Der VfB baut im Europa-League-Rückspiel am Donnerstagabend in Genk auf Ibrahima Traoré. Der Außenstürmer hat sich in dieser Saison gut entwickelt – und hat eine ausgeprägte Sammelleidenschaft.

Stuttgart - Seine wichtigste Grundregel hat Ibrahima Traoré diesmal nicht beherzigen können. „Die Schuhe müssen immer zur Mütze passen“, so lautet eigentlich die Vorgabe des Mannes, der mehrere hundert Turnschuhe und ebenso viele Baseballkappen in sämtlichen Farbkombinationen besitzt. Bei der Reise nach Genk jedoch sah die Kleiderordnung des VfB Stuttgart am Mittwoch einen dunklen Anzug vor – was nichts daran änderte, dass sich der 24-Jährige mit bester Laune auf den Weg nach Belgien gemacht hat.

 

Traoré ist von Haus aus mit einem sehr sonnigen Gemüt ausgestattet – und zurzeit strahlt er ganz besonders. Denn der kleine Offensivspieler ist beim VfB so etwas wie der Mann der Stunde. So ziemlich der Einzige war er, der in den Wochen der großen Krise konstant ordentliche bis starke Leistungen gezeigt hat. Beim 1:4 gegen Bremen erzielte Traoré neulich das einzige Tor; Martin Harniks Treffer zum 1:0-Sieg am Sonntag in Hoffenheim, der den freien Fall vorerst gestoppt hat, bereitete er mit einer Maßflanke vor. Und so ruhen auf ihm auch am Donnerstagabend große Hoffnungen, wenn der VfB beim KRC Genk versucht, nach dem 1:1 im Hinspiel noch ins Achtelfinale der Europa League einzuziehen (19 Uhr/Sky).

„Ich spüre das Vertrauen von Trainer und Mannschaft“

Traoré verkörpert exakt das, was dem VfB in dieser Saison so oft gefehlt hat: Dynamik, Tempo, Unbekümmertheit, Mut. Er versteckt sich nicht, wenn es schlecht läuft, er sucht das Risiko, wenn andere den Sicherheitspass wählen. „Ibo hat eine unheimlich gute Entwicklung genommen“, sagt der VfB-Manager Fredi Bobic, „er ist einer derjenigen, die sich zuletzt in den Vordergrund gespielt haben.“

Seit mehr als eineinhalb Jahren ist Traoré inzwischen in Stuttgart und nun endgültig angekommen. „Es könnte für mich momentan kaum besser laufen“, sagt der Nationalspieler Guineas und nennt drei Gründe, die dazu geführt haben, dass er sich in den vergangenen Monaten vom Reservisten zum unumstrittenen Stammspieler gewandelt hat. Der wichtigste lautet: „Ich spüre jetzt das Vertrauen vom Trainer und der Mannschaft.“ Das hatte ihm lange gefehlt, nachdem er im Sommer 2011 vom damaligen Bundesligaaufsteiger FC Augsburg zum VfB gekommen war. Bruno Labbadia konnte zunächst nicht allzu viel anfangen mit dem Mann, der damals angeschlagen seinen Dienst in Stuttgart aufnahm.

Auch von den Mitspielern würde er bisweilen kritisch beäugt, wenn im Training wieder einmal ein Dribbling misslang. „Ich habe lange gebraucht, bis ich mich an das höhere Tempo und die größere Konkurrenz gewöhnt hatte“, sagt Traoré. Erst in dieser Saison gelang ihm der Durchbruch. Den Japaner Shinji Okazaki hat er im linken offensiven Mittelfeld längst verdrängt. „Und von meinen Mitspielern bekomme ich auch dann noch die Bälle, wenn ich zuvor am Gegenspieler hängen geblieben bin.“

Die Schuhe stehen geordnet im Schrank

„Der Ibo tut uns von seiner Spielweise her sehr gut“, sagt der Mittelfeldspieler Christian Gentner: „Er ist erfrischend, denkt auf dem Platz nicht unnötig nach, sucht die Eins-gegen-eins-Situationen auch dann noch, wenn er zuvor gescheitert ist.“ 21 von 22 Bundesligaspielen hat Traoré in dieser Runde bestritten, sechs Tore vorbereitet und zwei geschossen.

Den zweiten Grund für seinen Aufschwung sieht er darin, ruhiger geworden zu sein – auf dem Platz, aber auch daneben. Früher, sagt er, habe er alle Zeitungen gelesen und sich verrückt gemacht, wenn er darin schlechte Kritiken über sich las. Jetzt verzichtet er darauf, auch wenn die Bewertungen meistens positiv sind. „Ich kann jetzt selbst einschätzen, ob ich gut oder schlecht war – das gibt mir eine größere Ruhe“, sagt der schnelle Außenspieler.

Der dritte Grund hat auch damit zu tun, denn sein Leben ist geregelter geworden, seit Ende vergangenen Jahres seine Freundin Maud aus Paris gekommen ist und mit ihm in der Gänsheide im Stuttgarter Osten wohnt. Seitdem sei das Essen fertig, wenn er vom Training nach Hause kommt, die Turnschuhe stehen nach Farben geordnet im Schrank. „Und ich kann mich ganz auf den Fußball konzentrieren.“