Eigentlich sind sie 1993 mehr aus Verlegenheit entstanden, und jahrelang konnte man sie mangels guter Frequenzen auch kaum hören. Doch inzwischen sind die Hörfunkprogramme Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur ein Erfolg.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Köln - Diese Nachricht klingt nach medienpolitischem Insidergedöns: Das Deutschlandradio hat beschlossen, bis zum kommenden Frühsommer seine Spartentitel zu vereinheitlichen. Künftig heißen seine drei Programme „Deutschlandfunk“, „Deutschlandfunk Kultur“ und „Deutschlandfunk Nova“. Klar, was der Intendant Willi Steul damit bezweckt: Die neue Namensgebung solle Hörern „die Zuordnung und Orientierung erleichtern.“ Anders gesagt: Künftig sollen Radiofreunde schneller begreifen, dass die drei bundesweiten Hörfunkprogramme letztlich aus einem gemeinsamen öffentlich-rechtlichen Haus kommen. Und über dem Haus soll jener Name stehen, der sich in der Rundfunklandschaft zur Qualitätsmarke entwickelt hat: Deutschlandfunk.

 

Damit geht eine abenteuerliche Radiogeschichte auf die Zielbahn – eine Geschichte, deren Erfolg am Anfang alles andere als vorhersehbar war. Denn das, was Bundesregierung und Bundesländer 1993 beschlossen haben, einen „nationalen Hörfunk" nämlich, stand völlig quer zu dem, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der föderalen Bundesrepublik angelegt ist – als vielfältiges, dezentrales Angebot der Landesrundfunkanstalten. Zentralisierte Medienangebote waren nach den Erfahrungen mit der NS-Propagandamaschine aus gutem Grund verpönt.

Aber auch hier gab es nach der Wiedervereinigung 1990 schlicht ein Erbe zu händeln, in diesem Fall eben das Radioerbe: In Köln hatte der Deutschlandfunk seinen Sitz, der mit einem Informations- und Unterhaltungsprogramm seit 1962 per Kurz- , Mittel- und Langwelle vor allem die Bürger der DDR mit kritischem Radio versorgt hatte. Ganz ähnlich lautete der Auftrag von Rias Berlin: Von Schöneberg aus hatte der „Rundfunk im amerikanischen Sektor“ Jahrzehnte lang auf UKW den Ostteil der Stadt versorgt. Dort schließlich gab es Anfang der neunziger Jahre noch immer Reste des alten DDR-Rundfunks, vor allem Radio 2, den Kulturkanal.

Wer früher Deutschlandfunk hören wollte, fand nur Knarzen und Rauschen

Dies alles fassten Bund und Länder zu einer zusätzlichen Anstalt namens „Deutschlandradio“ (DLR) zusammen – mit dem Auftrag, alte und neue Bundesländer mit einem bundesweiten Informations- und Kulturprogramm zu versorgen, zusätzlich zu den Angeboten der Landesrundfunkanstalten von NDR bis Bayern, aber wie sie finanziert aus den allgemeinen Rundfunkgebühren. Eine Idee, die viele überflüssig, manche schädlich, die meisten aber ohnehin für zum Scheitern verurteilt hielten: Die beiden neuen Angebote waren bundesweit nur schwer zu empfangen. Wer die Sender suchte, fand häufig nur das große Knarzen und Rauschen.

Jahrelang stritt und kämpfte die Anstalt vor allem um eines: UKW-Frequenzen. Doch trotz vieler Verbesserungen ist es in den 23 Jahren Sendergeschichte nicht gelungen, für die beiden Programme ein flächendeckendes Sendegebiet zu schaffen – vor allem nicht mit zuverlässiger Empfangsleistung. Just hier liegt ein Grund, warum sich ein knappes Vierteljahrhundert später die DLR-Geschichte doch als Erfolg präsentiert: Dank Kabelnetzen, Digitalradios und Internetausstrahlung ist beim Radiohören kaum noch jemand auf sein UKW-Kofferradio angewiesen.

Was man früher beim SWR suchte, findet man nun bei Deutschlandradio Kultur

Und der andere Grund für den Erfolg, messbar anhand stabil hoher Zahlen von insgesamt mehr als zwei Millionen Hörern pro Tag? Es ist die hohe Qualität der Programme. Was Anfang der neunziger Jahre kaum vorherzusehen war, ist inzwischen in allen ARD-Anstalten Realität: Die Zahl der Wellen von NDR bis Bayern hat sich vervielfacht, der Anteil klassischer Informations- und Kulturprogramme ist gleichzeitig aber radikal geschrumpft. Vieles, was anspruchsvolle Radiohörer früher bei Radio Bremen, beim Hessischen Rundfunk oder beim SWR gesucht haben, finden sie heute nur noch im Deutschlandfunk und bei DLR Kultur.

DLF und DLR Kultur sind grundsätzlich definiert als Qualitätsprogramme mit überdurchschnittlich hohem Wortanteil. Dem DLR-Intendanten Willi Steul liegt einerseits viel am Erfolg beim Publikum, er will aber andererseits sein Programm „keinem falschen Quotendruck“ aussetzen. Just so hat der Sender nun über sechs Jahre hinweg eine Reform vollzogen, in der alle Programme (inzwischen sind es mit dem Digital-Jugendkanal D-Radio Wissen drei) überarbeitet wurden – wobei das Wortprofil eher noch verstärkt wurde, gegen den sonstigen ARD-Trend.

Und am Ende steht nun auch ein einheitlicher Name: „Deutschlandfunk“ wird zur Marke. Man kann über den Sinn des gebührenfinanzierten Rundfunks durchaus streiten. Der nationale Hörfunk aber liefert jeden Tag ein Argument dafür.

Eine Rudfunkanstalt, zwei Funkhäuser, drei Programme

Das Deutschlandradio (DLR) ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts und wird getragen von ARD und ZDF zum Zweck, „bundesweite Hörfunkprogramme“ zu produzieren. Intendant ist seit 2009 Willi Steul, der zuvor beim SWR tätig war. Mit einem Jahresetat von rund 240 Millionen Euro bietet der DLR zur Zeit drei komplett werbefreie Programme: aus dem Funkhaus Köln den Deutschlandfunk und das Jugendprogramm D-Radio Wissen sowie aus dem Funkhaus Berlin das Deutschlandradio Kultur. Außerdem gibt es noch den digitalen Kanal „Dokumente und Debatten“ mit aktuellen Live-Übertragungen.

Die jüngste Medienanalyse vom Sommer zählt in der Woche (montags bis reitags) jeden Tag bundesweit 1,6 Millionen Hörer für den Deutschlandfunk und 522 000 Hörer für Deutschlandradio Kultur. Zum Vergleich: Der SWR erreicht mit all seinen Radioprogrammen zusammen im Sendegebiet Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz rund 6,5 Millionen Hörer, der Kultursender SWR 2 allein täglich 240 000 Hörer.

Zweimal sieben Radioperlen aus dem DLF- und D-Radio Kultur-Programm

Köln/Berlin - Bei Deutschlandfunk und Deutschlandradio wird rund um die Uhr ein Vollprogramm geboten. Hier eine Auswahl von jeweils sieben besonders starken Angeboten – zunächst vom Informationskanal Deutschlandfunk:

Die Nachrichten: wie wohltuend, dieser Purismus – kein News-Flash, keine Jingles, kein Musikteppich, keine Live-Schaltung. Einfach im Studio ein Sprecher, ausgebildet im Sprechen, der den Stand der Dinge verliest – ruhig, klar, nach Wichtigkeit sortiert. Und während die anderen nach 90 Sekunden ins „Wetterstudio“ schalten, dauern die DLF-Nachrichten alle zwei Stunden sogar zehn Minuten.

Freistil: Die Alternative für alle, die keine Lust auf „Tatort“ haben, jeden Sonntag zwischen 20 und 21 Uhr. Ein Feature wie eine Wundertüte, originell und überraschend, entweder vom Thema her oder von der Form – meistens von beidem.

Gesichter Europas: Jeden Samstag zwischen 11 und 12 Uhr eine Stunde Auslandsreportage von Autoren, die mit viel Zeit unterwegs waren und nicht nur interessante Geschichten präsentieren, sondern auch Musik und Stimmen von unterwegs. An diesem Samstag zum Beispiel darüber, wie die Slow-Food-Bewegung selbst die italienische Küche gerade auf den Kopf stellt.

Klassik, Pop et cetera: Die älteste deutsche Radiosendung, immer samstags zwischen 10 und 11 Uhr. Seit 1974 stellt jede Woche ein Promi seine Lieblingsmusik vor und erzählt Geschichten dazu. Legendär allein schon die Titelmelodie, gespielt im Big-Band-Sound des Rias-Tanzorchesters von Horst Jankowski.

Information und Musik: das aktuelle DLF-Morgenmagazin ist seit Jahren Standard. Doch am Sonntag lässt es sich zwischen 7 und 8.30 Uhr viel Zeit für lange Geschichten und Experteninterviews zu wirklich relevanten Fragen. Kurz vor Schluss gibt es ein besonderes Glanzlicht: „Denk ich an Deutschland“ – Prominente sinnieren über Staat und Nation. Große Klasse!

Essay und Diskurs: sonntags von 9.30 bis 10 Uhr der Pflichttermin für alle, die Zusammenhänge über die Tagespolitik hinaus verstehen wollen – gerade aktuell zu den Hintergründen der Schlammschlacht bei der US-Präsidentschaftswahl.

Corso: wem Kultur oft zu trocken ist, lasse sich von diesem bunten Kulturmix wochentags zwischen 15 und 16 Uhr überraschen. Ob Hochkultur, ob Boulevard: „Corso“ überspringt locker alle Grenzen.

Wir schalten um zum Deutschlandradio Kultur und zu Kakadu: Jeden Tag (außer samstags) Kinderfunk, sonntags sogar 90 Minuten lang – das ist einmalig gut und vielfältig. Hörspiele, Reportagen, Telefondebatten: Hier können auch Eltern etwas lernen. Aber sie mögen sich bitte beim Zuhören ruhig verhalten.

Studio 9: Wem der DLF-Morgen zu wortlastig ist, findet bei DLR die richtige Mischung. Zwischen 5 und 9 Uhr bringt das aktuelle Magazin einen sehr angenehmen Mix aus Nachrichten, Politik, Kultur und geschmackvollem Pop. Den wöchentlichen Höhepunkt gibt es jeden Freitag um 7.40 Uhr: „Alltag anders“ – eine Hörcollage von DLR-Auslandskorrespondenten zu einem bestimmten Stichwort, von „Frühstück“ über „Rauchen“ bis hin zum „Fahrrad fahren“.

Fazit: Das Gegenstück zum Morgenmagazin – jeden Abend zwischen 23 Uhr und Mitternacht aktuelle Kulturberichterstattung vom Tage – zum Teil mit ersten Kritiken zu den Premieren des Abends.

Rang 1: Eine ganze Stunde Theatermagazin, geht das? Am Samstagnachmittag zwischen 14 und 15 Uhr geht es prima. Und gleich danach folgt: Vollbild – das wöchentliche Filmmagazin zwischen 15 und 16 Uhr.

Sein und Streit: Welch ein schöner Titel für eine Philosophiesendung, jeden Sonntag zwischen 13 und 14 Uhr! Hier geht es in aller Ausführlichkeit und trotzdem erfrischend abwechslungsreich zum Beispiel um Fragen nach Wahrheit oder Freiheit.

Sonntagsrätsel: Wer es mal so richtig schön altmodisch und gemütlich haben will, der macht sonntags um 10.30 Uhr mit, wenn es gilt, Komponisten oder Musiktitel zu erraten und Buchstaben zu Lösungswörtern zusammenzusetzen. Bitte Papier und Bleistift bereit halten. Ultimativ retro.