrichten. Dabei gibt es Nachrichten wie Sand am Meer. Man kann sie sich aus dem Internet immer und überall auf jedes Smartphone holen: die jüngste Volte im Streit um den Bundespräsidenten, die letzte alarmistische Meinungsäußerung zur Eurokrise, der neueste Fußballer-Vereinstransfer. Und selbst wenn man kurzzeitig vom Internet abgeschnitten ist, ist die Lage selten so dramatisch, dass man nicht bis zur nächsten halben Stunde auf die regulären Nachrichten warten könnte. In der angelsächsischen Kommunikationswissenschaft gibt es den klugen Spruch: „We are overnewsed but underinformed“, was sich frei übersetzen ließe mit: „Wir haben zu viele Nachrichten, aber zu wenige Erklärungen“. SWR-Info hechelt von sechs Uhr bis 20 Uhr der Aktualität hinterher. Wer wirkliche Vertiefung sucht, muss es am späteren Abend oder am Wochenende einschalten.

Zum Glück für die verbliebenen anspruchsvollen Hörer im Südwesten leistet sich der SWR mit seinem zweiten Programm einen der besten Kultursender der Republik. Dort nimmt man sich morgens eine halbe Stunde Zeit, um über scheinbar abseitige Themen wie die „Wissenschaft vom Suizid“ oder den russischen Universalgelehrten Michael Lomonossov zu sprechen. Und abends gönnt man sich gar ein einstündiges Feature, um über demokratische Partizipation zu informieren. Man kann nur hoffen, dass dieses letzte Refugium wort- und mitdenkorientierten Radios nicht auch noch verhackstückt wird.