In Stuttgart hat das Publikum über den neuen deutschsprachigen Meister im Poetry Slam entschieden – und der ist kein Unbekannter.

Stuttgart - „Wo ist meine Spätzlepresse?“, fragt Philipp Scharrenberg auf der Bühne des Beethovensaals in der Liederhalle. Die Ränge sind bereits leer, am Boden liegt das zur Siegerehrung in die Luft gefeuerte Lametta. Die Security weist an, dass man die Bühne doch nun bitte räumen solle. Ah, da hinten steht ja die Trophäe, die goldene Spätzlepresse. Scharri, so sein Künstler- und Spitzname, bei dem ihn die gratulierenden Kollegen rufen, schnappt sie sich und wird noch schnell für ein Foto zum Vorjahressieger Jan Philipp Zymny gezerrt. Philipp knutscht Jan Philipp auf die Wange.

 

Scharrenberg ist seit Freitagabend der neue Meister im deutschsprachigen Poetry Slam. Zum zweiten Mal. Bereits 2009 konnte er die Dichterschlacht für sich entscheiden. Es ist also was aus ihm geworden, obzwar er doch nach eigenen Angaben mit der bitteren Diagnose „manisch-kreativ“ zur Welt gekommen sei. Schon als Kind habe er geschrieben, geschauspielert, gerappt. 2006 sah er dann zum ersten Mal einen Poetry Slam und verstand: Er war nicht krank. Nur anders.

Kehrwochenkalauer und ein interaktives Gedicht

Wer diesen Titel holt, egal ob ein- oder mehrfach, hat schon einiges auf dem Kasten. Denn er erzählt immer eine Geschichte vieler Siege: Um unter die 110 Meisterschaftsteilnehmer zu gelangen, die seit Mittwoch auf etlichen Stuttgarter Bühnen fabulierten, muss in den meisten Fällen zunächst ein bedeutender Poetry Slam im deutschsprachigen Raum gewonnen werden. Scharrenberg startete für das Wortgefecht Nürnberg. In der Vorrunde setzte er sich im Wizemann durch, das Halbfinale überstand er in der Alten Stuttgarter Reithalle. Und schließlich überzeugte er auch das Finalpublikum in der Liederhalle.

„Meinen ersten Slam hatte ich in Stuttgart, in der Rosenau!“, erzählt der 40-Jährige, der an der hiesigen Medienhochschule seinen Master of Arts als Medienautor gemacht hat. Mit einer in der baden-württembergischen Landeshauptstadt spielenden Erzählung ist er auch ins finale Stechen eingezogen. Der Abschlusssatz: „Stuttgart – manchmal fehlst du mir.“ Das kann man kritisieren, Texte mit Lokalkolorit kommen freilich immer gut an. Doch mit seinem Siegervortrag bewies er, dass er’s auch ohne Kehrwochenkalauer („In unserer WG gab’s nur die ‚I don’t kehr‘-Woche“) kann: „Mork, der Orc“ ist ein interaktives Gedicht. Die Menge entscheidet an Weggabelungen per Zuruf über Morks Schicksal. Das Fabelwesen sumpfte am Ende ab. Mit Scharri meinten es die Juroren zum Glück besser.