Das Glück wohnt trotz langer Winter und wenig Sonne in Skandinavien. Die Norweger sind laut „World Happiness Report“ 2017 das glücklichste Volk auf Erden. Und die Deutschen? Rangieren mal wieder unter ferner liefen.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart - „German Angst“ ist im Angelsächsischen ein geflügeltes Wort. Miesepetrig sind die Deutschen in den Augen anderer Völker. Gründlich, aber langweilig, hyperkorrekt, aber uncool, wohlhabend, aber oberpessimistisch. Das Glück wohnt nicht im Herzen Europas. Der fünfte „World Happiness Report“ (Weltglücks-Report) der UN scheint diese vorurteilsbelastete Sicht auf die teutonische Gefühlslage einmal mehr zu bestätigen. Eine der stabilsten Demokratien und Ökonomien der Welt rangiert nur auf Platz 16 – hinter den USA, Israel und Costa Rica.

 

„Wir schaffen das“

Wie ist so was möglich? Noch nie waren die Zeiten für die Deutsche so dermaßen passabel wie heute. Flüchtlingskrise? Kaum zu glauben, aber „Wir schaffen das“ tatsächlich. Finanzkrise? Andere Euro-Länder kriechen auf dem Zahnfleisch, wir sind potenter denn je. Populismus? Schon wieder auf dem absteigenden Ast. Um mit Käpt’n Blaubär zu sprechen: Alles im Lot auf dem Boot. Warum also dümpeln wir konstant im Mittelfeld herum, während sich das Glück unter Skandinaviern besonders heimisch fühlt? Vielleicht liegt es an der UN-Studie, in der die Stimmungslage schlechter positioniert wird als sie in Wirklichkeit ist.

Kollektive Verunsicherung schwindet

Die jüngst vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vorgelegte Langzeitstudie SOEP (sozio-ökonomisches Panel, eine seit 1984 jährlich erhobene Befragung von rund 10 000 Personen zu ihrer Lebenszufriedenheit) kommt zu einem sehr viel positiveren Ergebnis. Vor allem dank der guten Konjunktur sind die Deutschen so zufrieden wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Auf einer Skala von null bis zehn liegt der Wert bei 7,5 (Ost: 7,4, West: 7,6). Die gesamtgesellschaftliche Lage wird als robust, das eigene Leben als überwiegend positiv gesehen. Auch der landestypische Hang zu kollektiver Verunsicherung (Noch geht es uns gut, aber irgendwann kommt das dicke Ende) scheint wie wegeblasen.

Globale Zufriedenheits-Liga

Zwei Studien, zwei Meinungen. An den Fragekriterien kann es nicht liegen, dass die Deutschen im globalen Maßstab so schlecht wegkommen. Weder die UN- noch die DIW-Demoskopen sind so naiv gewesen nur den materiellen Wohlstand zu messen. Die Elle mit den Wohlfühlfaktoren ist sehr viel länger: geistige Gesundheit, Selbstwahrnehmung, Stärke des sozialen Umfelds, Vertrauen in Regierung und Unternehmen etc.. Dass die Deutschen mittlerweile ganz oben in der globalen Zufriedenheits-Liga mitspielen, scheint der UN entgangen zu sein.

Platz 16? Pustekuchen!

Man muss eben nicht alles glauben, nur weil es von der UN kommt. Der Mehrheit der Bundesbürger ist weniger bange vor der Zukunft als früher. Sie lebt ihr Leben im Hier und Jetzt, die persönliche Zufriedenheit ist deutlich gestiegen. Das Vertrauen in Staat und Gesellschaft ist durch das Stemmen diverser Krisen krisenfest, das ehrenamtliche Engagement enorm, die Belastbarkeit der staatlichen Strukturen beruhigend, die Handlungsfähigkeit der Politik intakt. Glücksforscher betonen, dass persönliches Glück stark mit dem Zustand der Gesellschaft und sozialen Umfeld verbunden ist. Wenn das stimmt, kann es um Deutschland nicht so schlecht bestellt sein, wie der UN-Report weismachen will. Platz 16? Pustekuchen!

Die Deutschen sind nicht blauäugig naiv

Lassen wir uns unser Glück nicht schlechtreden – weder durch Populisten noch UN-Umfragen. Die Menschen hierzulande sind nicht blauäugig naiv: Sie wissen, dass die Zukunft ein unstetes Abenteuer und alles im Wandel begriffen ist. Doch auch wenn sie von Krisen umgeben sind, machen sie das Beste aus ihrem Leben. Schade nur, dass die gute Stimmung im New Yorker UN-Hauptquartier noch nicht angekommen ist.