1856 wurden im Neanderthal bei Düsseldorf Verwandte des heutigen Menschen entdeckt. Ein Museum erzählt ihre und unsere Geschichte.

Mettmann - Nichts war damals, wie es heute ist. Entlang des Flusses Düssel klaffte vor 150 Jahren eine enge Schlucht. Die Wände aus weiß gebändertem Fels ragten 50 Meter hoch und waren von Büschen überwachsen. Man baute Kalk ab, und dabei entdeckten Arbeiter 1856 in einer Höhle 16 kleine Knochenteile. „Menschen aus der Eiszeit“, erkannte der Lehrer Johann Carl Fuhlrott sofort. Menschen, die vor etwa 40 000 Jahren gelebt haben. Heute erstreckt sich an dieser Stelle ein Park, der an einen Ehrenfriedhof erinnert.

 

Steinkreuze tragen Bronzeplatten, die die Geschichte des Fundes erzählen, eine Zeitschiene im Boden dampft viereinhalb Milliarden Jahre Erdgeschichte auf wenige Meter Länge ein. In einem Beet wachsen Krähenbeere, Grasnelke, Wacholder und Myrtenweide - Tundra-Vegetation, wie es sie auch im Neanderthal einmal gab. Vor 100 000 Jahren, als noch Auerochsen und Wildschweine bei Temperaturen von bis zu 27 Grad minus über die Ebenen zogen. Es waren harte Zeiten für die, die sich damals hier durchschlugen: die Neandertaler. An diesem Sommermorgen aber rauscht die Düssel, und die Vögel singen. Und plötzlich tauchen Fragen auf, Fragen über und an den damaligen Bewohner des Landes - nennen wir ihn der Einfachheit halber Max. Gab es auch in deinem Leben solch sonnige Momente - Momente, in denen der Kampf ums Dasein zurücktrat und du einfach so etwas wie pure Lust am Leben empfandest? Konntest du singen, Max? Und wie ging es dir, wenn plötzlich einer der Deinen dalag und sich nie mehr rührte?

Homo erectus hatte ein größeres Hirn

Zuständig für das Beantworten von dererlei Fragen sind Eltern, Bücher oder das Internet. Und nicht zuletzt Museen. Das Neanderthal Museum erinnert an einen ovalen Wassertank mit einer Fassade aus türkisfarbenem Glas. Die Ausstellung im Inneren ist auf einer spiralförmig ansteigenden Rampe angeordnet. Und da ist er höchstselbst: gestatten, Max. Ein vergnügter Opa in orangefarbenem Lendenschurz und Umhang begrüßt am Eingang, gestützt auf seinen Speer, die Gäste. Mit seiner Rübennase, dem breiten Mund und der rotbraunen Lederhaut wurde er anhand bisheriger Knochenfunde exakt nachmodelliert. Aber es dreht sich in den sechs Ausstellungsbereichen nicht alles nur um Max.

Umfassendere Themen sind die Herkunft des Menschen, seine Entwicklung - und ein wenig auch seine Aussichten für die Zukunft. Lang, lang ist’s her, erzählt „Old Grandfather Moon“ im Video: rund 15 Millionen Jahre, dass in Afrika die Erde brach und ein neues Gebirge entstand. Östlich davon wurde es trockener, der Wald wich der Savanne, und vor sieben Millionen Jahren tappten erste Nachkommen von Affen auf zwei Beinen durch die Steppe: Die Australopithecinen. Vor zweieinhalb Millionen Jahren begann die Geschichte des eigentlichen Menschen. Homo erectus hatte längere Beine, ein größeres Gehirn und kannte sich schon mit Werkzeug aus. Immer neue Homo-Linien entstanden.

Max und die Seinen, die Neandertaler, lebten 250 000 bis 30 000 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Unsere Wenigkeit schließlich, Homo sapiens sapiens, tauchte vor 150 000 Jahren auf. In den Vitrinen der Ahnengalerie präsentieren sich lebensgroße Modelle unterschiedlicher Frühmenschen: die nackte Homo- erectus-Frau aus Afrika. Der fellbehangene Neandertaler, der an einen sanften Späthippie erinnert. Die Homo-sapiens-Frau im Wildlederkleid vom Ende der Eiszeit sowie ein Ackerbauer, einer jener Sapiens-Gesellen, die es vor 10 000 Jahren leid waren, immer wieder ihre Zelte abzubrechen, und deswegen begannen, Schafe zu zähmen und Dinkel auszusäen. Zeichnungen, Videos, Dioramen und zahlreiche Hörstationen zeichnen das Werden des Menschen nach. Und es wird nie langweilig zu verfolgen, wie Max und unsereins immer gewitzter und geschickter wurden, nachdenklicher und vorausschauender. Die Faustkeile der Neandertaler etwa waren vom Feinsten, erfährt man unter „Werkzeug und Wissen“.

Vor etwa 30.000 Jahren verschwanden die Neandertaler

Ein Video zeigt, wie viel Erfahrung in Sachen Stein man braucht, um ein solches Multifunktionswerkzeug zurechtzuhauen. Vom Feuersteinbohrer bis zur Schlagbohrmaschine, vom Birkenpech zum Superkleber, vom Lindenbastseil zur Stahltrosse reicht die Werkbank unserer Erfindungen. Vor einem Felltipi häutet ein Paar eine tote Ziege. Frühmenschen folgten den Tierherden, aßen Beeren, Wurzeln und Eier, wussten aber auch mal eine frische Forelle zu schätzen. Die kulinarische Vielseitigkeit trug wesentlich zum Überleben der Gattung bei. Mit „Kommunikation und Gesellschaft“ endet die Ausstellung: Eine weißhaarige Dame erzählt ihrer konzentriert lauschenden Enkelin, was sie im Lauf des Lebens durchgemacht hat. Und der Besucher erfährt überrascht: „Die viel späteren Neandertaler konnten zweifellos ähnlich sprechen wie wir.“

Vor etwa 30 000 Jahren verschwanden sie von der Bildfläche - und niemand weiß, wieso. Bevor es aber so weit war, trafen sich Max & Co und unsere Ahnen irgendwann im Nahen Osten und fanden Gefallen aneinander oder fielen übereinander her. Fest steht, dass es zu einer Vermischung kam. Wissenschaftler haben inzwischen das Genom des Neandertalers entschlüsselt. Jetzt wissen wir es genau: Zwischen einem und vier Prozent unserer Gene stammen von Max und seiner Familie. Ein bisschen Neandertaler sind wir alle. Danke, Onkel Max.

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Infos zum Neanderthal

Anreise
Mit dem Auto: Über die A 46, Abfahrt Hilden, Ausschilderung Neanderthal folgen. Oder A 3
Köln-Oberhausen, Abfahrt Mettmann, Richtung Mettmann, Ausschilderung „Neanderthal Museum“ folgen.

Mit dem ÖPNV: Regio-Bahn
Kaarst-Neuss- Düsseldorf-Mettmann: Haltestelle Neanderthal, 5 Minuten Fußweg zum Museum.

S 8 
Mönchengladbach-Düsseldorf-Hagen: Haltestelle Hochdahl, 15 Minuten Fußweg zum Museum.

Bus 741 
Mettmann-Hilden: Haltestelle Neanderthal, direkt vor dem Museum

Bus 743
 Mettmann-Erkrath: Haltestelle Neanderthal, direkt vor dem Museum.

Neanderthal Museum
Neanderthal Museum, Talstr. 300, 40822 Mettmann, Tel. 0 21 04 / 97 97.

Kombiticket Museum und Sonderausstellung: Erwachsene 10 Euro, Kinder 5,50 Euro. Öffnungszeiten: Museum: Di.-So. 10-18 Uhr. Fundstelle: Di.-So. 10-17 Uhr. www.neanderthal.de .