Anna-Karina Becker von der Uni Hohenheim dachte zunächst, sie sei bei den deutschen Hochschulmeisterschaften Zweite geworden. Weil sie als Zweite durch Ziel ist. Doch sie hatte sich geirrt, die 23-Jährige hat den Titel gewonnen.

Hohenheim/Kassel - Das Kasseler Auestadion hat eine lange, traditionsreiche Geschichte in der Leichtathletik. Die deutschen Meisterschaften der Aktiven 2011 und Europacupwettbewerbe wurden dort absolviert und sogar zwei Weltrekorde aufgestellt. Am diesjährigen Vatertag hat sich auch Anna-Karina Becker in den Annalen der Sportstätte in Nordhessen verewigt: Die 23-jährige Studentin der Universität Hohenheim hat bei den deutschen Hochschulmeisterschaften den Titel über 800 Meter bei den Frauen gewonnen. „Mein Ziel war eigentlich nur eine Platzierung unter den besten Sechs. Dass ich eine Chance habe, zu gewinnen, hätte ich nie gedacht“, sagte die Mittelstrecklerin des VfL Sindelfingen nach ihrem Triumph.

 

Die Siegerin lief außer Konkurrenz

Als Becker nach den zwei Stadionrunden ins Ziel lief, dachte sie eigentlich, sie hätte den zweiten Platz belegt, schließlich war die Hessin Ronja Böhrer noch drei Sekunden schneller als die Hohenheimerin. Erst Funktionäre des Allgemeinen Hochschulsportverbands (adh) klärten sie auf, dass ihr zweiter Platz gleichbedeutend mit der Goldmedaille ist, denn die Siegerin lief außer Konkurrenz, weil sie keine eingeschriebene Studentin ist und den Lauf nur zu Trainingszwecken absolviert hatte. „Die Überraschung und die Freude waren für mich dann umso größer“, sagt Becker, die am Ende 0,66 Sekunden Vorsprung auf Leonie Gieser (Uni Frankfurt/M.) ins Ziel gerettet hatte. Die Uhr war für sie bei 2:17,14 Sekunden stehengeblieben, knapp eine Sekunde über ihrer persönlichen Bestzeit.

Dass Anna-Karina Becker vom Gewinn des deutschen Hochschultitels so überrascht war, lag nicht zuletzt daran, dass die vergangenen Monate der Sportlerin so ganz und gar nicht nach Plan liefen. Im Winter wurde sie durch eine Schambeinentzündung außer Gefecht gesetzt, anschließend fing sie sich dann auch noch einen hartnäckigen Infekt ein. „Mein Vereinstrainer Harald Olbrich und ich hatten für Kassel eigentlich keine großartigen Erwartungen. Er sagte, ich solle einfach mal laufen und genau das habe ich getan“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin, die kürzlich den ersten Teil ihres Studiums mit dem Bachelor abgeschlossen hat.

Mittlerweile auf den 800 Metern zuhause

Weiter geht es dann im Herbst in Tübingen, München oder in Hohenheim mit dem Master. „Ich würde gerne hier bleiben. Mir gefällt die Uni, und auch in die Stadt Stuttgart habe ich mich längst verliebt“, sagt die junge Frau vom Bodensee, die in Singen Abitur gemacht und ihre Leichtathletik-Karriere beim TV Engen begonnen hat. Ursprünglich noch Siebenkämpferin und Sprinterin, ist sie mittlerweile auf den 800 Metern zuhause. „Mein Trainer hat mich davon überzeugt und inzwischen glaube ich auch, dass ich auf dieser Strecke gut aufgehoben bin“, sagt Becker, die zwischenzeitlich eine zweijährige Leichtathletikpause eingelegt hatte.

Das nächste große Ziel sind die baden-württembergischen Meisterschaften in dreieinhalb Wochen in Heilbronn. Dort soll es mindestens in den Endlauf, im Idealfall sogar in Richtung Medaillen gehen. „Ich möchte meine Bestzeit von 2:16 Minuten in dieser Saison noch um mindestens zwei bis drei Sekunden steigern“, sagt Becker, die nach Heilbronn auch noch die süddeutschen Titelkämpfe in Kaiserslautern im September anpeilt. Ob es für die Mittelstrecklerin des VfL Sindelfingen in diesem Sommer sogar erstmals zur Teilnahme an den deutschen Meisterschaften (26. und 27. Juli in Ulm) reicht, ist fraglich. Die Qualifikationsnorm liegt bei 2:11 Minuten. „Das ist nicht unerreichbar, aber ich glaube, dass mir durch meine Krankheit und Verletzung zu viele Wettkämpfe fehlen, um das zu schaffen“, sagt Becker.

Zehn Trainingseinheiten wären nötig, das ist ein Problem

Die Motivation, den Anschluss an die deutsche Spitze zu schaffen, sei durchaus vorhanden, sagt die neue Hochschulmeisterin. Ein Problem sind noch die Trainingsumfänge: Sechs Einheiten schafft Becker pro Woche, nötig wären aber zehn. „Ich weiß nicht, ob ich das angehen werde. Mein Privatleben und mein Studium sind mir auch wichtig“, sagt sie.