In Filderstadt-Bernhausen lebt der Präsident des Magischen Zirkels von Deutschland. Bis 2016 war Eberhard Riese Lehrer am Paracelsus-Gymnasium Hohenheim, im Ruhestand widmet er sich vor allem seinem liebsten Hobby – der Illusion.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Plieningen - Vorzaubern mag er eigentlich nicht. Das sei unüblich bei Presseterminen, sagt Eberhard Riese. Er sagt es nicht schroff, er sagt es, weil es so ist. Außerdem fühlt er sich aus der Übung. „Es wäre nicht gut genug. Ich habe einen hohen Anspruch.“ Mit halben Sachen gibt sich der 65-Jährige aus Bernhausen nicht zufrieden. Und weil er in letzter Zeit selten selbst magische Hand angelegt hat, zögert er bei der Frage, ob er vielleicht eine Klitzekleinigkeit auf Lager hat.

 

Nach kurzer Pause steht er auf, mit dem Anflug eines Lächelns auf dem Gesicht, und geht zu seinem Regal, in dem er all seine Zauberbücher hortet. Sogar Werke vom Anfang des 19. Jahrhunderts. „Ich weiß nicht, ob ich es gleich finde“, ruft er. Kurze Zeit später kommt er zurück – in jeder Hand ein Kartenspiel. Wenn Riese sagt, dass er aus der Übung ist, heißt das nicht, dass er nichts mehr mit Zauberei am Hut hat. Im Gegenteil. Aber er sitzt inzwischen auf der anderen Seite: auf dem Regiestuhl, schaut sich die Künste anderer an und kritisiert – im positiven und negativen Sinne.

Er bekam ein T-Shirt mit augedruckter Krawatte

Eberhard Riese ist seit 2011 Präsident des Magischen Zirkels von Deutschland und seit 1979 Vorsitzender des Stuttgarter Ablegers mit immerhin knapp 90 Mitgliedern. Er habe gesagt, er mache die Jobs, aber ohne sich zu verkleiden. Sein legeres Outfit und die Schlappen gehörten zu ihm wie sein Faible für Illusion. Zum Einstand bekam er ein T-Shirt mit aufgedruckter Krawatte.

Weltweit sind knapp 3000 Zauberer im Magischen Zirkel. Die Stuttgarter Magier treffen sich zweimal im Monat. Einmal mit Gästen mit Vorerfahrung, das andere Mal bleiben die Zauberer unter sich, zeigen sich Tricks und geben sich Tipps. Riese erzählt, dass die sogenannte Stuttgarter Schule etliche völlig neue Tricks entwickelt habe.

Ein Zirkel mit Geheimnissen

Das Ausgetauschte bleibt geheim. Die Mitglieder legen ein Schweigegelübde ab. Wenn Neugierige fragen, wie der Kartentrick funktioniert oder woher die Tauben geflattert gekommen sind, ist ihr Mund verschlossen. Die Techniken, die sie jahrelang einstudiert haben, werden mit niemandem geteilt. Daran halten sie sich, sagt Riese. Zu groß wäre der Verlust. „Das Netzwerk der Zauberer ist nicht bezahlbar.“

Dass das Publikum oft schier vor Neugierde platzt, weiß Riese. Die Magier hexen die Fragezeichen aber einfach weg. „Bei Shows werden die Leute erst einmal zugezaubert, damit sie merken, sie haben keine Chance, dann lehnen sie sich zurück und genießen einfach nur noch.“

Zaubern ist harte Arbeit

Eberhard Riese sagt, Magier wie er zauberten mit bestimmten Techniken. Bis zur Bühnenreife sei das harte Arbeit. Bahnschienen zu verbiegen, wie es die Ehrlich Brothers vorführen, lernt sich nicht an einem Tag. Er und die anderen grenzen sich ab von allem möglichen Hokuspokus. Mit Handauflegern, Wahrsagern oder Mentalisten hätten sie nichts zu tun. Wobei echtes Zaubern manchmal hilfreich wäre. Gerade streikt zum Beispiel sein Internet. Könnte Eberhard Riese hexen, müsste er niemanden bestellen.

Seit einem halben Jahr ist Riese ganz Magier. Vorher war er auch Lehrer am Paracelsus-Gymnasium Hohenheim. Nach seinem Referendariat hat er keine andere Schule gesehen. „Es ist eine zweite Heimat.“ Er sagt nicht „war“, weil er – obwohl er seit Herbst im Ruhestand ist – regelmäßig nach Plieningen fährt. Er betreut die Theater-AG und hilft bei der Zauber-AG.

Riese war gern Lehrer. Vom eigenen ersten Schultag an habe er gewusst, dass er das werden wollte. Die Mutter musste ihm einen weißen Lehrerkittel nähen, der Vater bastelte eine Tafel.

Zauberei im Hauptberuf, das wollte Riese indes nicht. In Stuttgart lebt derzeit ein Dutzend Künstler von der Magie, sagt er. Das geht. Aber in der Regel müssten Berufsmagier Aufträge annehmen, die sie vielleicht lieber ablehnen würden. Und Riese wollte die sichere Nummer. Er strahlt aus, dass es genau die richtige Entscheidung war. Er hatte ja beides.

Die Welten ließen sich nicht trennen

Doch die zwei Welten wollte er strikt voneinander trennen. Anfangs. Dann vermischten sie sich. In der Rolle des Zauberers traf er einen Zehnjährigen, dessen Künste ihn bannten. Wie sich herausstellte, handelte es sich dabei um ein Kind aus Plieningen, das im nächsten Schuljahr aufs Paracelsus-Gymnasium wechseln würde. Aus dem zehnjährigen Thomas Fröschle von damals ist inzwischen Topas geworden, kein Unbekannter in der Zauberszene. Und er ist nicht der Einzige. Weitere Magier haben zur Lehrzeit Eberhard Rieses das PGH besucht: Roxanne, Jojo und Fisselspecht.

Eberhard Riese betont, dass er die jungen Leute nicht zum Zaubern verführt habe; in der Schule habe er sich stets bedeckt gehalten; er war der Geschichts-, Mathe- und Deutschlehrer. Es habe sich einfach so entwickelt mit dem Plieninger Zaubernachwuchs. So wie bei ihm damals.

Zum ersten Mal im Zauberladen

Kurz vor dem Abitur hat er einen italienischen Zauberer gesehen, der hat ihn fasziniert. Also hat sich Eberhard Riese Bücher besorgt und sich eingelesen. In Berlin besuchte er dann etwas später das erste Mal einen Zauberladen. „Da war es dann gänzlich geschehen.“

Eberhard Riese legt die beiden Kartenspiele auf den Tisch und lässt sein Gegenüber einen Stapel aussuchen. Er nimmt den anderen, dann wird gemischt. Von ihrem verdeckten Stapel ziehen beide eine Karte und schauen sie an. Die Karten wandern zurück. Dann wird wieder gemischt und hin- und hergereicht. Langer Rede, kurzes Finale: Am Ende liegt natürlich die richtige Karte aufgedeckt auf dem Tisch. Wenn das mal nicht gut genug war.