300 000 Besucher sind zum Deutschlandfest der SPD in Berlin gekommen. Mit den Bremer Stadtmusikanten, Jim Knopf und dem Scheinriesen Tur Tur schöpft die Partei Hoffnung für den Bundestagswahlkampf.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Stuttgart - Ihren Humor haben sie auch angesichts flauer Aussichten im Bundestagswahlkampf nicht verloren – das wollen die drei Herren mit Dame ihrem Publikum unbedingt mit auf den Weg durch die bevorstehende Lesung geben. „Klar war, dass Peer der Hahn ist“, flachst der SPD-Chef Sigmar Gabriel. „Ich war sehr dankbar, dass Frank den Esel übernommen hat“, ergänzt der Kanzlerkandidat Peer Steinbrück spottlustig. „Damit habe ich kein Problem,“, kontert der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier ironisch, „das ist ja eine tragende Rolle.“

 

Es geht um das Märchen von den „Bremer Stadtmusikanten“, die im Frühjahr 150 Jahre alt gewordene deutsche Sozialdemokratie, den Wahlkampf und nicht zuletzt die Verhältnisse an der SPD-Spitze. Die sind vorige Woche durch eine rabiate Kritik Franz Münteferings an der aktuellen Wahlkampfführung schließlich wieder arg in Misskredit gebracht worden.

Steinbrück hofft, dass die Kanzlerin ein Scheinriese ist

Die SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks als einziges weibliches Element der Runde nimmt ihre Rolle als Katze im Musikanten-Märchenquartett übrigens sportlich gelassen: Sie sei erst ins Spiel gekommen, „nachdem den Jungs klar geworden ist, dass sie noch ne Frau brauchen“. Es ist Tag zwei beim Deutschlandfest der SPD in Berlin. Mit einem wahlkampftauglichen Volksfest rundet die Partei, die ihr Jubiläum bei einem Festakt im Mai offiziell begangen hat, die Veranstaltungen zum Parteigeburtstag ab.

Gerade haben Peer Steinbrück und seine Frau Gertrud den Kindern im Lesezelt von Jim Knopfs Begegnung mit dem Scheinriesen Tur Tur erzählt, der beim Näherkommen mit jedem Schritt kleiner wird. Natürlich hätte die Moderatorin nicht mit dem Zaunpfahl winken müssen, um dem Publikum die gar nicht heimlichen kollektiven Wünsche der SPD offenzulegen: Dass die Kanzlerin Angela Merkel sich mit ihren 42 Prozent in den Meinungsumfragen beim Näherkommen für die SPD – die bei 25 Prozent liegt – ebenfalls als schmächtige und damit bezwingbare Scheinriesin entpuppen möge. Jetzt jedenfalls nutzt die Troika mit Dame die Chance, klar zu machen, dass die innere Harmonie an der SPD-Spitze sehr wohl dazu ausreicht, mit verteilten Rollen und einer Prise Humor ein Märchen vorzulesen.

300 000 Gäste

Noch 36 Tage sind es bis zur Bundestagswahl, und die SPD liegt weit hinter der Union. Aber Peer Steinbrück ist tags zuvor, als er zu seiner Rede auf die Bühne getreten ist, ein beeindrucktes „Donnerwetter“ entfahren. So etwas, sagte er, habe er bisher noch nicht gesehen. Zwar reden Politiker häufig vor vielen Menschen. Aber wenn sie nicht Barack Obama heißen, bleiben ihnen Massenveranstaltungen mit Hunderttausenden Zuhörern versagt. Steinbrück kennt dieses Gefühl jetzt auch.

300 000 Menschen drängen sich nach Angaben der SPD am Samstag zeitweise auf der Fanmeile zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule. 25 000 Genossen sind mit den Ortsvereinen aus der ganzen Republik in die Hauptstadt geströmt. Sie, so hofft man an der Parteispitze, kehren jetzt kampfesmutig in ihre Wahlkreise zurück. Dass so viele „normale“ Menschen gekommen sind, erfüllt die Organisatoren mit Zufriedenheit. Dass manche eher wegen der Auftritte von 700 Künstlern – darunter Nena, die Prinzen und Roland Kaiser – gekommen sind, als um Steinbrück zu hören, trübt die Stimmung nicht.

Der SPD-Chef Sigmar Gabriel setzt beim Fest und im Wahlkampf auf direkte Botschaften: das Märchen von den Stadtmusikanten geht gut aus, obwohl die Tiere des Alters wegen zunächst für den Schlachthof bestimmt waren. Nachdem Gabriel und Genossen fertig gelesen haben, sagt er: „Die Moral von der Geschichte ist natürlich: Totgesagte leben länger.“