Das Familienunternehmen aus Tettnang am Bodensee investiert in Nachhaltigkeit und will dadurch im harten Wettbewerb bestehen. Umweltschützer sehen allerdings noch Nachholbedarf in der gesamten Outdoor-Branche.

Tettnang - Genau 40 Jahre ist seine Geschäftsidee alt, als Albrecht von Dewitz noch einmal an die mühsamen Anfänge erinnert: „Ich hatte damals kein Geld, aber den Wunsch, selbstständig zu sein“, sagt das Urgestein der Outdoor-Branche mit tiefer, kratziger Stimme. Damals, 1974, sei vom Begriff Outdoor noch gar nicht die Rede gewesen.

 
Albrecht von Dewitz hat Vaude vor 40 Jahren gegründet. Foto: Messe Friedrichshafen
„Es gab Bergsport, Klettern, Wandern oder Zelten.“ Und für all das, so der Gründungsgedanke, „fehlte ein gescheiter Rucksack“, sagt der 70-jährige Unternehmer mit den norddeutschen Wurzeln; Albrecht von Dewitz stammt aus der Lüneburger Heide. Aus der ersten Rucksack-Kollektion des Start-ups ist innerhalb von vier Jahrzehnten eine Firmengruppe mit 1650 Beschäftigten und rund 120 Millionen Euro Jahresumsatz geworden.

Am Firmensitz in Tettnang am Bodensee wird gerade kräftig investiert. Im August 2015 soll der fünf Millionen Euro teure Um- und Neubau fertig sein – inklusive Kletterturm, Bio-Cafeteria und Innovationspark, in dem Neuheiten mit Hilfe von 3-D-Druck-Verfahren entwickelt werden. Auch seine Bemühungen in puncto Nachhaltigkeit will das Familienunternehmen im Jubiläumsjahr noch einmal verstärken. Darunter verstehen die Oberschwaben, die in Tettnang hundert Prozent erneuerbare Energie verbrauchen, einen schonenden Umgang mit Ressourcen sowie angemessene Sozialstandards und existenzsichernde Löhne für rund 1000 Fertigungsmitarbeiter in Asien. Die hiesige Belegschaft trägt ihren Teil zur positiven Ökobilanz bei: 44 335 Kilometer legten die Mitarbeiter im vergangenen Jahr auf dem Weg ins Büro auf dem Rad zurück.

Näher in Vietnam erhalten das Doppelte des Mindestlohns

Vaude versteht sich in Sachen Nachhaltigkeit als Vorreiter in der Branche. Über alle Aktivitäten können sich die Kunden im Internet informieren. Das Unternehmen setzt sich beispielsweise für faire Arbeitsbedingungen ein: Die Mitarbeiter in Vietnam erhalten regelmäßig Sicherheitsschulungen und verdienen mehr als das Doppelte des dortigen Mindestlohns. Der Hersteller gehört der Fair Wear Foundation („Organisation für faire Kleidung“) an. Die Vereinigung von rund 100 europäischen Marken setzt sich für soziale Mindeststandards in der Textilindustrie ein, die Mitglieder lassen sich selbst und ihre Lieferanten von unabhängiger Seite kontrollieren. Damit heben sich Vaude und eine Reihe anderer deutscher Outdoor-Ausrüster wie Jack Wolfskin, Schöffel oder Deuter von großen Textilketten wie Kik, Adler oder NKD ab, die nach schweren Unglücksfällen in Fabriken in Pakistan und Bangladesch in die Kritik geraten waren.

Wegen den Einsatzes von Chemikalien steht die Outdoor-Branche allerdings im Fokus von Umweltorganisationen. Um die Kleidung wasserdicht und schmutzabweisend zu machen, werden sogenannte per- und polyfluorierte Verbindungen (PFC) eingesetzt. Laut Umweltbundesamt schaden diese zwar nicht unmittelbar den Verbrauchern, aber der Umwelt, aus der die Menschen die Stoffe irgendwann wieder aufnehmen. Vaude hat PFCs in den Produkten zwar sukzessive reduziert und ist nach eigenen Angaben mittlerweile „zu 72 Prozent PFC-frei“; spätestens 2020 sollen 100 Prozent erreicht sein. Eine Verpflichtung haben die Oberschwaben aber genauso wenig unterschrieben wie alle anderen Outdoor-Hersteller.

„Die Branche hat großen Nachholbedarf“, beklagt Kirsten Brodde von Greenpeace. Statt der 2011 gestarteten Detox-Kampagne beizutreten – einem internationalen Abkommen gegen den Einsatz gefährlicher Chemikalien in der Textilindustrie –, hielten die Firmen zusammen

Antje von Dewitz leitet heute das Familienunternehmen. Foto: Vaude
„wie Pech und Schwefel“ (Brodde), und verweigerten sich geschlossen. Vaude sei in vielen Bereichen vorbildlich, räumt zwar auch die Umweltschützerin ein, „aber PFC ist ihr wunder Punkt“. Große Sportartikelhersteller hätten bereits verbindliche Erklärungen abgegeben. Als jüngstes Beispiel nennt Brodde Adidas. Die Herzogenauracher würden heute zu 90 Prozent PFC-frei produzieren und planen bis 2017 komplett auf die Chemikalien zu verzichten. Daran müssten sich Vaude & Co. orientieren.

Greenpeace kritisiert die gesamte Outdoor-Branche

Antje von Dewitz beteuert, dass Vaude es ernst meint mit dem Thema Nachhaltigkeit: „Unsere Anstrengungen in diesem Bereich sind für einen Mittelständler enorm“, sagt die 41-Jährige, die 2009 die Firmenleitung von ihrem Vater übernommen hat. Der Lohn der Mühen seien Innovationsimpulse, durch die sich das Unternehmen in einer Branche, in der sich immer mehr Produkte ähneln, von der Konkurrenz abheben kann. „Diese Eintönigkeit ist unsere Chance“, sagt von Dewitz, die nicht im Mainstream mitschwimmen will. „Wir müssen Eigenständigkeit zeigen und unsere Marke weiterentwickeln.“ So soll auch das Netz mit eigenen Filialen (derzeit elf) weiter ausgebaut werden.

Antje von Dewitz ist überzeugt, dass Investitionen in Produkte und in die nachhaltige Produktion derselben von den Kunden geschätzt werden: „Sie wollen immer mehr wissen, sind aber auch bereit, dafür mehr Geld auszugeben.“ Besonders die Frauen hat die Mutter von vier Kindern als kaufkräftige Zielgruppe im Visier. Gab es früher vielleicht ein paar taillierte Jacken für Damen, so werden mittlerweile große Teile des Sortiments speziell auf deren Bedürfnisse ausgerichtet. „Outdoor ist weiblicher geworden“, sagt die Vaude-Chefin.

Ein paar Sachen sind nach wie vor „Made in Germany“

Palette
Albrecht von Dewitz ist 1974 mit einer eigenen Kollektion von Wander-, Trekking- und Bergrucksäcken ins Geschäft gestartet. Später wurde die Produktpalette um Schlafsäcke, Zelte, Funktionskleidung, Schuhe, Taschen und Reisegepäck erweitert. Seit 2006 gehört die Klettermarke Edelrit aus Isny im Allgäu zur Vaude-Unternehmensgruppe.

Produktion
In den 80er Jahren wurde die Produktion von Spanien nach China und Tettnang verlagert. Am Bodensee stellen heute noch etwa 30 Mitarbeiter hochwertige Taschen und Rucksäcke her. Der größte Teil der Waren kommt mittlerweile von Zulieferern aus China sowie aus einer eigenen Fertigung in Vietnam, die Albrecht von Dewitz leitet.

Vertrieb
Die Oberschwaben bringen ihre Produkte vor allem über den nationalen und internationalen Fachhandel sowie übers Internet an den Mann oder die Frau. Daneben gibt es elf eigene Vaude-Stores, vor allem im Südwesten, aber auch in Nürnberg, Paderborn und Bremen sowie zwei Outlets am Firmensitz in Tettnang und in Metzingen.