Die Spitze der Deutschen Bank will mit neuen Leitlinien einen Kulturwandel im Unternehmen bewirken. Bei Fehlverhalten soll es Sanktionen geben. Dies kommt in der Belegschaft nicht gut an.

Nachrichtenzentrale: Andreas Schröder (sö)

Stuttgart - Die Führungsspitze der Deutschen Bank ist in die Offensive gegangen, um das Image des Instituts aufzupolieren. Die Skandale und Negativschlagzeilen der vergangenen Jahre haben die Co-Chefs Jürgen Fitschen und Anshu Jain dazu veranlasst, einen „Kulturwandel“ anzukündigen. Manipulation von Zinsen, Steuerbetrug und angebliche Bilanztricksereien – dies sind nur einige der Vorwürfe, denen sich die Bank ausgesetzt sieht. Sechs neue Leitlinien ersetzen sechs Grundsätze, die mehr als zehn Jahre alt sind. Nach zehn Monaten „intensiven Dialogs“ habe die Bank „einen wichtigen Meilenstein erreicht“, teilten Fitschen und Jain in der vergangenen Woche bei der Veröffentlichung der neuen Grundsätze mit. „Jetzt beginnt die Arbeit erst richtig“, sagt dazu Joachim Fetzer, der geschäftsführende Vorstand des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik in Berlin. Es dauere Jahre, bis sich ein Kulturwandel auf allen Ebenen eines Unternehmens vollzogen habe. „Die Vorstellung, dass die Bank in drei Monaten eine andere ist, ist absurd“, meint Fetzer.

 

Als positives Beispiel für eine über Jahre stetig gewachsene neue Unternehmenskultur nennt der Theologe und Wirtschaftswissenschaftler BASF. Dem Ludwigshafener Chemiekonzern sei es gelungen, glaubwürdig die wirtschaftlichen Ziele mit den ökologischen und denen der Nachhaltigkeit zu verbinden. Vor etwa 15 Jahren habe der Chemiekonzern mit dem Wertewandel begonnen.

Wer die Homepage der Deutsche Bank aufruft, bekommt derzeit den Willen zum Wandel plakativ vor Augen geführt. „Die neuen Werte und Überzeugungen der Deutschen Bank“ lauten: Integrität, nachhaltige Leistung, Kundenorientierung, Innovation, Disziplin, Partnerschaft. Komplett neu sind die Werte nicht, vieles wurde konkretisiert. Unter dem als ersten genannten Begriff Integrität beispielsweise ist vermerkt: „Wir tun das, was nicht nur rechtlich erlaubt, sondern auch richtig ist.“ Nachhaltige Leistung soll heißen: „Wir schaffen Wert für unsere Aktionäre, indem wir langfristigen Erfolg über kurzfristige Gewinne stellen.“In Internetforen erntet die Deutsche Bank für ihren Vorstoß Häme; kalter Kaffee, andere Unternehmen hätten solche Grundsätze schon lange, heißt es. Es werde sich ohnehin nichts ändern, befürchten Mitarbeiter. Fetzer hält bissige Kommentare und Resignation für unangebracht, die Entscheidung des Vorstands, zu überprüfen, „passt unser Handeln noch in die Zeit“, sei richtig. Zudem seien Wertebegriffe immer abstrakt; wichtig sei, wie sie ausgefüllt würden. Dass die Bank im zweiten Quartal für Rechtsstreitigkeiten weiteres Geld auf die Seite gelegt habe und sich die Rückstellungen mittlerweile auf drei Milliarden Euro belaufen, zeige: Fehlverhalten kostet das Institut enorm viel Geld. „Der von der Doppelspitze Jain und Fitschen ausgerufene Wertewandel ist im zweiten Quartal mit Zahlen unterlegt worden“, sagt Fetzer.

Der neue Kodex könne auch zu einem neuen Leitspruch der Bank führen, denn „Leistung aus Leidenschaft“ sei beispielsweise mit dem Ziel „nachhaltiger Leistung“ nicht vereinbar. „Leidenschaft bedeutet etwas Zügelloses, Ungehemmtes. Nachhaltigkeit hingegen beinhaltet Kontrolle und Überlegung“, erläutert der Wirtschaftsethiker, der darauf hinweist, dass die Bank in den vergangenen Jahren mehrmals ihr Motto geändert habe: Auch mit dem soliden „Vertrauen ist der Anfang von allem“ und dem kraftvollen englischsprachigen „Leading to results“ hatte sich die Bank schon am Markt präsentiert.

Ohne dass die knapp 100 000 Beschäftigten mitspielen, lässt sich der Wandel nicht vollziehen. Fetzer geht davon aus, dass ein erheblicher Teil der Mitarbeiter den Plänen der Führung zunächst misstrauisch gegenübersteht. „Viele fragen sich sicher: Haben wir in der Vergangenheit alles falsch gemacht, und stehen wir nun unter Generalverdacht?“ Wenn bei den Mitarbeitern dieser Eindruck entstehe, „dann ist der Prozess tot“. Anderseits gehe es bei Fehlverhalten nicht ohne die vom Vorstand angekündigten Sanktionen wie Bonikürzungen und Strafzahlungen, um glaubwürdig zu bleiben. Ein Strafenkatalog galt bereits für Führungskräfte, die Regelungen sollen nun auf alle Mitarbeiter ausgedehnt werden.

Die Arbeitnehmervertreter haben wegen der geplanten Strafen Gesprächsbedarf. „Was mir zu stark herausgestellt wird, sind die Kontrollen und Sanktionen“, sagte der Konzernbetriebsratschef und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Alfred Herling im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. Es gebe im Haus bereits viele Richtlinien, nach denen Fehlverhalten geahndet werden könne. In den kommenden Wochen müsse geklärt werden, was genau sich das Management unter Sanktionen im Falle möglicher Verstöße vorstelle. Entscheidend ist für den Verdi-Mann eher, „wie die Werte vom Management . . . vorgelebt werden“. Kulturwandel dürfe nicht heißen, die Mitarbeiter „an der ganz kurzen Leine“ zu führen. Ein anderer Arbeitnehmervertreter drückt dies im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung drastischer aus: „Die Beschäftigten müssen agieren können, ohne dass ihnen ständig einer aus den Frankfurter Bankentürmen auf die Finger haut.“

Die Bank wandelt laut Fetzer auf einem schmalen Grat. Fitschen und Jain hätten mit ihrer ausgerufenen umfassenden Erneuerung hohe Erwartungen geweckt. Der Wirtschaftsethiker ist der Ansicht, dass sich das Institut in absehbarer Zeit wieder öffentlichen Diskussionen stellen muss: „Das nächste größere Fehlverhalten bei der Deutschen Bank wird sofort als schlechtes Zeichen für die Durchsetzbarkeit der neuen Kultur gewertet.“