Nach dem schweren Zugunglück von Bad Aibling fordert die Opposition im Bundestag Aufklärung über Lücken im Notrufsystem der Deutschen Bahn. Einen Bericht, das Funknetz an der Unglücksstrecke sei intakt gewesen, kommentieren die Ermittler nicht.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Berichte der Stuttgarter Zeitung zu den vielen hundert Funklöchern, die bundesweit im Notrufsystem der Deutschen Bahn entlang von Schienenstrecken existieren, haben auch die Verkehrsexperten im Deutschen Bundestag alarmiert. Sowohl die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen als auch die Linken verlangen nun mit umfangreichen Kleinen Anfragen mehr Aufklärung von der Bundesregierung. Dabei geht es auch um die Zugkollision von Bad Aibling, bei der es am 9. Februar elf Tote und 85 Verletzte gab. An der Unglücksstrecke ist in den DB-Streckenmängel-Listen, die der StZ vorliegen, ein bereits seit Mitte 2010 bestehendes, 400 Meter großes Funkloch beim Bahnhof Kolbermoor auch noch zum Zeitpunkt des Unfalls dokumentiert.

 

Messungen durch das Landeskriminalamt

Bisher ist ungeklärt, warum zwei Notrufe des beschuldigten Fahrdienstleiters, die den tödlichen Unfall noch hätten verhindern können ins Leere gingen, Die bayerische Landesregierung hatte nach den Berichten der Stuttgarter Zeitung das Landeskriminalamt (LKA) mit Messungen zur Funkabdeckung an der Strecke beauftragt. Nach einer unbestätigten Meldung des Magazins „Der Spiegel“ soll inzwischen das Ergebnis der LKA-Messungen vorliegen, wonach das bahneigene Funknetz dort offenbar lückenlos arbeite. Weder das LKA, die bayerische Regierung noch die zuständige Staatsanwaltschaft Traunstein wollten den Bericht jedoch kommentieren.

Bisher bestreiten die Deutsche Bahn AG, die das bundeseigene Schienennetz betreibt, und das Eisenbahnbundesamt (EBA) als Kontrollbehörde, dass die vielen Funklöcher an Bahnstrecken bundesweit ein Sicherheitsproblem darstellen. Der Bahnsprecher der Grünen, Matthias Gastel, fordert deshalb zusammen mit anderen Verkehrsexperten seiner Fraktion von der Bundesregierung Aufklärung, auf wie vielen und welchen Streckenabschnitten das Zugfunksystem GSM-R nicht oder nur eingeschränkt verfügbar ist. Außerdem wollen die Abgeordneten wissen, welche Ursachen die Funklöcher haben und wie die Bundesregierung die Lücken im Zugfunk- und Notrufsystem bewertet. Auskunft soll Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) auch darüber geben, in welchen Abständen die Funkabdeckung entlang des bundeseigenen Schienennetzes überprüft wird und wann die Unglücksstrecke bei Bad Aibling zum letzten Mal in dieser Hinsicht kontrolliert wurde.

Ersatzsignale hebeln automatische Steuerung aus

Die Abgeordneten fragen zudem, welche Konsequenzen die Bundesregierung aus den Angaben der Ermittler zieht, dass Notrufe nicht mehr bei den Lokführern ankamen. Mit Blick auf den beschuldigten Fahrdienstleiter, der die Züge auf eingleisiger Strecke per Ersatzsignal auf Kollisionskurs geschickt hat, verlangt die Opposition zudem Aufklärung, wie sich die Anzahl dieser Ersatzsignale seit 2005 entwickelt hat und ob hier die „Hemmschwelle“ gesunken sei. Mit Ersatzsignalen können Fahrdienstleiter die automatischen Zugsicherungssysteme aushebeln, die Kollisionen verhindern sollen. Beim Unglück nahe Bad Aibling hatte der Verantwortliche im Stellwerk einen verspäteten Regionalzug mit Ersatzsignalen auf eine eingleisige Strecke geschickt, obwohl im nächsten Bahnhof Kolbermoor der Zug in Gegenrichtung ebenfalls losfuhr. Kaum zwei Minuten später prallten die Züge in einer Kurve aufeinander.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft lehnte auf mehrfache Anfrage weitere Auskünfte zum Stand der Ermittlungen ab. Als Begründung heißt es, der Ermittlungserfolg drohe „durch die fortlaufende Bekanntgabe von Ermittlungsdetails“ gefährdet zu werden. Zudem sei der Sachverhalt komplex. Offen bleibt damit auch die Frage, ob die Ermittler den Unfallhergang auf der Strecke doch noch minutengenau rekonstruieren wie zunächst vorgesehen.