Mit dem Mountainbike durch den Wald zu fahren, erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Wanderer fühlen sich hingegen oft belästigt oder gar gefährdet. Beim Schwarzwaldverein macht man sich Gedanken über ein friedliches Miteinander.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Mountainbiken ist zum Volkssport geworden – daran kommt keiner vorbei, auch nicht die organisierte Wanderbewegung. Der Schwarzwaldverein (SV) – die mächtige Lobby von 70 000 Mitgliedern, im letzten Jahr 150 Jahre alt geworden – will den Trend der Zeit nicht verpassen und „über ein Umdenken nachdenken“. Bisher hatte der zweitgrößte deutsche Wanderverband die Radler auf Distanz gehalten und sich hinter die „Zwei-Meter-Regelung“ im Landeswaldgesetz gestellt: Unterhalb dieser Breite dürfen Waldwege nicht per Rad befahren werden.

 

„Ein Verbot, das von den meisten Bergradlern mittlerweile leider so wenig ernst genommen, wie es von staatlicher Seite sanktioniert wird“, konstatieren SV-Vize Hans-Martin Stübler und Hauptgeschäftsführer Mirko Bastian in einem programmatischen Aufsatz im aktuellen Verbandsorgan „Der Schwarzwald“ kurz vor seiner Jahreshauptversammlung am 20. Juni in Gengenbach im Ortenaukreis.

Gegen den boomenden Sport und die gut geölte Rad-Industrie kommen die Fußgänger nicht mehr an. Auch Wanderer steigen zuweilen in den Sattel, sogar „Entscheidungsträger mittleren Alters“ hätten ein geländegängiges Hightechrad in Keller oder Garage, registrieren die Autoren. Niemand solle sich die Illusion machen, dass die Radler wieder weniger würden oder sich auf die Schotterwege zurückzögen. Also laufe es „mittelfristig auf ein Umdenken“ hinaus, der Verein müsse versuchen, „zu einem konfliktarmen Miteinander der unterschiedlichen Nutzergruppen im Wald beizutragen.“ Das klingt wie eine mittlere Revolution – oder auch wie eine Kapitulation. „Nein, eine Realisierung der Tatsachen“, möchte es Verbandssprecher Stephan Seyl nennen. „Es ist ein erster Schritt auf einem Weg, von dem man nicht weiß, wie kurvenreich und schwer er sein wird.“

Konfliktreiche Begegnungen

Dabei ist die Abschaffung der Zwei-Meter-Grenze derzeit noch gar nicht die Forderung des Schwarzwaldvereins, sondern die Schaffung gegenseitigen Verständnisses und der Abbau von Spannungen, die durch konfliktreiche Begegnungen entstanden sind. Der Verein lässt freilich externe Experten sprechen, die bereits weiter gehen. Thomas Coch, Biologe und Geschäftsführer der Ferienregion Staufen Münstertal im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald etwa hält die Zwei-Meter-Grenze für ungeeignet, Spannungen abzubauen. „Mountainbiker fühlen sich stigmatisiert und fühlen sich um den Genuss gebracht“, schreibt Coch. „Wanderer haben wenig Chancen, sich an ein angstfreies Miteinander zu gewöhnen.“

Bei etwas mehr Einfühlungsvermögen beiderseits würden eigentlich gar keine ernsthaften Konflikte auftreten. Doch dazu gehört etwas Arbeit. Im Münstertal mit seinem 300 Kilometer langen Wegenetz haben die Wegepaten des Schwarzwaldvereins mit der dortigen „Bike-Crew“ Kontakt aufgenommen und sie erfolgreich in die Pflege der Routen eingebunden. Ähnliche Beispiele gibt es auch im Kinzigtal in der mittelbadischen Ortenau.

Forstleute werben für Frieden

Auffällig ist, wie stark ausgerechnet altgediente Forstleute für eine friedliche Koexistenz auftreten. SV-Vizepräsident Stübler (77) war bis zu seiner Pensionierung Forstpräsident in Freiburg. Im Verbandsorgan plädiert Ewald Elsäßer (65), bis Anfang 2015 Leiter des Amts für Waldwirtschaft beim Landratsamt Ortenaukreis, unumwunden für eine Änderung des Waldgesetzes, „bei der das Radfahren mit folgender Einschränkung allgemein frei gegeben wird: Nicht gestattet ist das Randfahren auf Hauptwanderwegen.“ Und Radfahrer müssten Rücksicht nehmen, der Fußgänger habe immer Vorfahrt.

Denn, so Elsäßer, „Unvernunft und Rücksichtslosigkeit kann der Staat nun mal nicht regeln“. Alle feinsinnigen Versuche, mal ausnahmsweise einen Weg freizugeben, anderswo die Durchfahrt aber zu verbieten, seien zum Scheitern verurteilt. Allerdings, so räumt Elsäßer ein, sein Magazinbeitrag – ursprünglich ein Leserbrief – sei schon ein wenig älteren Datums. Mittlerweile habe er registrieren müssen, dass eine Welle von „E-Mountainbikes“ auf die Wälder zurolle. „Damit habe ich Bauchweh“, bekennt der pensionierte Forstamtsleiter, da müsse man eventuell doch steuernd eingreifen.

Mehr Publikum auf Rädern

Ein Punkt, der diskutiert werden muss: „E-Bikes, das wird noch eine ganz andere Dimension“, pflichtet Vereinssprecher Stephan Seyl zu, weil damit noch mehr Publikum auf zwei Rädern die Steigungen im Wald bewältigen kann. Das Störpotenzial sieht er aber durch die Elektroräder nicht speziell erhöht, denn die kritischen Momente zwischen Fuß- und Radwanderern entstehen unabhängig vom Antrieb bei der rasanten Abfahrt.

„Toleranz und Einfühlungsvermögen“ könnten, so der Münstertäler Thomas Coch, vielleicht durch einen „gemeinsamen Knigge“ gefördert werden. Der Schwarzwaldverein hat noch einen anderen Gedanken im Sinn: „Sind die Genuss-Biker als wandernde Radler eine Zielgruppe?“ fragen Stübler und Bastian. Auch das wird auf der Jahreshauptversammlung debattiert werden, es gibt ein Forum zum Thema Mountainbiker und Wanderer. Einen Beschluss im Plenum werde es dazu aber nicht geben, betont Sprecher Seyl.