Das Spiel gegen Köln war für Christian Träsch richtungsweisend im Abstiegskampf. Mit 3:1 hat der VfB die Partie für sich entschieden.
     

Stuttgart - Christian Träsch (23) weiß, dass die Situation beim VfB Stuttgart bedrohlich ist. Das Spiel am Samstag in Köln ist für ihn im Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga richtungsweisend.

 

Herr Träsch, was denken Sie, wenn Sie die aktuelle Bundesligatabelle betrachten?

Nichts Gutes. Deshalb gucke ich die Tabelle nur selten an. Es ist auch so klar, dass wir in einer gefährlichen Situation sind. Wir stecken mitten im Abstiegskampf.

Kommen Sie sich da nicht vor wie im falschen Film?

Natürlich haben wir vor der Saison nicht geglaubt, dass sich alles so dramatisch zuspitzen könnte. Aber davon sind nicht nur wir betroffen. Wolfsburg und Bremen dürften ganz ähnliche Probleme haben.

Tröstet Sie das vielleicht?

Nein, wir schauen nur auf uns. Wir müssen aufpassen und uns am Riemen reißen. Noch haben wir alles selbst in der Hand. Das ist das Wichtigste. Aber diese Chance müssen wir auch nutzen.

Ist der VfB die Saison zu blauäugig angegangen - oder wo liegt der Ursprung der Krise?

Entscheidend war unser verpatzter Saisonauftakt. Wenn man die ersten Spiele verliert, wird es schwierig, wieder unten rauszukommen. Denn dann funktionieren plötzlich die einfachsten Dinge nicht mehr. Das Ergebnis war, dass wir in der Winterpause nur zwölf Punkte auf dem Konto hatten. Das war nicht zu akzeptieren und unwürdig für einen Club wie den VfB. Wir standen mit dem Rücken zur Wand.

Daran hat sich nichts geändert.

Nach dieser katastrophalen Vorrunde konnte keiner erwarten, dass wir das Feld mal schnell von hinten aufrollen.

Dafür mischen vermeintliche Abstiegskandidaten wie Hannover, Mainz und Freiburg in der Spitzengruppe mit und können sich Hoffnungen auf einen internationalen Startplatz machen. Wie bewerten Sie das?

Diese Mannschaften haben aufgeholt. Dadurch ist die Liga noch ausgeglichener geworden. Jeder kann jeden schlagen. Es entscheiden oft Kleinigkeiten.

Der Mannschaft fehlt das Vertrauen

Was zeichnet Mannschaften wie Hannover, Mainz und Freiburg aus?

Zunächst mal darf man nicht unterschätzen, dass sie auch Qualität haben. Davon zeugen Spieler wie Didier Ya Konan, André Schürrle oder Papiss Demba Cissé, der jetzt mit Mario Gomez sogar um die Torjägerkanone kämpft. Wenn das im Sommer jemand prophezeit hätte, wäre er vermutlich belächelt worden.

Der VfB hat aber viel mehr Nationalspieler in seinen Reihen als Freiburg oder Hannover - und von daher kaum weniger Klasse.

Hannover ist jedoch ein gutes Beispiel dafür, was man mit Teamgeist alles bewegen kann. In der letzten Saison haben die Spieler dort Schlimmes erlebt mit dem Tod von Robert Enke. Danach konnten sie den Abstieg nur knapp verhindern. Durch diese Erfahrungen wurde die Mannschaft zusammengeschweißt. Jetzt kämpft jeder für jeden. Da müssen wir auch hinkommen.

Warum ist das so schwer?

Weil es darum geht, dass der eine dem anderen bedingungslos vertraut. Das ist die Basis - und das muss jeder verinnerlichen. Dieses Gefühl kann man nicht von oben befehlen, das muss wachsen. In diesem Prozess befinden wir uns seit einiger Zeit.

Am Ende steht dann wahrscheinlich die von Ihrem Trainer Bruno Labbadia ständig geforderte mannschaftliche Geschlossenheit. Wann ist die erreicht?

Wir treten bereits geschlossen auf, aber der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. So treffen wir uns regelmäßig im privaten Kreis, um uns speziell darüber zu unterhalten, wie wir miteinander umgehen wollen. Dabei haben wir festgestellt, dass wir uns auf dem Platz gegenseitig noch mehr unterstützen und aufmuntern sollten als bisher. Das ist das Ziel.

Bei der 2:4-Pleite vor einer Woche gegen Kaiserslautern waren Sie davon weit entfernt.

Auch darüber haben wir ausführlich gesprochen. Die Leistung in der zweiten Hälfte war nicht hinnehmbar. Aber davon dürfen wir uns nicht entmutigen lassen.

Obwohl der VfB die fünf Spiele vor Lautern nicht verloren hatte, waren aber auch diese Auftritte alles andere als berauschend.

In der Vorrunde fehlte uns nach 75 oder 80 Minuten oftmals die Luft. In dieser Beziehung haben wir uns deutlich verbessert. Aber von uns wird immer noch von außen gefordert, dass wir es vornehmlich mit spielerischen Mitteln lösen. Wenn wir das in dieser Situation versuchen, erleiden wir Schiffbruch. Es geht nicht um den Schönheitspreis, es geht um die Existenz.

Träsch über seine Rolle als Kapitän

Sie sagen indirekt, dass die Mannschaft in der ersten Saisonhälfte unter den Trainern Christian Gross und Jens Keller nicht richtig fit gewesen ist. Aber sind nicht vor allem die Spieler selbst für ihre körperliche Verfassung verantwortlich? Schließlich können sie Zusatzschichten einlegen.

Das ist leicht gesagt. Wir arbeiten natürlich ständig daran, doch es war ein schleichender Prozess, der erst durch eine gezielte Vorbereitung in der Winterpause zu korrigieren war.

Ein anderes Manko hat sich jedoch schon damals ziemlich deutlich abgezeichnet. Dem VfB mangelt es ganz offensichtlich an Führungspersönlichkeiten.

Auch das ist ein Prozess. Solche Leute fallen nicht vom Himmel. Wir haben leider gerade keinen Typ wie Mark van Bommel, der dazwischenhaut, wenn es sein muss. Dazu kommt, dass uns im Sommer einige Spielerpersönlichkeiten verlassen haben - darunter Jens Lehmann, der immer wieder Klartext gesprochen hat.

Sie haben zuletzt die Kapitänsbinde getragen, was sich nicht positiv auf Ihre Form ausgewirkt hat.

Ich bin ebenfalls nicht zufrieden mit mir und mache mir auch viele Gedanken über die Entwicklung beim VfB, doch ein Zusammenhang zwischen dem einen und dem anderen besteht nicht. Ohnehin müssen alle Spieler bereit sein, Verantwortung zu übernehmen - unabhängig davon, wer Kapitän ist.

Ihr Vertrag endet in einem Jahr. Der VfB will verlängern. Und Sie?

Es wäre genau das verkehrte Signal, wenn ich mich jetzt damit beschäftigen würde. Es zählt nur der Klassenerhalt. Wenn wir gerettet sind, können wir uns nach dem letzten Spieltag gerne über meine Zukunft unterhalten. Dann bin ich offen für alles.

Wie viele Punkte sind nötig, um nicht absteigen zu müssen?

Rechenspiele helfen nicht weiter. Wir konzentrieren uns nur auf die Partie in Köln.

Die schon ein Abstiegsendspiel ist?

Ganz so weit würde ich nicht gehen, weil danach immer noch vier Spiele ausgetragen werden. Aber keine Frage, die Partie ist enorm wichtig. Nach dem Auftritt gegen den 1. FC Kaiserslautern haben wir einiges wieder gutzumachen.

Befassen Sie sich bereits mit dem möglichen Relegationsgegner?

Auf die Zweitligatabelle schaue ich momentan erst recht nicht.

Der Italienurlauber

Karriere: Über Ingolstadt und 1860 München landete Christian Träsch 2007 beim VfB. Sein Bundesligadebüt feierte er am 3. Februar 2008 gegen Schalke, sein erstes Tor erzielte er am 4. Oktober 2008 gegen Bremen. Am 2. Juni 2009 gab er gegen die Vereinigten Arabischen Emirate seinen Einstand in der Nationalelf. Bis jetzt hat er sechs Länderspiele bestritten. Die WM 2010 verpasste er wegen einer Verletzung.

Privates: Sein Lieblingsessen ist Schweinebraten mit Knödeln, den Urlaub verbringt er gerne in Italien, seine Hobbys sind Tennis, Musik hören und an der Playstation spielen. Träsch ist verheiratet mit Jenny.