Eigentlich soll die große Bronzezeit-Schau in Petersburg den deutsch-russischen Kulturstreit entspannen. Stattdessen gab es zur Eröffnung Quereleien.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Petersburg - Es soll ein Zeichen wachsender Verbundenheit sein: das „Deutschlandjahr 2012/13“ in Russland mit einer Vielzahl an Aktionen, Kongressen und Gastspielen – Anfang Mai war beispielsweise das Stuttgarter Ballett für eine Woche zu Gast im Moskauer Bolschoitheater. Am Freitagabend wurde in der St. Petersburger Eremitage nun der glanzvolle Schlusspunkt gesetzt: die Ausstellung „Bronzezeit – Europa ohne Grenzen“.

 

Hier sind Kostbarkeiten aus 6000 Jahren Menschheitsgeschichte, Zeugnisse vielfältigster Kulturen vom Atlantik bis zum Ural zu sehen. Museen verschiedener Länder haben dafür zusammengearbeitet, unter anderem die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin. Eine Sommerreise an den Ostrand des Finnischen Meerbusens lohnt sich für Kulturinteressierte in diesem Jahr also unbedingt – und zwar ganz unabhängig von der politischen Debatte, die nun durch die Querelen um die Eröffnung zum Tagesthema wurden.

Russen sehen Beutekunst als kulturelle Wiedergutmachung

Man sollte der Petersburger Ausstellung nicht das Unrecht antun, sie platt als „Beutekunst-Ausstellung“ zu titulieren. Richtig ist, dass in der Ausstellung auch zahlreiche Stücke zu sehen sind, die sich einst im deutschen Besitz befanden, zum Beispiel der 80-teilige Eberswalder Goldschatz aus dem 9. Jahrhundert vor Christus, gefunden 1913 in Brandenburg und bald darauf im Besitz des Staatlichen Museums für Vor- und Frühgeschichte in Berlin. Gemeinsam mit anderem Museumsgut wurde dieser Goldschatz am 1. Juni 1945 von der sowjetischen Armee per Flugzeug nach Moskau verbracht – als Teil, so sahen es die Russen, „kultureller Wiedergutmachung“.

Völkerrechtlich ist die Angelegenheit klar: Nach der Haager Landkriegsordnung ist derartige Beutekunst zurückzugeben, und just dies haben Deutschland und Russland 1992 auch wechselseitig zugesichert. In Moskau wuchs aber über die Jahre der Widerstand gegen eine Rückgabe, zunächst im Parlament, der Duma, dann auch in der Regierung. 2008 hat die Duma ein weiteres Mal jedwede Kulturbeute aus dem Zweiten Weltkrieg zum Staatsbesitz erklärt.

Auch kulturell ist verbannte Erde hinterlassen worden

Die Russen sprechen in diesem Zusammenhang auch nicht von Beutekunst, sondern von „Kriegstrophäen“. Sie weisen auf die grauenhaften Verwüstungen hin, welche die Deutschen zuvor in vier Jahren Ostfeldzug in der Sowjetunion angerichtet haben. Die slawischen Völker galten den Nazis bekanntlich als minderwertig; was an Kulturgütern aus ihrer Sicht trotzdem Wert hatte, wurde nach Deutschland verschleppt und verschwand vielfach in Privatsammlungen, alles Übrige wurde oft vernichtet. Angesichts derart auch kulturell verbrannter Erde sehen viele Russen die deutschen Museumsschätze als gerechten Ausgleich. Die aktuelle Schau in Petersburg ist darum ein wichtiger Schritt, allem rechtlichen Streit zum Trotz, Kulturgüter der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen – in einem europäischen Rahmen.