In der Union stoßen die strikten Exportregeln von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) auf Bedenken. Auch Betriebsräte setzen die SPD unter Druck.

Berlin - Manche Abgeordnete wollten nicht glauben, was sie gerade hörten. Als Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vor kurzem im Wirtschaftsausschuss berichtete, welche Waffengeschäfte der Bundessicherheitsrat auf seiner jüngsten Sitzung genehmigt hat, waren einige der Parlamentarier entsetzt. Deutsche Unternehmen erhielten die Erlaubnis, knapp 500 Nachtsichtgeräte für Gewehre in den Libanon auszuführen. Genehmigt wurden zudem 50 Infrarot-Nachtsichtgeräte und 225 Zielfernrohre für Gewehre an Saudi-Arabien. Auch Radargeräte für Algerien wurden genehmigt. In den Augen einiger Abgeordneten handelte es sich dabei nur um Kleinigkeiten. „Eigentlich hätten Aufträge in Milliardenhöhe genehmigt werden sollen“, heißt es in informierten Kreisen. Doch Gabriel macht ernst mit seinem restriktiven Kurs bei Waffenexporten.

 

Am kommenden Mittwoch wird sein Staatssekretär Stefan Kapferer den Rüstungsexportbericht der Regierung für 2013 vorstellen. Ursprünglich wollte Gabriel selbst vor die Medien treten, doch er entschied sich um. Gabriels Sprecher erklärt dies damit, dass der Minister seinen Vorgänger Philipp Rösler (FDP) wegen der früheren Rüstungsexportpolitik nicht öffentlich maßregeln wolle. Die Ansage des SPD-Chefs ist klar: Künftig will er weniger Waffengeschäfte ins Ausland erlauben. Ein Insider berichtet, Gabriel wolle nur einen kleinen Teil der bisher üblichen Waffengeschäfte ins Ausland billigen. Das bringt nicht nur die Unternehmen auf die Palme, sondern auch die Wirtschaftspolitiker, die sich Sorgen um die Zukunft der Industrie machen.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Joachim Pfeiffer, sagte der Stuttgarter Zeitung: „Ich bin fassungslos.“ Deutschland werde seiner außen- und sicherheitspolitischen Verantwortung nicht gerecht, sagt Pfeiffer. Er argumentiert, die Regierung müsse darauf achten, dass die deutschen Waffenfirmen im internationalen Verbund mithalten könnten. Weil ausländische Kunden fürchten, dass Aufträge am Bundessicherheitsrat scheitern, geht in der Branche das Wort „German free“ um: nur keine deutsche Beteiligung. Intern sollen einige Unternehmen schon über Standortverlagerungen nachdenken. Es geht nicht nur um Arbeitsplätze, sondern auch um den technologischen Vorsprung.

Betriebsräte machen den Genossen Druck

Auch in der SPD-Fraktion sorgt die restriktive Haltung des Wirtschaftsministers für Unruhe. Zwar wird dessen Kurs im Grundsatz für gut befunden, zumal sich die SPD im Wahlkampf für einen kritischeren Umgang mit Rüstungsexporten ausgesprochen hatte. Aber in jenen Wahlkreisen, in denen die Rüstungskonzerne ihre Standorte haben, stünden schon „die Betriebsräte den Abgeordneten auf den Füßen“, heißt es.

Gabriel mache seine Doppelfunktion zu schaffen. Als SPD-Chef müsse er den Willen der Partei berücksichtigen. Als Wirtschaftsminister sei er aber zugleich den knapp 100 000 Beschäftigten in der Rüstungsindustrie verpflichtet. Um sich die Rückendeckung der SPD-Abgeordneten zu sichern, hat sich Gabriel jüngst im kleinen Kreis mit Fachpolitikern zusammengesetzt. Dabei zeigte er sich im Detail offen für Ratschläge, blieb aber in einem Punkt hart. Sobald Waffen zur Unterdrückung des eigenen Volkes genutzt werden könnten, will Gabriel sein Veto einlegen. Doch die Unterscheidung ist schwer zu treffen. Außerdem muss Deutschland darauf achten, dass Frankreich, Großbritannien und die USA wenig Bedenken haben und aggressiv um Marktanteile kämpfen.

Gabriels Problem ist nach Ansicht von Parteifreunden, dass er die Latte sehr hoch gelegt hat. Mit viel Pathos hatte er mehrfach betont, dass künftig nicht mehr das wirtschaftliche Interesse entscheidend sei. Aber selbst wenn er, wie jüngst vom „Spiegel“ berichtet, zwei Drittel aller Exportanfragen ablehnen sollte, wird der Opposition aus Grünen und Linken das verbleibende Drittel genügen, ihn vor sich her zu treiben und unglaubwürdig zu nennen.

Mitte Mai erhielt Gabriel darauf einen Vorgeschmack. Die Opposition hielt ihm vor, dass in seiner kurzen Amtszeit mehr Exporte in Drittstaaten außerhalb von EU und Nato bewilligt worden seien, als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Seine Begründung, er habe sich Zusagen der Vorgängerregierung verpflichtet gefühlt, ging unter.