Titelteam Stuttgarter Zeitung: Martin Gerstner (ges)

Reinigung mit Kärcher-HochdruckHersteller 00er Jahre - Im Juni 2005 verschafft der damalige französische Innenminister und spätere Präsident Nicolas Sarkozy einem schwäbischen Traditionsunternehmen unwillkommene Popularität. Nach einer Schießerei unter Jugendbanden in einer Trabantensiedlung bei Paris besucht er den Ort und kündigt mit bebender Stimme an, er werde die Gegend „mit dem Kärcher reinigen“ und „das Pack“ beseitigen. Heute, in einer Zeit, in der Wutbürger, Populisten und Politiker ihre Hasskommentare in die Welt hinausschleudern, würde eine solche Entgleisung bei vielen Zeitzeugen allenfalls ein mürrisches Schulterzucken hervorrufen – verbunden mit der gemurmelten Äußerung „so ganz unrecht hat er ja nicht“. Damals war es ein mittlerer Skandal, der die Kritik an Sarkozys erratisch-cholerischem Auftreten festigte und die Firma Kärcher aus Winnenden in den Folgejahren zu mehreren Protestschreiben an die französische Regierung zwang. Dort reagierte man verständnislos. Es sei schließlich gute Werbung für die Hochdruckreiniger aus dem Südwesten. Die werden auf der Homepage unter dem Slogan „Sie haben eine Aufgabe – wir die Lösung“ angepriesen. Rebellierende Jugendliche tauchen in der Leistungsbeschreibung der Geräte allerdings nicht auf. Alfred Kärcher gründete 1935 die Firma in Bad Cannstatt. 1939 zog er nach Winnenden um. 1950 kam der erste europäische Heißwasser-Hochdruckreiniger KW 350 auf den Markt. Und seitdem wurde die Welt ein wenig sauberer – erst recht, nachdem in den 80er Jahren auch Reiniger für den privaten Gebrauch hergestellt wurden. Die markant gelben Geräte entfesselten auf den Gehsteigen und in den Wohnstuben der bürgerlichen Reihenhäuser wahre Reinigungs-Exzesse – die kontrollierte Eskalation der Kehrwoche. Ihr Einsatz ist eindeutig ein zivilisatorischer Fortschritt. Mehr noch: wer die „Easy! Force“-HD-Pistole eines Kärcher-Hochdruckreinigers in die Hand nimmt und das machtvolle Knattern der Hydraulik hört, fühlt sich einen Moment lang als Herr über Leben und Tod – zumindest, was Unkraut, Dreck oder Kleintiere im Vorgarten betrifft.

 

Ob sich ein nur kurz amtierender baden-württembergischer Regierungschef an Sarkozy ein Beispiel nahm, als er 2010 Wasserwerfer gegen Stuttgart-21-Demonstranten einsetzte, wissen wir nicht. Klar ist nur: Der Schwabe, ein oft verspotteter, grüblerischer und erfindungsreicher, mitunter auch intellektueller Typ – er kann, wenn es sein muss, auch ordentlich Druck aufbauen.