Der neue Topmanager des Skiverbandes kommt wie der Präsident aus Stuttgart. Dort stand er einst vor dem Landgericht, das der DSV-Chef damals leitete. Es ging auch um eine Schweizer Firma, um die es jetzt wieder Unstimmigkeiten gab.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Deutsche Skiverband (DSV) war voll des Lobes für seinen neuen Generalsekretär. Mit Florian Kurz habe man „den aus unserer Sicht idealen Nachfolger“ für den altershalber ausscheidenden Amtsinhaber gefunden, verkündete der DSV-Präsident Franz Steinle. Neben seinen „vielschichtigen fachspezifischen Kompetenzen“ verfüge der 43-Jährige über „ein hohes Maß an Erfahrung in der strategischen und operativen Führung von Organisationen sowie in der Gremienarbeit“. Damit bringe er alle Voraussetzungen mit, um den Dachverband von 650 000 Skisportlern – schon bisher einer „der erfolgreichsten weltweit“ – weiterzuentwickeln. Zum 1. Januar 2016 werde Kurz zudem Geschäftsführer der DSV-Gesellschaften für Leistungssport und Verwaltung.

 

Der Dienstsitz des Generalsekretärs befindet sich zwar in Planegg bei München, in der Verbandszentrale namens „Haus des Ski“, doch auf besonderes Interesse – und auch Verwunderung – traf die Personalie in Stuttgart. Von dort stammen sowohl der ehrenamtliche Präsident als auch sein neuer Topmanager. Der promovierte Jurist Steinle (66) ist hauptberuflich Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart, davor leitete er jahrelang das Landgericht. Nebenher engagiert sich der passionierte Skiläufer seit Jahrzehnten im Skisport, seit 2013 als DSV-Chef; 2016 stünde seine Wiederwahl an. Durch und durch korrekt, sei Steinle einer der integersten Sportfunktionäre weit und breit, loben ihn seine Leute.

Bei Porsche den Motorsport vermarktet

Florian Kurz hingegen hatte mit dem Skisport beruflich bisher wenig zu tun. Man habe sich „ganz bewusst für einen Seiteneinsteiger“ außerhalb der Verbandsstrukturen entschieden, bekundete das DSV-Präsidium. Der Betriebswirt mit Diplom aus Nürtingen und Zusatzqualifikation aus St. Gallen begann seine Karriere mit mehreren Jobs von bis zu zwei Jahren Dauer – so bis 2003 in der Gesellschaft für die Stuttgarter Olympia-Bewerbung, als Kurzzeit-Manager eines Tennisturniers und als Chef eines Mountainbike-Teams. In der offiziellen Erklärung des Verbandes wurden zwei Tätigkeiten hervorgehoben: bei Porsche und bei der Schweizer Firma ESB. Für den Sportwagenbauer war Kurz neun Jahre als „Leiter Business Relations“ tätig, zuständig für die weltweite Vermarktung des Motorsports. Den Posten im mittleren Management gab er aus unbekannten Gründen 2014 auf.

Bereits 2013, berichtete der Skiverband, sei Kurz in den Verwaltungsrat der ESB Marketing Netzwerk AG berufen worden, die „als führende Institution im professionellen Markt für Sport, Event und Marketing“ gelte. Die kleine Firma mit Sitz im schweizerischen Sankt Gallen, gegründet als „Europäische Sponsoring Börse“, vermittelte zunächst Knowhow und Kontakte im Sponsoring und Eventmarketing. Heute pflegt sie nach eigenen Angaben im deutschsprachigen Raum ein Netzwerk aus etwa 300 Markenpartnern, Agenturen und Vereinen und veranstaltet jährlich etwa zehn Kongresse. Zu Beginn seiner Laufbahn war Kurz dort einmal Assistent des Direktors, Hans-Willy Brockes, über die Jahre blieb er der Firma eng verbunden.

Fehlender Eintrag im Handelsregister

Auf der ESB-Internetseite ist der Stuttgarter in der Tat als einer von vier Mitgliedern des Verwaltungsrates ausgewiesen. Doch im Schweizer Handelsregister fand sich bei StZ-Recherchen kein entsprechender Eintrag – und das nach bald zwei Jahren. Die Meldung „fehlt tatsächlich“, bestätigte der Vorsitzende Brockes auf Anfrage, man werde sie nun „schnellstens nachholen“; er trage die Verantwortung für das Versäumnis. Kurz sei jedenfalls „ordentlich gewählt“ und gehöre dem Gremium an. Die Nichteintragung, heißt es beim DSV entschuldigend, sei „offenkundig eine Formalie“.

Es ist freilich nicht die erste Unstimmigkeit um Kurz und die ESB. Ins Zwielicht geriet die Beziehung bereits vor Jahren, als der heutige DSV-Generalsekretär noch Managing Director beim T-Mobile MTB Professional Cycling Team um den Mountainbike-Profi Lado Fumic war. Über seine private Beratungsfirma FK Communication rechnete Kurz damals angebliche Leistungen zweier PR-Büros ab, die davon indes überhaupt nichts wussten. Als das herauskam, gab er an, die Firmen nur als „Platzhalter“ eingesetzt zu haben. Später wurde für einen Teil des Betrages eine Rechnung von ESB nachgereicht, die freilich auffällig allgemein gehalten war. Zum Verdacht, es könne sich um eine Scheinrechnung gehandelt haben, wollte sich Kurz auf Anfrage nicht äußern.

Statt Geldstrafen am Ende eine Geldauflage

Diese und andere Vorwürfe um seine Rolle bei dem Mountainbike-Rennstall beschäftigten bis 2009 auch die Justiz. Wegen Betrugs in einem Fall und Untreue in mehreren Fällen erließ das Amtsgericht Stuttgart zunächst einen Strafbefehl über 120 Tagessätze gegen Kurz. Es ging auch um Nebeneinkünfte, von denen die Agentur für Arbeit nichts erfahren hatte, oder um fragwürdige Bewirtungsspesen; die angeblich Eingeladenen wussten von nichts. Nach einem Einspruch des Sportmanagers wurde das Strafmaß auf 90 Tagessätze reduziert. Vor dem Landgericht – damaliger Präsident: Franz Steinle – fand das Verfahren schließlich ein überraschendes Ende: Wegen geringer Schuld wurde es gegen eine Geldauflage in niedriger fünfstelliger Höhe eingestellt. Vorsitzender der zuständigen Kammer war übrigens just ein Richter, der sich, wie schon sein Vater, ehrenamtlich im Sport engagiert.

Nun, da Kurz’ Karrieresprung bekannt wurde, erinnerten sich diverse Beteiligte an die Prozesse – und waren nicht wenig erstaunt. Kannte der DSV-Präsident seinen neuen Generalsekretär womöglich schon aus dem Gericht? Nein, lässt Steinle ausrichten, weder geschäftlich noch beruflich habe irgendeine Verbindung bestanden. Von den jährlich 2500 Strafverfahren am Landgericht kenne er selbstverständlich nicht jedes einzelne. Zur ersten persönlichen Begegnung sei es erst im Rahmen des Bewerbungsverfahrens gekommen, und zwar in der dritten Runde. Gut siebzig Aspiranten sollen sich auf die Ausschreibung des attraktiven Postens gemeldet haben, der DSV-Chef, seine Stellvertreterin und ein Personalberater trafen die Vorauswahl; Letzterer habe auch die Referenzen überprüft. Am Ende sei die Wahl einstimmig auf den Stuttgarter gefallen.

Der Verband sieht keinerlei Unstimmigkeiten

Von dem Strafverfahren, teilte ein DSV-Sprecher mit, habe man erst durch die Anfrage der Stuttgarter Zeitung erfahren. Da es eingestellt und im Bundeszentralregister nicht eingetragen sei, habe Kurz nicht darauf hinweisen müssen. Aber auch in dessen Kenntnis wäre „die Auswahlentscheidung . . . nicht anders ausgefallen“. Mag sein – doch mit einem internen Hinweis hätte es der neue Generalsekretär seinem Präsidenten zumindest erspart, öffentlich als ahnungslos dazustehen. In der Stellenanzeige war schließlich ausdrücklich eine „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ gewünscht worden. Auch die DSV-Mitglieder hätte womöglich interessiert, warum Kurz zumindest in Stuttgart einen gemischten Ruf genießt. Doch diese waren weniger gefragt als zunächst angekündigt.

Die „offizielle Bestätigung als Generalsekretär“, hatte es bei der Bekanntgabe der Personalie geheißen, werde Kurz „bei der Verbandsversammlung im Oktober erhalten“. Seinen Job trat er indes schon im September an, ein Votum über seine Person gab es nicht mehr. Die versammelten Präsidenten der Landesskiverbände durften nur noch den Stellenplan für die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter bestätigen. So sei es in der Satzung klar geregelt, sagt ein DSV-Sprecher. Warum man von der ursprünglichen Ankündigung abwich, erläuterte er nicht. Auch zu der Agenda, die der Neue vorstellen sollte, wird jede Auskunft verweigert. Der Verband mag nicht einmal verraten, ob Kurz eigentlich Ski fährt; er selbst reagierte nicht auf Anfragen. Das Fazit des Deutschen Skiverbandes: Festzuhalten sei, dass es um den Generalsekretär „weder Unstimmigkeiten gab noch gibt“.