Deutschland sollte die Kritik der EU am Exportüberschuss ernst nehmen – im eigenen Interesse, meint StZ-Brüssel-Korrespondent Christopher Ziedler.

Brüssel - Die Abwehrreflexe sind, da Deutschland wegen seines hohen Exportüberschusses nicht zum ersten Mal in der Kritik steht, bekannt: Warum in aller Welt wollen sie in Brüssel, dass die erfolgreichen deutschen Unternehmen, Europas scheinbar letzte Konjunkturlokomotiven, weniger ausführen? Soll sich die wirtschaftlich so erfolgreiche Bundesrepublik etwa absichtlich klein machen, um manchem neidischen EU-Partner zu gefallen?

 

Es geht aber nicht darum, dass BASF, Daimler oder Siemens weniger verkaufen sollen, sondern um volkswirtschaftliche Zusammenhänge. Ein steigender Leistungsbilanzüberschuss ist eben nicht nur Ausdruck von Qualität und Innovationskraft, sondern auch von Nachfrageschwäche und Investitionsstau. Anders ausgedrückt: Die Menschen in Deutschland konsumieren nicht so viel, wie es der Wirtschaftskraft entspräche – weil sie nicht können oder wollen, da etwa in Anbetracht der demografischen Entwicklung für das Alter gespart wird. Ganz ähnlich die öffentliche Hand, die sich mit Zukunftsinvestitionen stärker zurückhält als nötig. Die sinkende Investitionsquote spricht Bände.

Die Ausfuhrüberschüsse der einen sind die Haushaltslöcher der anderen

Mehr aus Eigeninteresse denn aus europäischer Solidarität sollte Deutschland die Brüsseler Kritik deshalb ernst nehmen und nicht nur als Folklore abtun. Der hohe Überschuss schadet der eigenen Zukunftsfähigkeit stärker als der Währungsunion. Es ist richtig, dass manche Euroländer, Frankreich zumal, auf höhere Löhne und mehr Konsum auch französischer Produkte in Deutschland hoffen, was zu einer wirtschaftlichen Belebung und geringeren Defiziten links des Rheins führen könnte. Nicht zuletzt deswegen ist die Einführung des Mindestlohns außerhalb Deutschlands stärker gefeiert worden als im Inland. Man sollte tatsächlich nicht leichtfertig darüber hinweggehen, dass die Ausfuhrüberschüsse der einen die Haushaltslöcher der anderen sind, mit denen sie ihre Exportdefizite finanzieren. Lange Jahre hat etwa niemand Einwände dagegen erhoben, dass im wenig wettbewerbsfähigen Griechenland massenhaft deutsche Autos gekauft werden.

Innerhalb der Währungsunion trägt Deutschland inzwischen jedoch weniger stark zum ökonomischen Ungleichgewicht bei – ein Großteil des Exportüberschusses geht auf die Ausfuhren außerhalb Europas zurück. Im Sinne eines starken Europa in der Welt kann das so falsch nicht sein. Die Bundesregierung sollte die Kritik aus Brüssel dennoch nicht leichtfertig ignorieren – vorrangig im, wie gesagt, eigenen Interesse.