Ein Hauch von Weihnacht liegt in der Luft. Beim Backkurs in Dresden zeigt Bäckermeister Henry Mueller, wie man Stollen fachkundig zubereitet.  

Dresden - Ein Hauch von Weihnacht liegt in der Luft, eine zartes Aroma von Zimt, Rum und frisch gebackenen Keksen. Zwischen Mehlsilo, Semmelpresse und zwei hölzernen Arbeitstischen wartet Henry Mueller in seiner Backstube auf die fünf Damen, die heute an seinem Backkurs teilnehmen. In weißer Bluse mit aufgesticktem goldenen Dresdener-Stollen-Siegel und schwarz-weiß karierter Schürze serviert er noch schnell ein Glas Rotkäppchen-Sekt zum Warmwerden, dann geht es Hals über Kopf ins Thema. Ab jetzt, verkündet er, dreht sich alles nur noch um den Dresdner Stollen, jenes „Gebildgebäck“, das angeblich an das in eine Windel gehüllte Jesuskind erinnert.

 

Dresdner Stollen darf sich nur nennen, was in der Stadt und ein paar Randbereichen gebacken wurde, bestimmte Zutaten-Kriterien erfüllt und damit zu Recht das Siegel der Schutzgemeinschaft Dresdner Stollen e. V. trägt. 130 Dresdner Firmen sind dieser Vereinigung angeschlossen. Und in Sachen Produktschutz sind sie sich einig: Es kann nur einen geben! Wer immer sich erdreistet, außerhalb Dresdens einen Stollen mit einem Bild des Goldenen Reiters, einem Relief der Frauenkirche oder einem Zusatz wie „nach Dresdner Art“ zu verzieren, bekommt zu Weihnachten nicht Süßes, sondern säuerliche Post vom Anwalt. Mehr als drei Millionen Stollen wurden 2013 von Dresden aus in alle Welt verkauft.

Wasser, Mehl und etwas Rübenöl zusammengekneten

Genau so einer soll in den nächsten vier Stunden in Dresden-Langebrück entstehen. Henry Mueller und seine Frau Ines haben „schon einmal etwas vorbereitet“. Mehl, Butter, Hefe und Milch stehen abgewogen parat, Rosinen wurden über Nacht in Rum eingeweicht und Orangeat, Zitronat und Mandeln gehackt. Nach Herstellung des „Hefestücks“, des Vorteigs, gibt der Hausherr einen kurzen historischen Abriss: Der Stollen war einst ein Gebäck für die Fastenzeit vor Weihnachten und wurde, wenig appetitanregend, aus Wasser, Mehl und etwas Rübenöl zusammengeknetet. Genießbarer wurde es erst, als Papst Innozenz VIII. im 15. Jahrhundert den Sachsen erlaubte, ihren „Striezeln“, wie die Stollen auch hießen, Butter beizumischen.

Doch jetzt sind die Gewürze dran. Vanilleschoten aufschneiden, Muskatblüte in den Teig geben - dann heißt es, den eigentlichen Teig zu kneten: „In der Mitte Druck geben“, zeigt Henry Mueller, „und nach außen arbeiten. Dabei den Ballen immer ein kleines Stück drehen. Beim Wirken entsteht Spannung um den Teig herum.“ Während der klebrige Pamps sich unter der Hand allmählich in eine elastische Masse verwandelt, wächst der Respekt vor den effizienten, sicheren Handgriffen des Meisters. Nun werden die restlichen Zutaten eingearbeitet: Mindestens 50 Prozent Butter oder Butterschmalz gehören in einen Dresdner Stollen, bezogen auf die Mehlmenge. Dazu 65 Prozent Sultaninen, 20 Prozent Orangeat und Zitronat sowie 15 Prozent Mandeln. Marzipan je nach Geschmack. Der wichtigste Bestandteil aber sind Rosinen. Damit darf kein Betrieb geizen, soll seine Ware nicht als „Schreistollen“ verrufen werden.

So nannte man zu DDR-Zeiten Stollen, die so mager bestückt waren, dass die Rosinen, um miteinander ins Gespräch zu kommen, quasi über weite Entfernungen brüllen mussten. Saßen sie dagegen so dicht beisammen, dass sie fast unhörbar plaudern konnten, hatte man einen der begehrten „Flüsterstollen“ vor sich. Apropos DDR. Nicht immer waren, wie man weiß, alle notwendigen Waren des täglichen oder feiertäglichen Bedarfs zu haben. Die Lebensmitteltechniker aber zeigten sich erfinderisch: Aus grünen Tomaten bastelten sie etwa „Kandinat T“ und sparten mit diesem Zitronat-Ersatz dem Staat Devisen. Jetzt öffnet Henry Mueller den auf 190 Grad vorgeheizten Ofen und schiebt die sechs perfekten Teigrollen hinein.

Eine kleine Fingerübung ist das für ihn: Ab November füllt er ihn jeden Tag nach der normalen Brot- und Brötchenproduktion mit exakt 96 Zwei-, Drei- oder Vierpfündern. Rund 50 Minuten backen die Stollen. Dann geht der Ofen auf. Und fünf braun gebrannte Prachtkerle mit Rosinen-Sommersprossen lachen frisch gebacken in die Welt. Noch heiß werden sie dick mit flüssiger Butter bestrichen. Anschließend siebt der Bäcker Puderzucker darüber, der sich mit der Butter zu einer feinen Kruste verbindet. „Zwei Wochen sollten sie ruhen. Dann darf kein Aroma mehr einzeln vorherrschen. Der Teig muss saftig sein, ohne schliffe Stellen“, sagt Henry Mueller. Jetzt mal ganz im Vertrauen, Herr Innungsobermeister: Wer backt heute eigentlich den besten Stollen Dresdens? Da strahlt Henry Mueller noch einmal ganz breit die Damen an und lacht über beide Ohren. „Das kann ich so ni sagen. Aber de scheensten Stollen, die heute ne Dresdner Backstube verlassen - das sind ganz sicher diese sechse hier.“

Infos zu Dresden

Anreise
Mit der Bahn ist Dresden von Stuttgart aus mit einmaligem oder mehrmaligem Umsteigen zu erreichen. Dauer zwischen knapp sieben und acht Stunden ( www.bahn.de ). Mit dem Pkw: Ab Stuttgart über die A 81 Richtung Heilbronn, A 6 Richtung Nürnberg und A 9/A 72/A 4 nach Dresden. Ausfahrt 78, circa 500 Kilometer. Ab Stuttgart fliegt Germanwings nach Dresden ( www.germanwings.de ).

Unterkunft
Das Hotel Villa Sorgenfrei wurde Ende des 18. Jahrhunderts von einem Freiherrn als Sommersitz erbaut. Die heutigen Besitzer mühen sich, diese Zeit wieder aufleben zu lassen. Lüster im Speisesaal, zarte Barockmöbel und eine Ausstattung der Zimmer in Weiß, Creme und Beige verleihen dem Anwesen Eleganz und Leichtigkeit. Natürlich fehlt es nicht an modernster Technik. Doppelzimmer mit Frühstück ab 109 Euro. Augustusweg 48, 01445 Radebeul, Tel. 03 51 / 7 95 66 00, www.hotel-villa-sorgenfrei.de .

Das Maritim Hotel Dresden befindet sich in einem riesigen Erlwein-Speicher direkt am Elbufer, in dem einst die Stadt Dresden ihre Waren lagerte. Imposant ist die Halle, vor allem hoch oben aus dem gläsernen Fahrstuhl betrachtet. Die Lage ist ein weiteres Plus: Innenstadtnah, mit Blick über die Elbe, der sächsische Landtag liegt direkt daneben. Doppelzimmer inklusive Frühstück ab ca. 100 Euro. Ostra-Ufer 2, 01067 Dresden, Tel. 03 51 / 21 60, www.maritim.de .

Stollen-Backkurs
Die vierstündigen Stollen-Backkurse für bis zu sechs Teilnehmer finden nach Vereinbarung statt. Kosten pro Person 75 Euro - jeder darf am Ende seinen Zweipfund-Stollen mit nach Hause nehmen. Feinbäckerei Mueller, Hauptstr. 14, 01465 Dresden-Langebrück, Tel. 03 52 01 / 7 07 70, www.dresdner-striezel.de

Essen und Trinken
Restaurant Elements: Ganz billig sind sie nicht, die Kürbisgnocchi für 18 Euro oder der Rosa Sauerbraten für 25 Euro. Aber dann kommen erstere im Kokossud mit Preiselbeeren und Palmherzen daher, und zum Fleisch gibt es Weintrauben, Kartoffelkrapfen und Rotkohl, und am Ende erweist sich der Abend, gemessen am Genuss, als überaus preiswert. Königsbrücker Str. 96, 01099 Dresden, Tel. 03 51 / 2 72 16 96, www.restaurant-elements.de

Dresden 1900: Natürlich ist das ein Touristentrara. Aber in einem Straßenbahnwagen von 1898 Rinderbäckchen in Rotweinsoße (15,20 Euro) zu genießen oder an einem Wachtelspieß (14,90 Euro) zu knabbern - das sollte man sich eben doch nicht entgehen lassen.

Wer es besonders sächsisch mag: „Dräsdnor Braadn“, „Scheenes von der Stellze“ und „Mit Griemelgääse übberbagnes Würzfleesch“ gibt es auch. An der Frauenkirche 20, 01067 Dresden. Tel. 03 51 / 48 20 58 58, www.dresden1900.de

Allgemeine Informationen
Dresden Information, Prager Str. 2b, 01069 Dresden, info@dresdeninformation.de, Tel. 03 51 / 501 501, www.dresden.de

Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen, Bautzner Straße 45/47, 01099 Dresden, Tel. 02 51 / 49 17 00, www.sachsen-tourismus.de