Der Blick aus der Vogelperspektive offenbart, was den Wiener Platz früher ausgezeichnet hat: eine klare Struktur und Geometrie. Das Rondell und der Bahnhof waren früher das Verbindungsglied zwischen dem Industriegebiet und dem Ort. Heute durchschneidet den Platz die Stadtbahnlinie.

Feuerbach - Der Blick zurück offenbart dem heutigen Betrachter, was den Wiener Platz früher ausgezeichnet hat: eine klare Struktur und Geometrie. Wie die Speichen eines Wagenrades führten die Straßen sternförmig vom Wiener Platz – der ursprünglich Bismarckplatz hieß – weg. Dieses Rondell und der Bahnhof waren früher das Verbindungsglied zwischen dem Industriegebiet und dem Ort. Platz und Gebäude stellten insgesamt ein städtisches Ensemble dar. „Wenn es einen Punkt in Feuerbach gab, an dem der Ort großstädtisch wirkte, dann war das hier“, sagt ein Zeitzeuge, der in den 1950er Jahren im Bereich des Bahnhofes aufwuchs. Er erinnert sich sehr detailliert, möchte aber nicht namentlich genannt werden.

 

Das Leben pulsierte im Rhythmus der drei Schichten

Auf dem Platz regelte ein Polizist in weißer Uniform den Verkehr, das Leben pulsierte im Rhythmus der drei Schichten: Die einen kamen von der Arbeit, die anderen gingen in die nahegelegenen Fabriken. Die rasante wirtschaftliche Entwicklung Feuerbachs konnte nur deshalb erfolgen, weil 1848 der Anschluss an die Eisenbahn erfolgt war. Damals wurde der erste Bahnhof in Betrieb genommen. Anfang des 20. Jahrhunderts (1907) kam der Güterbahnhof dazu, zwei Jahre später wurde der neue Personenbahnhof eingeweiht. Das Postamt gegenüber wurde 1916 eröffnet. Wo sich heute der Spitzbunker und Taxistände befinden, lagen früher Eisenbahnergärten. Es gab Metzgereien, Lebensmittelgeschäfte, einen Milchladen, eine Bäckerei, eine Schnellgaststätte, eine Drogerie, einen Blumenladen, mehrere Kioske und das Café Schneider in der direkten Umgebung des Bahnhofs.

Sogar ein Kino existierte: „Die Kurbel“ an der Bludenzer Straße 7. Die Lederwaren-Fabrik Hepting (am Bildrand, links unten) lag an der Burgenlandstraße und war führender Kofferhersteller im Land. Die „Süddeutsche Kühlerfabrik Julius Behr“ befand sich am Wiener Platz auf dem Gelände zwischen Steiermärker Straße, Bregenzer Straße und Wernerstraße. Inzwischen ist dort Bosch mit seinem Archiv ansässig. Robert Bosch hatte im Jahr 1909 zunächst ein Grundstück an der Bregenzer Straße erworben. Auf dem Foto oben sieht man noch einen Teil des Gebäudes der ehemaligen Pianofabrik Lipp & Sohn. Bosch übernahm dieses imposante Gebäudeensemble 1917 und 1918 und brachte dort unter anderem seine Zündkerzenproduktion unter.

Wo das Rondell war, befindet sich heute eine Unterführung

„Geprägt war der Grundriss des Industriegebiets durch die Industriebahn, an die die meisten Firmen angeschlossen waren“, sagt SPD-Altstadtrat Robert Thurner, der in der Arbeitsgemeinschaft „Städtebauliche Entwicklung“ Ideen für den Wiener Platz mitentwickelte. „Durch S-Bahn, Stadtbahn und die Buslinien sowie die Aufgabe des Güterbahnhofs mutierte der Bahnhofsvorplatz mehr und mehr zur Drehscheibe des Öffentlichen Personennahverkehrs. Er wird jetzt als rechteckiger Platz definiert, in dem das ehemalige Postgebäude, das früher in die Bebauung integriert war, als Solitär erscheint“, sagt er. Wo das Rondell war, ist heute eine Unterführung. Unser Zeitzeuge geht noch einen Schritt weiter: Heute sei der Platz von „flächendeckender Hässlichkeit“, meint er: „Durch die Führung der Stadtbahnlinie mit dem Hochbahnsteig hat der Platz endgültig seinen Platzcharakter verloren.“ Zur Verunstaltung habe auch der Abriss des früheren Postgebäudes beigetragen.