Der Verein Schutzbauten arbeitet die Geschichte der Stuttgarter Bunker auf. Auf der Bürgerhaus-Etage im Freien Musikzentrum Feuerbach wurde das zehnjährige Bestehen des Vereins gefeiert.

Feuerbach - Zu der Gründungsversammlung des Vereins Schutzbauten im Juni 2006 waren zwölf Personen gekommen. Klein und bescheiden fing alles an. Am vergangenen Freitagabend haben sich fast zehnmal so viele Menschen im Freien Musikzentrum (FMZ) versammelt, um das zehnjährige Bestehen des Vereins auf der Bürgerhaus-Etage des FMZ mit einem Festakt zu feiern. Inzwischen hat der Verein 80 Mitglieder. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann war für die kurzfristig erkrankte Fraktionskollegin Nina Warken, die im Innenausschuss des Bundestages sitzt und dort für den Zivil-, Bevölkerungs- und Katastrophenschutz zuständig ist, als Gastredner eingesprungen. Doch Kaufmann verspätete sich. Denn wichtige Sondersitzungen seiner Fraktion in Berlin wegen der Folgen des EU-Ausstiegs Großbritanniens sowie ein ausgefallener Flug durchkreuzten sein Bemühen, rechtzeitig zum Festakt zu kommen.

 

Neue Bedrohungslagen bedeuten neue Herausforderungen für den Zivilschutz

Trotzdem kämpfte sich Kaufmann von Berlin nach Feuerbach durch und stand gegen Ende der Veranstaltung am Rednerpult. Der Verein Schutzbauten leiste mit seinem Engagement einen wichtigen Beitrag, die Erinnerung an die Geschichte zu bewahren und die Auseinandersetzung mit diesem Erbe wachzuhalten, sagte Kaufmann: „Sie sind Museum, Archiv, aber auch Kultureinrichtung.“ In seinem Vortrag beschäftigte sich Kaufmann hauptsächlich mit den Herausforderungen des Katastrophenschutzes in der heutigen Zeit: Die Bedrohungslagen hätten sich verändert. Nach den Ereignissen am 11. September 2001 und dem Elbhochwasser 2002 habe man den Zivil- und Katastrophenschutz neu organisiert und Zuständigkeiten von Land und Bund neu definiert. 2004 sei das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gebildet worden. Durch den Terrorismus, aber auch durch extreme Unwetter wie zuletzt entstünden neue Bedrohungslagen.

Schwabtunnel als Glanzstück damaliger Ingenieurskunst

Der Leiter des Tiefbauamtes, Wolfgang Schanz, überbrachte die Grußworte der Stadt und meine angesichts der schweißtreibenden Hitze im Saal: „Bei diesen Temperaturen würde man lieber im Bunker sitzen.“ Schanz erinnerte in seiner Rede an ein Glanzstück schwäbischer Ingenieurskunst: „1896 wurde der Schwabtunnel eröffnet. Er war damals der breiteste Tunnel Europas und auch der erste, durch den ein Fahrzeug fuhr“, zählte Schanz auf. Dieser und viele andere Tunnel dienten im Krieg als Schutzräume. „Heute werden keine Luftschutzbauwerke mehr errichtet“, sagte Schanz. Aber es sei Aufgabe der Stadt, bestehende Bauten zu erhalten, dieses Ziel verfolge man gemeinsam mit dem Verein. Der Vorsitzende Rolf Zielfleisch berichtete von den Anfängen des Vereins: „Wir hatten anfangs keinen Cent Geld und man begann mit der Herkulesarbeit, die Bauwerke in einen vorzeigbaren Zustand zu bringen.“ Der unverwechselbare Spitzbunker in Feuerbach sei inzwischen ein Markenzeichen und das Logo des Vereins geworden.

Bevor die ersten Ausstellungen im Tief- und Spitzbunker Feuerbach realisiert werden konnten, musste dort entrümpelt werden. Gleichzeitig wurde im Laufe des Jahrzehnts historisch Verborgenes und Unbekanntes ausgegraben: „Unsere Dokumentation im Internet über den Luftschutz und die Stuttgarter Bauwerke umfasst inzwischen über 500 Seiten“, sagte Zielfleisch.

Verein spendet jährlich fünfstelligen Betrag für die Instandhaltung der Bauwerke

In den Schutzbauten gibt es regelmäßig Führungen und Kulturveranstaltungen. Bei der Kulturnacht im Mai 2009 las Wolfgang Schorlau aus seinem Kriminalroman „Brennende Kälte“. Sänger der Chorvereinigung Feuerbach trugen am 8. Mai 2010 – 65 Jahre nach Kriegsende – Lieder über und gegen den Krieg im Bunker vor. Bilder des Fotografen Hannes Kilian vom zerstörten Stuttgart wurden dazu gezeigt. 2012 bei der Nacht der langen Museum kamen 2500 Personen in den Tiefbunker. „Leider wurden uns im Oktober 2014 weitere Kulturveranstaltungen im Bunker von der Stadtverwaltung untersagt, weil die brandschutztechnischen Auflagen inzwischen verschärft wurden“, berichtete Zielfleisch. Inzwischen habe man die Kosten für die Nachrüstung des Bunkers der Stadt gespendet. Einen Besucheransturm erlebten die Vereinsmitglieder auch bei einer Extraführung durch den Stollen an der Roten Wand beim Killesberg. Durch eine Fernsehsendung im Vorfeld sei das Interesse angefacht worden, erzählte Zielfleisch. „Wir hoffen, dass beim Sachbearbeiter des Liegenschaftsamtes, wohin die Betreuung dieser Bauwerke inzwischen gewechselt ist, das Geschichtsbewusstsein noch etwas zunimmt, damit wir dort wieder eine Genehmigung für eine Begehung dieses historisch einzigartigen Stollens erhalten.“

Jährlich setze der Verein einen fünfstelligen Betrag für die Instandhaltung der Bauten ein. Inzwischen stehe der Tiefbunker Feuerbach unter Denkmalschutz: „Diese Maßnahme ist auf unser Betreiben hin geschehen und hat nur schlappe drei Jahre gedauert“, so Zielfleisch, der auch öfters gegen die Windmühlen des Bürokratismus kämpfen muss. Nächstes Projekt sei die Verbesserung der Eingangssituation am Tiefbunker Feuerbach. Pläne gibt es bereits in Zusammenhang mit der geplanten Neugestaltung des Wiener Platzes. „Wir hoffen, dass wir auf die Umsetzung dieser Pläne keine zehn Jahre warten müssen.“