Der VfB und der HSV kämpfen gegen den Abstieg aus der Bundesliga. Anders als Stuttgart kämpft Hamburg auch um den Trainer Thomas Tuchel.

Stuttgart - Viele Gemeinsamkeiten verbinden die früher so stolzen Fußballvereine des VfB Stuttgart und des Hamburger SV. Beide gehören eigentlich zu den Bundesliga-Schwergewichten: beide verfügen über eine lange Tradition, ein wirtschaftsstarkes Umfeld und eine ebenso große wie treue Anhängerschaft. Weil jedoch beide in den vergangenen Jahren so ziemlich alles falsch gemacht haben, was man nur falsch machen kann, müssen beide auch in dieser Saison den Absturz in die zweite Liga befürchten. Und so suchen beide Vereine verzweifelt nach einem Weg aus der Dauerkrise, auf dass sich von der neuen Saison an alles wieder zum Guten wendet.

 

An dieser Stelle jedoch fangen die Unterschiede an. Zum einen hat der HSV schon im vergangenen Jahr das geschafft, was der VfB noch vor sich hat: die Ausgliederung der Profiabteilung aus dem Gesamtverein. Und zum anderen hat sich die Hamburger Vereinsführung bereits eindeutig auf einen Wunschtrainer festgelegt, der von diesem Sommer an den nötigen Neuanfang gestalten soll: Es ist Thomas Tuchel (41), der frühere Coach des FSV Mainz 05, der auch sein Interesse an einem Engagement beim VfB signalisiert hatte (die StZ berichtete). „Es wäre ja dumm von uns, wenn wir nicht versuchen würden, uns intensiv mit ihm auseinanderzusetzen“, sagte der HSV-Aufsichtsratschef Karl Gernandt am Wochenende in einem Fernsehinterview mit dem NDR-„Sportclub“.

Vorerst sitzt Knäbel auf der HSV-Bank – ein riskantes Spiel

Seit vergangener Woche ist beim HSV der bisherige Sportdirektor Peter Knäbel für die Mannschaft verantwortlich. Wie im Vorjahr ist also auch diesmal ein dritter Trainer binnen einer Spielzeit nötig. Sie wissen in Hamburg, dass es ein sehr riskantes Manöver ist – Knäbel saß letztmals vor 15 Jahren in der zweiten Schweizer Liga als Trainer auf der Bank und soll nach der Saison ins Amt des Sportdirektors zurückkehren. Das jedoch wäre kaum vorstellbar, sollte Knäbel derjenige sein, unter dessen Führung die ewige Bundesliga-Uhr im Volkspark ausgeschaltet werden muss.

Der HSV legt sich Tuchel zu Füßen

Nicht ohne Risiko ist es auch, sich schon jetzt öffentlich auf Tuchel festzulegen. Schließlich ist es völlig offen, ob der HSV erstklassig bleibt und ob die Verhandlungen mit dem Wunschtrainer zu einer Einigung führen. Auch Gernandt weiß, dass „am Ende Thomas Tuchel derjenige ist, der entscheidet, was er macht“. Tuchel habe „wie ein kleiner Junge beim Autoquartett alle schnellen Autos in seiner Hand“ und könne sein Blatt „von oben runterspielen“.

Tuchel bekäme umfassende Gestaltungsmöglichkeiten

Dennoch legt der HSV-Aufsichtsratschef in ungewöhnlicher Offenheit seinen Verein dem Wunschkandidaten zu Füßen – wohl auch, um dem begehrten Trainer zu demonstrieren, wie groß die Wertschätzung ist: „Der HSV wäre bereit, ein Konzept mit Thomas Tuchel zu gehen.“ Das würde „nicht nur ein Trainerkonzept“ enthalten, „sondern in der Folge auch ein Spielerkonzept“. Das sei bereits „sehr detailliert durchdekliniert“ worden. Mit anderen Worten: Tuchel bekäme in Hamburg die umfassenden Gestaltungsmöglichkeiten im sportlichen Bereich, die für ihn eine Grundvoraussetzung darstellen.

Die „Bild“-Zeitung glaubt weitere Zugeständnisse zu kennen, die dem Trainer die Unterschrift unter einen Vierjahresvertrag erleichtern sollen: Tuchel könne im Falle einer Zusage für 25 Millionen Euro neue Spieler einkaufen, sein Jahresgehalt soll angeblich bei 3,2 Millionen Euro liegen. „Thomas Tuchel kostet viel Geld – ob er teuer ist, das muss man herausarbeiten“, sagt Karl Gernandt: „Wenn er es wert ist, dann ist er nicht teuer.“

Der VfB äußert sich nicht zu Fragen nach dem neuen Coach

Auch der VfB hatte sich vor einiger Zeit mit der Idee beschäftigt, Tuchel als Trainer für die neue Saison zu gewinnen. Es gab mehrere Gespräche, doch inzwischen hat man den Kontakt eingestellt und nach StZ-Informationen kein Interesse mehr an einer Zusammenarbeit. Die Gründe sind unbekannt, denn der VfB-Sportchef Robin Dutt verfolgt nicht nur in der Personalie Thomas Tuchel eine andere Strategie als der HSV: Er äußert sich im laufenden Abstiegskampf nicht zu Fragen nach dem zukünftigen Trainer. „Wir versuchen seit Wochen deutlich zu machen: Unsere ganze Kraft kann nur dem Klassenverbleib untergeordnet werden“, sagt Dutt: „Die einzige Person, die beim Thema Trainer wichtig ist, ist Huub Stevens. Ihm werden wir weiterhin zu hundert Prozent den Rücken stärken.“

Die Abmachung mit dem Niederländer ist klar: Erst nach der Saison soll über die Zukunft gesprochen werden. Trotzdem ist es schon lange ein offenes Geheimnis, dass sich die Wege spätestens nach der Saison ein zweites Mal trennen werden. Als Nachfolger, auch das ist kein Geheimnis mehr, steht Alexander Zorniger bereit.

Ein Abstiegs-Showdown am vorletzten Spieltag?

Den Hamburgern, die am vorletzten Spieltag im möglichen Abstiegs-Showdown beim VfB antreten, wird das sehr recht sein. Denn so haben sie im Werben um Thomas Tuchel einen potenziellen Konkurrenten weniger. Auch ein Wechsel ins Ausland ist für den Trainer keine ernsthafte Option mehr. Er wisse „um die Bedeutung der Sprache als elementares Führungswerkzeug“, sagte Tuchel in einem „Zeit“-Interview und stellte klar: „Ich würde gern in Deutschland bleiben.“