Von Stralsund aus erreicht man über eine Brücke bequem die Insel Rügen. Backsteingotik und Bäderarchitektur - ein Traum für Menschen mit Liebe zur Ostsee.

Stralsund - „Und jetzt betrat ich mit schüchternem Fuße das stille Land. Ich schauerte leise zusammen, eine sanfte wehmütige Empfindung weitete das Herz aus. Es war hier alles so stille, so stille, als wenn in der Kirche ein Vaterunser gebetet wird.“ (Karl Nernst, Schriftsteller, „Wanderungen durch Rügen“, 1800) Rügen, das kann man auch noch heute nachspüren, ist tatsächlich zuallererst eine Empfindung. Sie hat zu tun mit Sehnsucht, Aufatmen, Innehalten, Kraftschöpfen. Es gibt Menschen, die kennen die größte deutsche Insel in- und auswendig, verbringen wieder und wieder ihren Urlaub dort, viele in derselben Pension oder demselben Hotel, auf demselben Campingplatz.

 

Und es gibt andere, die es auch 25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung noch nicht ein einziges Mal geschafft haben, hierher an die Ostsee zu reisen. Ein Versäumnis. Wer nach Rügen möchte, sollte auch Zeit für die Hansestadt Stralsund einplanen, sozusagen als Aperitif: Prachtbauten in leuchtend dunkelroter Backsteingotik prägen das Bild des alten Stadtkerns, allen voran die Nikolai-Kirche und das Rathaus mit seiner hohen Schaufassade und den Stralsunder Sternscheiben, seit 2002 Unesco-Welterbe.

„Hoch hinaus und nichts dahinter“

Macht und Reichtum wollten die Ratsherren und Kaufleute damit zu Beginn des 15. Jahrhundert demonstrieren, sich gar mit Lübeck anlegen, damals Zentrum der deutschen Hanse. „Hoch hinaus und nichts dahinter“, ätzten die Lübecker beim Anblick des prächtigen Verwaltungsgebäudes. Kirchen, Klöster, Kaufmannshäuser mit hohen Giebeln, viele zu Herbergen mit einzigartigem Charme umgebaut wie das Geburtshaus von Carl-Wilhelm Scheele (1742-1786), dem Entdecker des Sauerstoffs und zahlreicher anderer chemischer Elemente und Verbindungen. Stralsund und der Hafen: ein Muss für alle, die es ans Wasser zieht. Hier liegt das (Museums-)Segelschulschiff „Gorch Fock I“.

Es gibt stylishe Lokale, aber auch alte, dunkle Seemannskneipen wie die Zum goldenen Anker. Von hier aus starten auch allerlei Fähren und Boote. So kreuzen etwa die Segel-Yachten „Lautlos“ oder „Schwerelos“ beim Mondschein-Törn vor der Skyline Stralsunds. Nomen est omen: Nur das sanfte Glucksen der Wellen in den Ohren, während Skipper Bernd Stellmacher, ein gebürtiger Bayer, das 64 Quadratmeter große Hauptsegel setzt, schaltet man wunderbar ab und schaut bei einem Glas Bier oder Sekt dabei zu, wie das Meer und der Himmel um einen herum langsam immer schwärzer werden.

Ein Besuch im Ozeaneum, dem gigantischen Meeresmuseum mit seinen teils riesigen Aquarien (das größte Becken fasst 2,6 Millionen Liter), ermöglicht trockenen Fußes eine Reise in die Unterwasserwelt der nördlichen Meere. Schon mal von der Kleinen Schlangennadel oder der Toten Mannshand gehört? Oder einen erwachsenen Blauwal, mit ca. 34 Metern Länge größtes Tier auf der Erde, in Lebensgröße gesehen - wenn auch als Nachbildung? Eben! Überquert man die kühn geschwungene Rügenbrücke, findet man sich auf der 926 Quadratkilometer messenden Insel Rügen - zehnmal so groß wie Sylt - plötzlich in einer eigenen Welt wieder.

Tunnel aus Eichen, Kastanien, Birken oder Linden

Touristenhochburg einerseits. Ein verwunschener, sagenumwobener Ort andererseits. Der immerwährende Wind, der sommers die riesigen Getreidefelder zum Wogen bringt und die Wolken über den Horizont jagt. Das intensive Licht, das die Landschaft in hell leuchtende, impressionistische Farben taucht. Die Luft: samtig weich und erfrischend zugleich. Alles so grün. Dichte Zauberwälder, Buchen, Eichen und Ulmen, Kiefern, gesäumt von Brombeerhecken und Farnen. Dann und wann kleine Moore, Bäche. Und diese Alleen. Tunnel aus Eichen, Kastanien, Birken oder Linden, deren Äste über den teils uralten, schmalen und holperigen Pflastersteinsträßchen ein kühles Spalier bilden, hohe, schattenspendende Laubdächer mit irritierend-flirrenden Hell-dunkel-Lichtspielen.

Unter ihrem Schutz die Urlauber mit Auto oder per Fahrrad auf dem Weg zu den zahlreichen Insel-Attraktionen. Dazu zählen natürlich die Kreidefelsen im Nationalpark Jasmund, das Jagdschloss Granitz oder die berühmten Seebäder, allen voran das mondäne Binz. Strahlend weiße Jugendstil-Villen im Stil der Bäderarchitektur mit gepflegten Rosengärten reihen sich wie an einer Perlenkette entlang der Uferpromenade, in denen teils sündhaft teure Ferienwohnungen an Urlauber vermietet werden. Weiße Strandkörbe am hellsandigen Strand. Mittendrin eines der Wahrzeichen Rügens: das majestätische Kurhaus Binz mit zwei ausladenden Seitenflügeln und Türmchen.

Nach einer wechselvollen Geschichte - nach dem Zweiten Weltkrieg diente es etwa als Erholungsheim für Offiziere - ist es heute wieder Luxushotel für die Schönen und Reichen. So schließt sich der Kreis: Als es 1890 eröffnet wurde, war Kaiserin Auguste Viktoria einer der ersten Gäste. Trotz des Pomps ist das Haus offen für Besucher. Nachmittags werden unter der riesigen Glaskuppel im Erdgeschoss Kaffee und üppige Kuchen aus der eigenen Konditorei serviert. Man kann sich im Kurhaus auch ganz offiziell das Jawort geben.

Spektakuläre Bauten auf Rügen

Oder, wenn man dem Wasser ganz nahe und lieber im kleinen Kreis heiraten möchte, ein paar Hundert Meter entfernt auch im Rettungsturm Binz, einem vom Binzer Architekten Ulrich Müther entworfenen Ellipsoid. Das extravagante Gebilde sieht aus wie ein soeben am Strand gelandetes weißes Ufo - superromantisch. Auf Rügen gibt es jedoch noch andere spektakuläre Bauten. Etwa in Prora, einem Ortsteil der Gemeinde Binz, wo zwischen 1936 und 1939 das von den Nazis begonnene, aber unvollendet gebliebene „Kraft durch Freude“-(KdF)-Seebad Rügen steht.

Hier sollten 20 000 Menschen gleichzeitig Urlaub machen können. Zu DDR-Zeiten war der Koloss dann streng bewachte Kasernenanlage. Die Metamorphose ist in vollem Gang: In einem Teil der auf einer Länge von viereinhalb Kilometern entlang der Küstenlinie aneinandergereihten Häuserblocks gibt es schon einige Jahre eine Jugendherberge. Nun werden weitere Blöcke saniert und zu kommerziell vermarkteten Ferienwohnungen sowie privaten Eigentumswohnungen umgebaut. Die Lage der monströsen Immobilie am Ostseestrand ist einmalig, die Interessenten geben sich in der Musterwohnung auf dem Gelände die Klinke in die Hand.

Eine Hälfte des Komplexes ist bereits fertig, mit hellen Fassaden und modern ausgestatteten Apartments - allerdings nicht ganz billig. „Wir haben in den letzten zwei Jahren 200 Wohnungen verkauft“, sagt Roland Klein von der Berliner Vermarktungsfirma enthusiastisch. Ein Dokumentationszentrum (Prora-Zentrum, www.prora-zentrum.de) erinnert an die unrühmliche Vergangenheit des Bauwerks. So hat Rügen Fans mit ganz unterschiedlichen Interessen: verwöhntes Genießer-Publikum, Naturliebhaber, (FKK-)Sonnenanbeter, Radler, Ruhebedürftige, Geschichtsbewusste, Kultur- und Architekturfreunde - aber immer Menschen mit Liebe zur Ostsee.

Infos zu Mecklenburg-Vorpommern

Anreise
Mit dem Pkw von Stuttgart aus in ca. neun Stunden über die A 9 (vorbei an Nürnberg, Leipzig, Berlin, Rostock), insgesamt ca. 960 Kilometer. Mit der Bahn in etwa derselben Zeit bis Stralsund-Hauptbahnhof, www.bahn.de .

Von Stralsund aus über die Rügenbrücke oder den alten Rügendamm nach Rügen.

Unterkunft
Stralsund: 4-Sterne-Superior-Hotel Scheelehaus, Ensemble aus historischen Giebelhäusern (mit Geburtshaus des Apothekers und Erfinders Carl Wilhelm Scheele), mitten in der Altstadt in der ältesten Straße Stralsunds, jedes Zimmer anders, mit Gourmetrestaurant „Scheel’s“ und eigener Kaffeerösterei, Fährstraße 23-25, 18439 Stralsund, Telefon 0 38 31 / 28 33 00, Arrangement: zwei Ü/F im DZ de luxe ab 245 Euro, www.hotel-stralsund-scheelehof.de

Rügen: Precise Resort Rügen, um ein ehemaliges Herrenhaus gruppierte Hotel- und Ferienapartmentanlage auf einem 250 Hektar großen Gelände, Am Taubenberg 1, 18551 Sagard, Telefon 03 83 02 / 95, familienfreundlich mit 250 Quadratmeter großem „Kinderland“, Nutzung der 1500 qm großen Jasmund-Therme für Hotelgäste . Ca. 8 Kilometer zum nächsten Strand. Preisbeispiel Anfang September: DZ mit Balkon oder Terrasse, 2 Personen Ü/F, ab 68 Euro, www.precisehotelruegen.de

Travel Charme Nordperd & Villen, Nordperdstraße 11, 18586 Ostseebad Göhren, Telefon 03 83 08 / 9 12 31: auf einer Anhöhe nahe Ortskern gelegen, über einen Waldweg Zugang zum Strand, Innenpool mit Außen-Liegewiese. Preisbeispiel Anfang September: DZ seeseitig mit Balkon, Ü/F, 2 Personen, ab 185 Euro, www.travelcharme.com/hotels/nordperd.html

Kurhaus Binz, traditionsreiches 5-Sterne-Superior-Hotel direkt an der Uferpromenade, elegant, 1908 erbaut, 1500 qm großer Spa, Strandpromenade 27, 18609 Ostseebad Binz, Telefon 03 83 93 / 1 40 81; Preisbeispiel Anfang Sept.: kleine Juniorsuite, seitlicher Seeblick, Ü/F, 2 Personen, ab 262 Euro, www.travelcharme.com/hotels/kurhaus-binz.html

Sehenswert/Ausflüge
Stralsund: Historischer Stadtkern mit Rathaus-Ensemble in Backsteingotik, www.ostsee.de/stralsund/altstadt.html

Deutsches Meeresmuseum mit vier Standorten: Besonders spektakulär ist das 2008 eröffnete Ozeaneum am Hafen in Stralsund mit riesigen Aquarien, www.deutsches-meeresmuseum.de/ozeaneum

Stralsund vom Wasser aus, z. B. einstündiger Mondschein-Törn mit Stralsund Yachtcharter, 15 Euro pro Person, www.stralsund-yachtcharter.com

Rügen: Binzer Villen-Rundgang mit QR-Code, http://villen.ichbinzwieder.de/

Jagdschloss Granitz, auf einer bewaldeten Anhöhe bei Binz, www.jagdschloss-granitz.de

Nationalpark Jasmund mit den berühmten weißen Kreidefelsen, www.koenigsstuhl.com

Deutsche Alleenstraße, Deutschlands längste Ferienstraße, www.deutsche-alleenstrasse.de

Rügen’sche Bäder-Bahn, „Rasender Roland“ genannt, dampflokbetriebene Schmalspur-Eisenbahn, http://ruegensche-baederbahn.de

Allgemeine Informationen
Tourismuszentrale der Hansestadt Stralsund, Alter Markt 9, 18439 Stralsund, Tel. 0 38 31 / 2 46 90, www.stralsundtourismus.de; Tourismuszentrale Rügen, Tel. 0 38 38 / 80 77 80, www.ruegen.de