Die Bundesregierung rechnet nach dem griechischen Referendum mit langwierigen Verhandlungen über ein verändertes Rettungskonzept. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel plädiert für humanitäre Nothilfe.

Berlin - Die Bundesregierung hat die Hoffnung der griechischen Regierung gedämpft, dass eine rasche Einigung auf ein neues Hilfsprogramm möglich sei. Berlin stellte klar, dass es mit langwierigen Verhandlungen rechnet – und dies auch nur für den Fall, dass in Athen ein Umdenken stattfinde. Damit wies die Bundesregierung Äußerungen der griechischen Regierung zurück, es könne innerhalb von 24 Stunden eine Verständigung geben.

 

Das Bundesfinanzministerium erklärte, dass die Hürden für ein neues Hilfsprogramm weitaus höher seien als beim Ende Juni ausgelaufenen Programm, für das noch die Regeln des Rettungsfonds EFSF galten. Für ein neues Hilfsprogramm stehe nur der dauerhafte Rettungsfonds ESM zur Verfügung, dessen Hilfen nicht allein an Reform- und Sparauflagen geknüpft seien. Geld könne nur fließen, wenn Griechenland nachweise, dass mit Reformen die Schuldenlast des Staates auf ein tragfähiges Niveau gesenkt werden könne. Außerdem knüpft der ESM-Vertrag Kredite an die Bedingung, dass die Stabilität der Eurozone gefährdet sein muss.

Ob von Griechenland wirklich eine Gefahr für die Eurozone ausgeht, wird in der großen Koalition aber bezweifelt (siehe Interview). Bevor die deutsche Regierung überhaupt in entsprechende Verhandlungen einsteigen kann, muss der Bundestag Mandat dazu erteilen. Dafür müssen die Abgeordneten in der Sommerpause zusammenkommen. Erst danach beginnen die Gespräche. Die Koalition rechnet mit wochenlangen Verhandlungen.

Großer Unwille in der Unionsfraktion

Innenpolitisch hat die Kanzlerin nur begrenzte Spielräume. In der Union ist der Unwille zu neuen Zugeständnissen an die aktuelle griechische Regierung seit dem Eklat in Brüssel am vorletzten Wochenende immens gewachsen. Selbst eher moderate Kräfte in Merkels Bundestagsfraktion plädieren angesichts des Volksvotums in Griechenland nun dafür, erst einmal auf Zeit zu spielen. Sie wollen abwarten, bis die Tsipras-Regierung akzeptable Vorschläge macht, wie der Schuldenkrise begegnet werden könnte.

„Vorerst kann es für die Griechen kein Geld mehr geben“, sagt Fraktionsvize Thomas Strobl, Vorsitzender der baden-württembergischen CDU-Landesgruppe. Es sei auch unvorstellbar, so heißt es aus der Fraktionsspitze, dass die Europäische Zentralbank den bankrotten Staat dauerhaft mit Notkrediten über Wasser halten werde. Denkbar seien allenfalls materielle Nothilfen, etwa Medikantenlieferungen durch das Technische Hilfswerk oder das Deutsche Rote Kreuz .

Markus Söder (CSU) empfiehlt den Grexit

Ungeachtet des Volksvotums am Sonntag spekulieren in der Union viele auf ein vorzeitiges Scheitern der linken Syriza-Regierung. „Die Zeiten werden sehr schwer werden für die Griechen“, sagt ein führender CDU-Mann, „in sechs bis acht Wochen wird sich zeigen, ob Tsipras das durchhält.“ Für eine harte Linie plädiert auch der CDU-Wirtschaftsrat. Er fordert, strikt an der Regel „Hilfe nur gegen Reformen“ festzuhalten. Das Nein der Griechen habe „jede Legitimation für weitere Unterstützung zerstört“. Die politische Stimmung in dem Krisenland dürfe „jetzt nicht durch aufgeweichte Angebote belohnt werden“, so Generalsekretär Wolfgang Steiger.

Kompromisslos klingt es aus der CSU. Bayerns Finanzminister Markus Söder hat sich für ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone ausgesprochen. „Griechenland will unser Modell nicht. Griechenland will Geld ohne Reformen“, sagte der CSU-Politiker der „Welt“. „Ich bin der Meinung, der Grexit wäre der fairste und ehrlichste Weg.“ Europa würde nach einem Grexit weiter funktionieren. Es scheitere nur, „wenn wir das griechische Modell einer Schuldenunion übernehmen“.

Wichtige Medikamente schnell liefern

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) sagt am Tag nach dem Referendum ebenfalls, man sei zu Gesprächen allzeit bereit, aber die Bedingungen müssten eingehalten werden. Man könne nach dem Referendum nicht so tun, als sei nichts gewesen. Der Ausgang sei „eine Absage an die Regeln der Wirtschafts- und Währungsunion“. Würde die Eurogruppe dem Drängen etwa nach einem bedingungslosen Schuldenschnitt nachgeben, würde dies die Eurozone „mit Sicherheit sprengen“, weil dann andere Problemkandidaten ähnliches Entgegenkommen einfordern würden. Deshalb blieben Reformzusagen Voraussetzung für den Verbleib in der Währungszone. „Wenn Griechenland im Euro bleiben will, dann muss die griechische Regierung schnell ein substantielles Angebot machen, das über ihre bisherige Bereitschaft“ zu Reformen hinausgehe, so Gabriel.

Unabhängig davon müsse jetzt aber schnell über humanitäre Hilfen wie die Lieferung wichtiger Medikamente gesprochen werden. Er gehe davon aus, dass dies auf dem EU-Sondergipfel am Dienstag geschehe. Die EU, so Gabriel, „muss für Hilfe bereit stehen“, denn die Zahlungsunfähigkeit des Landes stehe unmittelbar bevor.