Immer mehr Hotels beweisen, dass sich schickes Ambiente und moderate Preise nicht ausschließen müssen. Die Zahl solcher Design-Budget-Herbergen wächst.

Das Doppelzimmer für 69 Euro - so viel kostet eine Übernachtung für zwei Personen im neuen Motel One, das Ende Mai direkt am Wiener Hauptbahnhof eröffnete. Bei durchschnittlichen Hotelpreisen von 100 Euro aufwärts in Wien ein Schnäppchen. Dazu kommt: Das Hotel liegt nicht in einem öden Vorort, sondern zentral und besticht durch ein schickes Ambiente. Edle schwarz-graue Töne dominieren, kombiniert mit türkisfarbenen Elementen wie Überdecken oder Sessel. Überall Hinweise auf die Umgebung: an der Decke ein üppiger Kronleuchter, auf dem Boden Teppiche im Seerosenstil - Anklänge an das nicht weit vom Hotel gelegene Schloss Belvedere. Weder Lobby noch die Zimmer vermitteln das Gefühl eines Billighotels, im Gegenteil: Leuchten des italienischen Design-Herstellers Artemide, Loewe-Flatscreen-Fernseher, Marmorbad und hochwertige Duschen würde man eher in Luxusherbergen erwarten, sind aber Standard-Ausstattung jedes Motel-One-Hauses.

 

„Viel Design für wenig Geld“ - unter diesem Motto baute Motel-One-Gründer Dieter Müller in den vergangenen 15 Jahren eine prosperierende Hotelkette auf, die den Markt gehörig aufgemischt hat. Nach Accor und B&B Hotels ist Motel One mit insgesamt 50 Dependancen der größte Budget-Hotel- Anbieter in Deutschland. Bis Mitte 2017 will das Unternehmen auf 74 Häuser wachsen. Im Ausland ist die Kette bisher in Belgien, Großbritannien und Österreich vertreten. Design-Hotels im Niedrigpreissegment sind im Kommen: Seit 2006 hat sich ihre Zahl in Deutschland von 181 auf 349 Häuser erhöht. Und sie werden weiter wachsen, prognostiziert der Deutsche Hotelverband. Ganz neu auf den deutschen Markt kommt jetzt im Sommer die internationale Hotelkette Aloft Hotels.

Vereinigung von Style und günstigem Übernachtungspreis

Im Stuttgarter Milaneo-Einkaufscenter eröffnet diesen Monat ein 165-Zimmer Haus, im August folgt ein weiteres in München. Neben modernem Design sind die Aloft Hotels auch für Musik und Technik bekannt. Mit Bluetooth-Dockingstationen, High-Speed-WLAN und Live-Auftritten von Bands in der hoteleigenen „W:xyz-Bar“ sollen hippe Städtereisende angesprochen werden, die das Doppelzimmer in Stuttgart ab 95 Euro pro Nacht bekommen. Hotelmarken wie Aloft und Motel One haben es geschafft, zwei Faktoren zu vereinen, die sich im Hotelgewerbe lange gegenseitig ausgeschlossen hatten: ein durchgestyltes Ambiente samt Designer-Möbeln sowie ein günstiger Übernachtungspreis. Wer vor allem auf Letzteres schielte, buchte früher bei Ibis und Etap - Herbergen mit zweckmäßiger Ausstattung ohne Schnickschnack. Zum Schlafen okay, aber mehr nicht. Motel One gehörte zu Beginn der 2000er Jahre zu den ersten, die dazu bewusst einen Gegenpunkt setzten.

„Motel One hat das Design im Budget-Segment als Alleinstellungsmerkmal ausgebildet und sich damit bekannt gemacht“, analysiert Jan Specht, Professor für Hotelmanagement an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Ravensburg. Die Wirtschaftskrise zu Beginn des Jahrhunderts beförderte den Erfolg. Viele Firmen reduzierten damals die Ausgaben für Geschäftsreisen. Statt teurer Luxusunterkünfte waren preisgünstige, aber geschmackvolle Herbergen gefragt. Der Abstieg fiel dann weniger schockierend aus als befürchtet. „Viele Gäste entdeckten damals die Vorzüge dieser Hotels und wollten später nicht mehr zurück ins Vier-Sterne-Haus“, sagt Tobias Warneke vom Hotelverband. Das Geheimnis der Budget-Hotels: Sie sparen dort, wo es der Reisende nicht spürt.

Wellness- und Spa-Bereiche, Schwimmbad und Fitnessraum - solche im Unterhalt kostenintensiven Angebote finden sich nicht. Aber für Städte- wie für Geschäftsreisende ist das unerheblich: Sie sind ohnehin den ganzen Tag unterwegs und nutzen das Hotel nur zum Schlafen. Auf Schnickschnack wie Minibar, Telefon oder Zimmerservice verzichten die Ketten genauso wie auf ein eigenes Restaurant. Das senkt die Betriebskosten, zudem können diese Flächen stattdessen für Zimmer genutzt werden - ein weiterer wichtiger Faktor in Städten, wo die Quadratmeterpreise extrem hoch sind. Logisch, dass die Zimmer eher klein sind - bei Motel One genau 16 Quadratmeter. Die Einrichtung ist standardisiert, die Design-Klassiker werden en gros eingekauft, was Rabatte ermöglicht.

Im Auge des Kunden hochwertiger

Mehr Zimmer fördern eine höhere Auslastung, die niedrigere Preise erlaubt. An diesen Stellschrauben zu drehen, ist nach Ansicht von Hotelexperte Specht für den Erfolg entscheidend. Ausgaben für eine Design-Ausstattung fallen dagegen weniger ins Gewicht. Dass die meisten Budget-Hotels auch auf Sterneglanz verzichten, bemerkt kaum einer der Gäste. „Nach den Kriterien für die Vergabe der Klassifizierung hätten viele nur zwei Sterne, aber in den Augen der Kunden werden sie als hochwertiger wahrgenommen“, so Specht. Der Erfolg von Motel One hat die Wettbewerber beflügelt, die sich nun mit eigenen Design-Marken positionieren. Accor, mit den Marken Ibis und Etap einst Pionier auf dem Budget-Markt, hat sein Einrichtungskonzept geändert und will mit Ibis Styles bei designbewussten Gästen punkten

. Auch die für Luxus bekannten Ketten wie Intercontinental Hotels, Hilton und Marriott wollen das Feld nicht der Konkurrenz überlassen und haben eigene Budget-Marken entwickelt: Holiday Inn Express, Hampton by Hilton und Moxy-Hotels. Marriott arbeitet dabei mit einem Unternehmen zusammen, das mit seinem Stil die halbe Welt einrichtet: Ikea. Auch kleinere Hotelunternehmen mischen mit. Schriller und cooler als Motel One sind die Prizeotels, eine noch junge Hotelmarke mit jeweils einem Ableger in Bremen und Hamburg. Ein weiteres Haus soll dieses Jahr in Hannover eröffnet werden. Für die Gestaltung beauftragte das 2006 von einem Hotelier und Immobilienmakler gegründete Unternehmen den New Yorker Stardesigner Karim Rashid.

Jedes Haus hat seinen eigenen Stil, gemeinsam sind allen grelle Farben und geschwungene Möbel. Die Folgen der wachsenden Design-Konkurrenz spüren vor allem kleine, familiengeführte Hotels im Zwei- und Drei-Sterne-Bereich. Ihnen fehlen zunehmend die Gäste, aber auch das Geld für Investitionen. Oft sieht es dort noch aus wie in den 1970er Jahren: muffige Flure, Pressspan-Möbel, Polyester-Gardinen, dunkle Fliesen. Auch preislich könnten sie mit den Ketten häufig nicht mithalten. Keine rosigen Zukunftsaussichten. Specht: „Die Ansprüche der Kunden ans Design steigen, für 08/15-Hotels wird es auf dem Markt deshalb immer schwieriger.“ Gute Chancen haben laut Specht neben den Hotelketten kleinere, individuelle Häuser, die Wert auf persönliches und ansprechendes Design legen. Diese sogenannten Boutique-Hotels vereinen meist ein durchgestyltes Ambiente mit ungewöhnlicher Lage, etwa in denkmalgeschützten oder architektonisch besonderen Häusern. Preislich heben sie sich deutlich von den Budget-Hotels ab, aber wer dort bucht, hat dafür auch das Geld.

Infos zu Design-Budget-Hotels

Hier eine Auswahl preiswerter und schicker Hotels:

Motel One
57 Hotels in Deutschland, Belgien, Großbritannien und Österreich. Motel One Wien, Gerhard-Bronner-Straße 11, 1100 Wien, DZ ab 69 Euro, Frühstück extra für 9,50 Euro. www.motel-one.com

Aloft Hotels
Knapp 100 Häuser in 15 Ländern. Aloft Stuttgart, Heilbronner Straße 70, 70191 Stuttgart, Telefon 07 11 / 87 87 50 00, DZ ab 95 Euro, Eröffnung am 22. Juli. www.aloftstuttgarthotel.com

Aloft München, Bayerstraße 37, 80335 München, Telefon 089 / 5 40 23 70, DZ ab 129 Euro, www.aloftmunichhotel.com

Prizeotel
Häuser in Bremen, Hamburg und ab September in Hannover. DZ ab 64 Euro, Frühstück 10 Euro. www.prizeotel.com

Moxy
Bis Ende 2016 sollen Moxy Hotels in wichtigen europäischen Metropolen entstehen, unter anderem in München-Flughafen, Frankfurt, Berlin, London und Kopenhagen. http://moxy-hotels.marriott.com