Der Abstieg des VfB nimmt immer konkretere Formen an. Denn die Frage ist: Warum sollte das Team ausgerechnet in den letzten Spielen keine Fehler mehr machen?

Stuttgart - Hier hat Huub Stevens nichts zu befürchten, hier ist der Trainer noch immer der große Star. Draußen in der Nordkurve der Schalker Arena haben die königsblauen Fans ihren Jahrhundertcoach schon während des Spiels gefeiert und die alten Eurofighterlieder von 1997 gesungen. Und im Presseraum stehen danach die Weggefährten von früher Spalier und klopfen Stevens kräftig auf die Schulter. „Huub, Du siehst noch immer toll aus“, sagt einer, ein anderer erklärt: „Ihr habt klasse gespielt, Huub, da sieht man deutlich deine Handschrift.“

 

Blöd nur, dass es für den Trainer, der mittlerweile auf der Bank des VfB Stuttgart sitzt, außer den Komplimenten auch diesmal nichts zu holen gab. Mit einer bitteren 2:3-Niederlage, mit der sein Verein der zweiten Liga ein großes Stück näher gerückt ist, macht sich Stevens auf die Rückreise und ahnt: „Es wird ganz schwer, die Spieler wieder aufzubauen.“

Es bleiben nur noch drei Spieltage

Viel Zeit bleibt nicht, denn der Abstieg nimmt immer konkretere Formen an. Die ersten Lichter gehen bereits aus, nachdem der Tabellenletzte nach dem 1:2 in Augsburg und dem 2:2 gegen Freiburg zum dritten Mal hintereinander leichtfertig wichtige Punkte hat liegen lassen. Nur noch drei weitere Spiele sind jetzt übrig, um zumindest zwei Plätze nach oben zu klettern. „Jetzt müssen wir noch neun Punkte holen, und das ist auch möglich“, sagt zwar tapfer der Außenverteidiger Florian Klein, der die Niederlage auf Schalke mit einem unglücklichen Eigentor in der 89. Minute besiegelt hat. Doch fragt man sich, warum dem VfB ausgerechnet im Saisonfinale gegen Mainz und Hamburg sowie in Paderborn das gelingen soll, was das Team seit September 2013 nicht mehr geschafft hat: wenigstens mal zwei Spiele nacheinander zu gewinnen.

Das Verrückte ist: im Spiel nach vorne ist der VfB mittlerweile so stark wie seit langer Zeit nicht mehr. Wenn es so kommt, worauf momentan alles hindeutet, dann wird man am Ende sagen: Es hat noch selten einen Absteiger mit solch großen Möglichkeiten in der Offensive gegeben. Die beiden Außenstürmer Filip Kostic und Martin Harnik, die auf Schalke je ein Tor erzielten, sind mit ihrer Schnelligkeit und Dynamik nur schwer zu stoppen. Davor steht in Daniel Ginczek ein ebenso robuster wie spielintelligenter Stürmer, der beide Treffer vorbereitete, den ersten sogar auf brillante Weise. Und dahinter verfügt der VfB in Alexandru Maxim und dem wiedergenesen Daniel Didavi inzwischen über gleich zwei überdurchschnittliche Spielmacher mit gewaltigem technischem Potenzial.

In der Blitztabelle stand der VfB kurzzeitig auf Rang 15

Es stimmt, die stark verbesserte VfB-Offensive verpasste es auf Schalke, bei einer 2:1-Führung einen der vielen Konter konsequent zu Ende zu spielen und dem vom eigenen Anhang bereits ausgepfiffenen Gegner den Gnadenstoß zu verpassen. Verheißungsvolle Perspektiven taten sich zu diesem Zeitpunkt auf, als in den Parallelspielen Hannover und Paderborn zurücklagen und der VfB in der Blitztabelle vorübergehend Fünfzehnter war. „Da hätten wir das 3:1 machen müssen“, sagt Huub Stevens.

Andererseits müssen eben auch einmal zwei Auswärtstore reichen, um zumindest einen Punkt mitnehmen zu können. An dieser Stelle jedoch beginnt das große Problem der Stuttgarter: die ständig wiederkehrenden haarsträubenden Fehler in der Defensive. Sie haben auch auf Schalke den möglichen Sieg gekostet – und den VfB nun vollends an den Rande des Abgrunds geführt. Ein kleiner Schritt ist es nur noch, dann folgt der tiefe Fall.

Die Abwehrschwächen als ständiger Begleiter

So groß mittlerweile die Offensivmöglichkeiten sind, so bundesligauntauglich ist die Abwehr, wo sich die verfehlte Personalplanung der vergangenen Jahre nun endgültig bitter rächen könnte. Das betrifft die linke Abwehrseite ebenso wie die Innenverteidigung. Georg Niedermeier beispielsweise ist ein aufrechter Kämpfer, der sich stets ohne Rücksicht auf Verluste ins Gefecht wirft. Am Samstag hielt er bis zum Schluss durch, trotz einer Risswunde am Unterschenkel, die am nächsten Tag mit fünf Stichen genäht werden musste. Aufgrund fehlender fußballerischer Klasse aber war er schon unter mehreren VfB-Trainern auf dem Abstellgleis gelandet. Mangels Alternativen kam er immer wieder zurück – und macht immer wieder schwere Fehler wie vor dem 0:1 auf Schalke, als er im eigenen Fünfmeterraum unbedrängt über den Ball säbelte.

Was bleibt, ist die Hoffnung auf die wundersame Rettung in den alles entscheidenden letzten drei Partien. Dass es schwer werde, die Spieler wieder aufzurichten, das wiederholt Huub Stevens am Ende noch einmal, „aber das bekommen wir auch diese Woche wieder hin“. Er sei „immer ein Kämpfer gewesen“, sagt der Trainer und schaut in die Runde. Die alten Weggefährten um ihn herum nicken zustimmend.