29 „Tatort“-Folgen gab Schauspieler Götz George den prolligen TV-Kommissar Schimanski - und wurde zum Kult. Auf den Spuren des rüpelhaften Ermittlers durch sein Revier in Duisburg.

Duisburg -„Du Idiot, hör auf mit der Scheiße!“ Damit fing es 1981 an. „Tatort“ aus Duisburg. Der Satz von Kriminalhauptkommissar Horst Schimanski saß - und der rau-herzliche Ton prägte von Stund an die Krimi-Serie im Ersten. Zehn Jahre lang. 29 Folgen. Oft kopiert und nie erreicht. Duisburg-Ruhrort. Zwischen Hafenbecken und Hundekacke. Hier hat Schimmi ermittelt, gesoffen und gepöbelt, hat schwere harte Jungs vermöbelt und leichte Mädchen betört. Hat im Imbiss „Bei Gina“ Currywurst gemampft und bei Lilo in der Schifferkneipe „Zum Anker“ gepennt. Nur dass „Bei Gina“ in der rauen Duisburger Malocher-Wirklichkeit damals „Pommes Kalle“ hieß und „Zum Anker“ heute „Café Kaldi“ heißt.

 

Es hat sich viel geändert in Duisburg-Ruhrort. Zwischen Damm- und Friedrichstraße, von der Friedrich-Ebert-Brücke bis zur Mercatorinsel werden sich nur wenige finden, die frech behaupten: zum Besseren. Auf der Insel hat Schimanski mal eine Tüte Kokain untersucht. Auf der Brücke seinen Golf geschrottet. Seit kurzem trägt das 30 Meter lange, hausnummerlose Sträßchen in der Nähe der Schiffer-Börse, wo die Hafenrundfahrten beginnen, den Namen „Horst-Schimanski-Gasse“ - nach langen kommunalpolitischen Kämpfen mit dem Baurechtsamt und nicht nur zur Freude der Ruhrorter. Dem Schimmi seine Gasse: Dirk Buchloh kann sie vom Fenster seines Ladens sehen.

„Die Altstadt war immer brechend voll und Ruhrort schwerreich“

Seit 1908 handeln die Buchlohs mit Schiffsbedarf. In vierter Generation. Ölzeug, Gummistiefel, Laternen, Taue, Schiffsglocken, Absperrventile: das ganze Sortiment. Durch die unscheinbare Gasse sind die Rheinschiffer damals vom Hafen in die Altstadt gelaufen, um beim Metzger, Bäcker und bei Buchlohs einzukaufen. „Die Gasse war mal die zentrale Achse“, sagt die 72-jährige Isolde Beekmann. Viele Lokale waren für die Schiffer eine feste Postadresse, wo Briefe in alphabetisch geordneten Fächern abgelegt wurden. 120 Kneipen zählte man in Ruhrort in den besten Zeiten - und einen Puff. „Die Altstadt war immer brechend voll und Ruhrort schwerreich“, erinnert sich Isolde Beekmann. Lang, lang ist’s her. Über auf alt gepflasterte Straßen, vorbei an der Hafenbäckerei und dem Friseur Westerhelweg zur Eisenbahnstraße 27c: Im Schaufenster des Bürgervereins kann man sie noch sehen, die große Vergangenheit von Europas größtem Binnenhafen.

Erinnerungen in Schwarz-Weiß aus der Privatsammlung von Marlies Diepenbrock. Fotos von der Schiffswerft Heinrich Lohbeck, gegründet 1919. Erloschen im Jahr 1999. Bei der zweistündigen Hafenrundfahrt auf der „Rheinfels“ kann man noch die Fabrikgebäude sehen. Verfallen. Zelluloid-Blicke auf den Hafenbugsierdienst Heinrich Gertges, gegründet 1891. Erloschen in den 1970ern. Oder auf die Dampfkesselfabrik Ewald Berninghaus, gegründet 1866, liquidiert 1992. Früher: So fangen sie an, die alten Geschichten im „Damm-Café“. Es ist das einzige Lokal an der Ecke, das übrig geblieben ist. Plastikstühle vor der Tür, ein paar alte Männer kloppen drinnen im Halbdunkel Skat.

„Ich hab’ einfach keinen Bock mehr"

„Ruhrort ist fast tot“, sagt Doris Schöpp. Von der Theke aus kann man das neue Schild sehen: „Horst-Schimanski-Gasse“. Die Wirtin grinst. „Dabei ist der hier nur mal langgelaufen.“ 750-mal habe die kurze Szene gedreht werden müssen, sagt Dirk Buchloh, dessen Laden von den Filmleuten zum türkischen Gemüseladen umgebaut worden war. „Es kann doch nicht so schwer sein, die Gasse hochzulaufen, habe ich damals gedacht.“ Zum Pegel Ruhrort, wo Schimanski seinen ersten Einsatz an der Seite seines Kollegen Christian Thanner hat. Seitdem immer mit dabei: die graue Feldjacke M-65, schmuddelig und ohne Schulterklappen. Weiter zum Rheinpreußenhafen, wo Schimmi in den Kanal springt. Zur Schifferbörse, wo früher Schiffer und Verlader die Fracht aushandelten und Thanners Volvo mit Farbe beschmiert wird. Bis zum Werfthafen, wo in Schimanskis 18. Fall eine tote Prostituierte gefunden wird.

Ein Abstecher nach Althamborn, Meiderich, Marxloh, zum legendären Tunnel in der Matenastraße oder in die Alsumer Straße zu den alten Thyssen-Krupp-Hochöfen. „Ich denke gern an meine Drehtage im Ruhrgebiet zurück“, sagt Schimmi-Darsteller Götz George. „Die Menschen begegnen dir mit Offenheit, mit Ehrlichkeit und Eigensinn, wie du es woanders nur selten antriffst.“ Wer mit dem einen oder anderen Ruhrorter in Erna Schibulskis „Partystadl“ ins Gespräch kommt, weiß, was genau George meint. Industriegeschichte vor prächtigen Hafengebäuden. Kleine Schicksale hinter schäbigen Fassaden. Ruhrort fasziniert auf den zweiten Blick. Ein Ort zum Durchhalten. „Ich hab’ einfach keinen Bock mehr, ich hab’ die Schnauze voll.“ Mit diesen Worten zog Schimmi 1991 den „Tatort“-Schlussstrich. Duisburg-Ruhrort kann er damit nicht gemeint haben.

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Infos zu Duisburg

Anreise
Mit dem Auto von Süden unter anderem über die Autobahnen A 3, A 1 und A 45. Mit dem Zug bis Duisburg-Hauptbahnhof ( www.bahn.de ), von da gute Verbindungen im Nahverkehrsnetz des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr: www.vrr.de

Unterkunft
Wyndham Duisburger Hof, DZ ab 70 Euro; www.wyndhamduisburg.com ; Mercure Duisburg City, DZ ab 136 Euro, www.mercure.com ; Ibis Budget, DZ ab 60 Euro, www.ibis.com ; Hotel Belvedere, DZ ab 80 Euro, www.hotel-lavigie.de

Hafenrundfahrten
Zweistündige Rundfahrt durch den alten Ruhrorter Hafen und den neuen Containerhafen Duisport; Abfahrt: Schifferbörse und Eisenbahnbassin am Museum der Deutschen Binnenschifffahrt ( www.binnenschifffahrtsmuseum.de ) www.hafenrundfahrt-duisburg.de

Allgemeine Informationen
Tourismus NRW, www.dein-nrw.de ; Martin Kohn: „Mit Schimanski durchs Revier“, Outdoor-Handbuch Band 330, Conrad-Stein-Verlag, 9,90 Euro.