Der Panamakanal, einst Triumph der Technik über die Natur, gehört zu den spektakulärsten Wasserstraßen der Seefahrt. Die Feiern zum 100-Jahr-Jubiläum werden jedoch überschattet von Problemen bei der Erweiterung. Außerdem droht Konkurrenz.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Panama-City - Es war alles so schön ausgedacht: das Jubiläum, die Erweiterung, die große Einweihung. Zum hundertsten Geburtstag am Freitag sollten sich die neuen gigantischen Schleusen des Panamakanals erstmals öffnen und diese riesigen Schiffe durchlassen, denen der Kanal ihren Namen gab: Postpanamax-Frachter, 366 Meter lange und 50 Meter breite schwimmende Ungetüme, die in der Lage sind, bis zu 12 000 Container zu schlucken und auf Deck zu stapeln.   Aber die Planung ist das eine, die Praxis das andere.

 

Die Feiern werden auf einer Baustelle stattfinden. Die Erweiterung der zweitwichtigsten Wasserstraße der Welt nach dem Suez-Kanal hängt dem Zeitplan weit hinterher. Fehlkalkulation, Kostenexplosion und Zoff zwischen der Kanalbehörde ACP und dem Baukonsortium GUPC, sogar ein wochenlanger Baustopp – all das ließ die Runderneuerung immer länger dauern. Angeblich soll die Kanalerweiterung nun in einem Jahr fertig sein. Auch diese Schätzung ist ausgesprochen optimistisch.

Fehlkalkulation, Kostenexplosion, Baustopp 

September 1913: Arbeiter schuften beim Bau des Kanals. Foto: AFP
Ein bisschen passt das aktuelle Chaos zur Geschichte dieser beeindruckenden 80 Kilometer langen Wasserstraße zwischen Atlantik und Pazifik. Ihr Bau war eine Story von Chancen und Scheitern. Zwei Nationen versuchten sich an der Ozeanverbindung, Moskitos rafften Tausende von Arbeitern dahin, und ein Sezessions-Krieg wurde angezettelt, bis endlich am 15. August 1914 nach zehnjähriger Bauzeit die SS Ancon als erstes Dampfschiff mit 200 Passagieren an Bord vom Atlantik in den Pazifik fuhr, ohne den weiten und gefährlichen Weg um Kap Hoorn zu nehmen.

Der Bau des Panamakanals war ein Triumph der Technik über die Natur. Hart erkämpft und teuer erkauft. Die Kosten der mit Schleusen und Stauseen erbauten Verbindung beliefen sich damals auf die unfassliche Summe von 375 Millionen Dollar. Während der Bauarbeiten starben fast 6000 Arbeiter durch Unfälle und an Krankheiten. Insgesamt ließen etwa 30 000 Menschen beim Bau der Wasserstraße ihr Leben. Die Mehrzahl waren Franzosen, denn Frankreich hatte sich als erstes Land 1881 unter der Führung des Suez-Kanal-Erbauers Ferdinand de Lesseps in Panama versucht. Doch die im Vergleich zu Ägypten ungleich schwierigeren geologischen Verhältnisse und Tropenkrankheiten trieben Arbeiter in den Tod und die Kanalgesellschaft in den Konkurs.

Dann kamen die Amerikaner

Die USA interessierten sich für die Übernahme des Projekts. 1902 stimmte der Senat dem Bau eines Kanals durch die schmale Landbrücke von Panama zu. Doch Kolumbien, dessen Provinz Panama damals war, verweigerte den Bau. Also zettelte die US-Regierung Ende 1903 eine Revolte an und betrieb so die Abspaltung Panamas von Kolumbien. Dann setzte Washington eine Marionettenregierung ein und ließ sich die Rechte an der Kanalzone zusichern. Der Bau konnte beginnen.

Der Panamakanal - 80 anspruchsvolle Kilometer vom Pazifik zum Atlantik:

 

Die Überfahrt ist Millimeterarbeit

Die Passage zählt zu den anspruchsvollsten und spektakulärsten der Seefahrt. Auf der Fahrt geben die Kapitäne das Kommando an einen Lotsen ab, der die Ozeanriesen in Millimeterarbeit durch den schmalen Wasserweg manövriert. In einer Art Aufzug werden die zigtausend Tonnen schweren Schiffe in den Pazifikschleusen auf eine Höhe von 26 Metern über dem Meeresspiegel gehoben und später an den Atlantikschleusen wieder auf Meereshöhe gesenkt. Dazwischen liegt eine Fahrt vorbei an wuchernden Mangroven und durch das Nadelöhr Corte de Culebra, an dem das Dickicht fast zum Greifen nahe rückt.

14 000 Schiffe passieren die Wasserstraße jedes Jahr. Foto: AFP
Seit Inbetriebnahme des Kanals haben rund eine Million Schiffe die Schleusen passiert, vom kleinen Segler bis zum tonnenschweren Containerfrachter. Gut fünf Prozent des Welthandels werden über den Panamakanal abgewickelt. Selbst ein Schwimmer steht in den Büchern der Kanalverwaltung ACP. Der US-Abenteurer Richard Halliburton durchschwamm 1928 den Kanal als bisher einziger Mensch von Anfang bis Ende in 50 Stunden. Der Transfer kostete den Schwimmer 36 Cent, berechnet nach seinem Körpergewicht von 70 Kilo. Es wird auf ewig die geringste Gebühr eines Kanalpassierers bleiben.   Die größten Schiffe zahlen heute für die bis zu 24 Stunden dauernde Passage bis zu 300 000 Dollar (225 000 Euro). 2013 trugen die Kanalgebühren 981 Millionen Dollar zum Staatshaushalt bei, was 40 Prozent der Staatseinnahmen Panamas ausmachte.

Der Kanal ist das „größte Gut Panamas“

Über die Jahrzehnte entwickelte sich das Land im Schatten des Kanals zu einem Dienstleistungszentrum. Banken und die Freihandelszone in Colón sind heute neben der Wasserstraße die wichtigsten Wirtschaftsmotoren. „Der Kanal ist das größte Gut unseres Landes“, sagte Stanley Muschett, der frühere Manager der Kanalbehörde ACP, der StZ.

Doch genau das droht Panama mit der verzögerten Erweiterung zu verspielen. 1000 Kilometer nördlich soll in Nicaragua eine zweite interozeanische Wasserverbindung in Bau gehen. Der Nicaragua-Kanal soll auf 278 Kilometern von der Karibik bis zur Mündung des Río Brito auf der Pazifikseite führen. Der längere Weg und die größeren Höhenunterschiede sowie ökologische Bedenken sind der Regierung um den Präsidenten Daniel Ortega offensichtlich egal. Die Bauarbeiten sollen Ende des Jahres beginnen und etwa zehn Jahre dauern. Finanziert werden sie von dem chinesischem Konsortium HK Nicaragua Canal Development Investment Co. Dahinter verbirgt sich der chinesische Telekom-Milliardär Wang Jing. Noch ist unklar, ob es sich um eine Schnapsidee von Ortega handelt oder ein machbares Projekt mit Zukunft. Jedenfalls sollten sich Arbeiter und Ingenieure in Panama sputen.