Regisseur Michael Obert hat mit „Song from the Forest“ den Deutschen Dokumentarfilmpreis gewonnen. Verliehen wurden die Auszeichnungen in Ludwigsburg.

Ludwigsburg - Eigentlich hat Michael Obert es nicht so mit Bildern, schon gar nicht mit bewegten. Was der 49-Jährige auf seinen Reisen erlebt, schreibt er auf. Wörter, Sätze, Sprache – das ist sein Metier. Als Reisejournalist berichtet er aus fernen Ländern, sein Roman „Regenzauber“ schaffte es vor rund zehn Jahren sogar auf diverse Bestsellerlisten. Und jetzt ist er also Filmemacher.

 

Diesen Sinneswandel verdankt er vor allem Louis Sarno und seiner Geschichte: einem Musikforscher, der auf der Suche nach einer Melodie in den zentralafrikanischen Regenwald ging und nicht mehr zurückkehrte. Obert machte sich auf die Suche nach Sarno und streifte quer durch den Tropenwald, bis er ihn schließlich aufspürte. „Die erste Begegnung war wie aus einem Hollywoodstreifen“, erinnert sich der Filmemacher, denn Louis Sarno lebt heute mit dem Stamm der Bayaka-Pygmäen. Mitten im Urwald, mitten im Nichts, und er ist dort glücklich.

„Zwei Jahre lang hat mich seine Geschichte fasziniert. In dieser Phase erzählte ich meinem späteren Produzenten davon. Er meinte, daraus müsse ein Film werden. Ich hatte das noch nie gemacht, aber er zuckte nur die Schultern: dann eben jetzt.“ Und so machte in diesem Jahr ein Erstling das Rennen beim Deutschen Dokumentarfilmpreis, der beim Dokville-Festival nun zum vierten Mal vergeben wurde. Michael Oberts „Song from the Forest“ setzte sich gegen die Konkurrenz durch und errang den mit 20 000 Euro dotierten Hauptpreis.

Gesellschaftskritisch sind sie alle

Von den ursprünglich 140 eingereichten Filmen standen am Donnerstagabend bei der Preisverleihung in Ludwigsburg noch zwölf auf der Shortlist. Auf den ersten Blick hatten sie nicht viel gemeinsam. Die Perspektiven erschienen denkbar unterschiedlich, die Themen höchst vielfältig. Erst bei genauerem Hinschauen wurde deutlich: Die kritische Sichtweise verbindet sie über alle thematischen und formalen Grenzen hinweg dann doch. Kritik am Finanzsystem, am sozialen Abstellgleis, am Klimawandel. Der Dokumentarfilm sei per se ein politisches Genre, meinte der SWR-Fernsehdirektor Christoph Hauser bei der Preisverleihung: „Sie haben den Anspruch, gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen. Sie schauen hin, wo es wehtut.“

„Am Kölnberg“ überzeugte dabei mit besonders eindringlichem Blick. Der Dokumentarfilm von Laurentia Genske und Robin Humboldt porträtiert Menschen, die ganz unten gelandet sind: in der Trabantensiedlung am Kölner Stadtrand. „Guten Morgen, ihr Wichser“, schreit es da vom Balkon. Gemütlich ist anders. Doch die siebenköpfige Jury lobte das Besondere und Schöne, das „Am Kölnberg“ „im scheinbaren Abgrund“ erkennt. Das Erstlingswerk erhielt den vom Haus des Dokumentarfilms gestifteten Förderpreis.

Mit Parallelwelten beschäftigt sich auch „Der Banker – Master of the Universe“, Marc Bauders dokumentarischer Einblick in das Finanzsystem, der sich den Preis der Stadt Ludwigsburg sicherte. Eine Mischung aus Innen- und Außenansicht, aus Fiktion und Realität, so die Jury. Bauders Protagonist, ein ehemaliger Banker, sitzt während dieses Drahtseilaktes meist in einem leeren Gebäude im Frankfurter Bankenviertel. Das zu finden war nicht schwer, erinnert sich Bauder: „Rund zehn Prozent der Gebäude dort stehen leer. Man sieht es von außen nur nicht, weil sie verspiegelt sind.“ Für den Film sei das geradezu sinnbildlich. „Wenn man nicht reingeht, fällt einem nicht auf, dass das Ding schon viel hohler ist, als man denkt.“

Auch die Jury zeigte sich begeistert von der starken Bildsprache des Films. Das Gebäude werde zum zweiten Protagonisten eines Werks, das den Schlüssel zu einem Thema finde, das in seinen Details als komplexes Rätsel vor uns stehe, so die Laudatio.