Verliert der VfB Stuttgart am Samstag in Hannover, dann wird es für den abstiegsgefährdeten Fußball-Bundesligisten eng – aber auch für den Trainer Huub Stevens.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Der Blick richtet sich nach oben. Neidvoll schauen sie beim VfB Stuttgart auf Bremen. Dort sitzen sie beim SV Werder und fragen sich manchmal selbst, wie sie dieses kleine Fußballwunder an der Weser hinbekommen haben. Und am Cannstatter Wasen sitzen sie und wundern sich, wie der Bundesligarivale aus dem Norden trotz ähnlicher Krisensymptome und Probleme binnen weniger Wochen all das hinbekommen hat, wonach sich die Stuttgarter schon lange sehnen: gute Ergebnisse und ein gutes Gefühl.

 

Viel von dem Aufschwung bei Werder wird dem neuen Trainer Viktor Skripnik zugeschrieben, dessen Mannschaft wie entfesselt auftritt und sich dank einer Siegesserie vom Abstiegskandidaten fast schon zum Europapokal-Anwärter gewandelt hat. Den Gegenentwurf dazu bietet der VfB, der sich aufgrund einer Negativserie vom Abstiegskandidaten zum nahezu hoffnungslosen Fall entwickelt hat.

Und viel von dem Abschwung beim Tabellenletzten wird dem erst im vergangenen November wiederverpflichteten Trainer zugeschrieben: Huub Stevens, der mit dem VfB in der Vorrunde in fünf Spielen acht Punkte sammelte und der in den ersten fünf Partien der Rückrunde nur noch einen Zähler mit den Stuttgartern holte.

Das führt nun zu zwei grundverschiedenen Begegnungen am 23. Spieltag. Die erste: in Bremen freuen sie sich nun auf das Spiel der beiden besten Rückrundenteams am Sonntag gegen den VfL Wolfsburg. Die zweite: in Stuttgart bangen sie vor dem Auftritt der beiden schlechtesten Rückrundenmannschaften am Samstag (15.30 Uhr) bei Hannover 96, was da noch auf sie einstürzen könnte.

„Ich weiß, was auf micht zukommt.“

„Es ist nicht mein erstes Spiel in der Bundesliga“, sagt Stevens, „ich weiß, was gefragt ist, und ich weiß, was auf mich zukommt.“ Wird diese Partie wieder verloren, dürfte es das für den Niederländer bei den Schwaben gewesen sein. Die Anzeichen verdichten sich, dass die Vereinsführung immer weniger an die Arbeit und Überzeugungskraft des gefeierten Retters aus der Vorsaison glaubt. Obwohl der Präsident Bernd Wahler Mitte Januar noch den zum Saisonende auslaufenden Vertrag des Cheftrainers vorzeitig verlängern wollte und obwohl der Sportvorstand Robin Dutt zuletzt immer wieder betont hat, Aktionismus bringe nichts.

Als Nachfolgekandidaten für Stevens werden Alexander Zorniger, zuletzt RB Leipzig, und Jos Luhukay, zuletzt Hertha BSC, gehandelt (die StZ berichtete). Doch von der Unruhe um ihn herum lässt sich Stevens nicht beeindrucken, jedenfalls nicht sichtbar. Der 61-jährige Fußballlehrer hat solche prekären Situationen schon oft erlebt. „Ich verstehe die Automatismen doch auch“, sagt Stevens. Automatismen, die sich immer wieder auf einen Punkt zuspitzen lassen: Werden keine Ergebnisse geliefert, kann er gehen – allen Beteuerungen und Wertschätzungen zum Trotz.

„Ich kann mit Händen kein Eisen verbiegen“

Wie der VfB-Coach die Wende zum Guten schaffen will, lässt er auf der taktischen Ebene zumindest erkennen. Dabei ist allerdings nicht davon auszugehen, dass Stevens seine zuletzt häufig kritisierte Grundausrichtung ändert. „Ich habe diese Woche Champions League geschaut. Juventus Turin hat auch nicht offensiv gespielt – aber gewonnen“, sagt Stevens.

Darum geht es im Kern. Wobei sich die Trainerdiskussion in Stuttgart zwar an der Defensivtaktik entzündet hat, die fußballerische Misere aber letztlich dazu geführt hat, dass das Treiben auf dem Platz immer mehr als destruktiv wahrgenommen wird.

Kein Fußball, keine Tore, keine Punkte.

Es ist ein Teufelskreis, in dem der VfB steckt. Ihn zu durchbrechen, traut sich Stevens nach wie vor zu. Doch viele Möglichkeiten bleiben dem Kämpfer jetzt nicht mehr – auch wenn er sich schon Gedanken über die nächste Trainingswoche macht. Da geht es freitags gegen die ebenfalls abstiegsgefährdete Hertha. Ein weiteres Schlüsselspiel, das der VfB gewinnen sollte. Doch wie? „Ich kann mit Händen kein Eisen verbiegen“, sagt Stevens. Ein Entfesselungskünstler wie der legendäre Harry Houdini würde den an taktische Ketten gelegten VfB-Fußballern aber vielleicht schon helfen – siehe Werder Bremen.