Das deutsch-türkische Verhältnis befindet sich im freien Fall. Das sollte ein Thema für die Nato sein, meint unser Berliner Korrespondent Christopher Ziedler.

Berlin - Wo soll das enden? Die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei, die beide Mitglieder der Nato sind, befinden sich im freien Fall. Tiefschlag folgt auf Tiefschlag, nun hat der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan zur Nichtwahl von CDU, SPD und Grünen aufgerufen. Das ist ein unglaublicher Vorgang – auch weil Erdogan damit erneut die deutsch-türkische Gemeinde in der Bundesrepublik aufzuwiegeln versucht. Um die Eskalationsspirale zu stoppen, hat auch die Bundesregierung kein Rezept. Weder hat die monatelange Beschwichtigungsstrategie etwas bewirkt, noch kann die zuletzt härtere Gangart mit Investitions- und Reisewarnungen für die Türkei bisher Erfolge verbuchen.

 

Es steht außer Frage, dass Erdogan die Hauptverantwortung für die Verschlechterung der Beziehungen trägt. Doch haben auch Deutschland und die EU ihren Anteil daran, dass die proeuropäischen Kräfte in der Türkei so schwach sind. Das jahrelange Vertrösten des Landes, als es noch reformbereit und Europa zugewandt war, rächt sich nun. Erdogan versteht es meisterhaft, aus dieser Enttäuschung politisches Kapital zu schlagen. Es wird höchste Zeit – möglicherweise nach der Bundestagswahl und im Nato-Rahmen – zu besprechen, wie es zwischen den Verbündeten Deutschland und Türkei weitergehen kann.