Die Schwarzkittel, die bei der Treibjagd rund ums Tiefenbachtal auf der Strecke geblieben sind, haben sich an einer Hand abzählen lassen. Die schlauen Tiere haben die offene Flanke Richtung Nürtingen genutzt, um auszubüchsen.

Dettingen - Wein, Weib und warme Federbetten taten schon so manchem Bock das Leben retten“, lautet ein gängiger Spruch unter Jägern. Und was für den Rehbock oder im Alpenländischen für den Gamsbock gilt, gilt für das Wildschwein nicht minder. Doch dieser Tage war’s bei einer gemeinde- und revierübergreifenden Treibjagd im Albvorland mit einer Hundertschaft Jägern und 150 Treibern nix mit dem Liegenbleiben – obwohl das kühle und regnerische Wetter mit warmen Federbetten gut unter einen Filzhut hätte gebracht werden können.

 

Schon bei der Auffahrt hoch zum Treffpunkt auf dem Dettinger Käppele war unschwer zu erkennen, um was es bei dem Großaufgebot letztlich geht: Sauen haben Wiesenflächen und Baumstückle bei der Suche nach allerlei Proteinhaltigem wie Würmern, Engerlingen, Insekten und sonstigem Kleingetier unter den Rüssel genommen – und dabei überdeutliche Spuren hinterlassen. Der Befund gilt mittlerweile landesweit und hat auch ein treffendes Etikett: Wildschweinplage.

Verwahrloste Stückle sind ideale Verstecke für die Wildsauen

Milde und schneearme Winter, fast alljährlich reichliche Mast an Eicheln und Bucheckern in den Wäldern, geschlossene Monokulturen aus Mais und Raps sowie zunehmend private Grundstücke, die von Brombeerverhauen und sonstigem Gestrüpp überwuchert werden, weil sich unter den Nachkommen der Besitzer niemand für zuständig erachtet. Für den Bezirksjägermeister Jochen Sokolowski aus Dettingen ist die Verwahrlosung und Verbuschung „mit das größte Problem“ bei dem Thema. Hier fänden die Sauen zusätzliche Verstecke, und genau hier müsse künftig verstärkt angesetzt werden. Hinzu kommt, dass die Nimrode mit den Bestimmungen des neuen Jagdgesetzes hadern, insbesondere was die Abschussrestriktionen im März und April angeht.

Die Problematik ist also allen bekannt, die sich in den zehn Revieren der Gemarkungen von Kirchheim, Dettingen, Owen, Beuren und Linsenhofen zur Hatz auf das Wild treffen. Ursprünglich sollten auch die Kollegen vom Nürtinger Jagdbogen 1 mit von der Partie sein, doch dann seien sie wegen interner Unstimmigkeiten wieder ausgestiegen, bedauerte im Vorfeld der Bezirksjägermeister. Droben auf dem Käppele lässt man sich dadurch freilich nicht entmutigen. Nach der Begrüßung durch den Jagdherrn Hartmut Müller junior beziehen die Schützen Position und die Treiber ziehen gruppenweise los.

„Komm raus, du blöde Sau“

Für Isabell und Turgay aus Dettingen ist das Treibergeschäft eine Premiere, Turgay und seine Freundin Nelin aus Stuttgart versprechen sich davon nützliche Eindrücke und Einsichten für eine spätere Jägerprüfung. Florian Imrich, Bauhofmitarbeiter in der Teckgemeinde, ist quasi Treiberchef, wegen seiner profunden Revierkenntnis assistiert ihm Uli Klein. Der Waldarbeiter Wasili zeigt unterwegs sein Böllerarsenal, das er in den Dienst des Jagdglücks stellen möchte, zudem weiß er so manches Schmankerl aus seiner sibirischen Heimat.

Dann wird’s ernst in den sauenverdächtigen Klingen und Hanglagen. Jens gibt den Leitgedanken vor und fordert lautstark: „Komm’ raus, du blöde Sau!“ Dazu ertönen „Heja“ und ein so herzinnigst gezischtes „Hossa“, dass ein Rex Gildo seine pure Freude daran gehabt hätte. Beim an- und abschwellenden Treibergesang und den vereinzelten Schüssen kommen die Eichelhäher kaum mit dem Warnen nach. Ein Dutzend Rehe und zwei Hasen schreckt der Trupp hoch – aber wo bleiben bloß die Sauen? Erst hinten im Heuwäldle stöbert Imrichs Steckeninfanterie in einer Dickung eine Bache mit gleich sieben Frischlingen auf. Einer der blitzschnellen Jungspunde soll freiweg zwischen Uli Kleins Beinen hindurch die Flucht angetreten haben.

Schwarzkittel nutzen die offene Nürtinger Flanke als Schlupfloch

Die Streckenauslegung mit einer 50-Kilo-Bache, erlegt vom Jagdherrn Müller, einem Frischling, einem Reh und einem zerzausten Jungfuchs ist dann eine kurze Angelegenheit. Und so hören sich die Signale der Jagdhornbläser an wie der Abgesang auf vergebliche Müh. Drüben in Beuren, so war zu erfahren, haben immerhin zwölf Schwarzkittel ins Gras gebissen, in Owen musste ein Borstentier dran glauben, sonst war schweinemäßig Fehlanzeige.

Jägermeister Sokolowski musste nach Gründen für den Flop nicht lange suchen: Die schlauen Viecher seien wohl in Richtung Nürtingen abgetaucht, wo sich auf acht Kilometern Länge eine „offene Flanke“ aufgetan habe. Jetzt will man im Januar einen neuerlichen Anlauf unternehmen, um die Scharte mit der Schwarte auszuwetzen. Dann möglichst mit den Nürtingern.