Zwölf Verhandlungstage hat Reinhold Hanning geschwiegen. Nun hat der ehemalige Wachmann im KZ Auschwitz eine Erklärung verlesen lassen. Das könnte den Prozess abkürzen.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Detmold - Hat Reinhold Hanning wirklich geglaubt, durch lebenslanges Schweigen und Verdrängen könne er seine Jahre als SS-Wachmann in Auschwitz wenn nicht ungeschehen so doch unbedeutend machen? Zwölf Verhandlungstage hat es in dem Prozess gedauert, der womöglich der letzte gegen einen der SS-Wachmänner von Auschwitz ist, bis der 94-Jährige sein Schweigen gebrochen hat. Am Freitag ist es soweit. Reinhold Hanning, der als SS-Unterscharführer in der 3. Kompanie des SS-Totensturmbanns als Wachmann im Konzentrationslager Auschwitz I eingesetzt war, spricht. Erst durch Johannes Salem, einen seiner Anwälte, und dann auch selbst.

 

Der alte Mann im grauen Anzug, der während der Verhandlung vor dem Detmolder Landgericht im Rollstuhl sitzt und laut medizinischem Gutachten nur für jeweils zwei Stunden verhandlungsfähig ist, zieht umständlich einen Briefumschlag aus der Innentasche seines Jacketts. Mit zittrigen Händen öffnet er das Kuvert, zieht ein Blatt Papier hervor und entfaltetes es mühsam. „Ich habe lange geschwiegen, ich habe mein ganzes Leben lang geschwiegen,“ liest er mit leicht brüchiger Stimme vor.

Die Erklärung kann die Wende bedeuten

In großer, gut lesbarer Schrift stehen diese Worte auf dem Zettel. Eine Kopie davon werden seine Anwälte wie zuvor schon die gemeinsam verfasste 23-seitige Erklärung über Hannings Leben an die Schwurgerichtskammer und die Nebenklagevertreter verteilen. Gehofft haben alle Prozessbeteiligten und auch die Öffentlichkeit, dass dieser Moment irgendwann kommt. Aber wirklich damit gerechnet, hat niemand. Und jetzt liest der Mann, der wegen der Beihilfehilfe zum Mord in 170000 Fällen angeklagt ist, die Sätze vor, die vielleicht die Wende oder zumindest ein absehbares Ende in diesem Prozess bedeuten könnte.

Anke Grudda, die Vorsitzende Richterin der Schwurgerichtskammer jedenfalls hat angekündigt, in den Tagen bis um nächsten Verhandlungstermin am 12. Mai das Gehörte zu gewichten und angedeutet, dann möglicherweise die Beweisaufnahme zu beenden. „Ich möchte Ihnen sagen, dass ich zutiefst bereue, einer verbrecherischen Organisation angehört zu haben, die für den Tod vieler unschuldiger Menschen, für die Zerstörung unzähliger Familien, für Elend, Quälen und Leid. Auf Seiten der Opfer und der Angehörigen verantwortlich ist,“ hat Hanning zuvor weiter vorgelesen. „Wir begrüßen es, dass Sie sich persönlich äußern. Das zeigt uns, dass Sie sich Ihrer Schuld stellen und Verantwortung übernehmen wollen“, kommentiert Grudda Hannings Erklärung.